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Freitag 30. Juli 2004, 15:19 Uhr
Kein Ende der «Sommerdebatte» Rechtschreib-Kommission kritisiert Politiker Niedersachsen bleibt bei Forderung nach Stopp der Reform
Berlin (ddp). Im neu aufgeflammten Streit um die Rechtschreibreform fordert die zuständige Zwischenstaatliche Kommission ein Ende der «Sommerdebatte». Die Politiker sollten sich lieber anderen Themen zuwenden, mahnte der stellvertretende Vorsitzende, Gerhard Augst, am Freitag. Die so Angesprochenen machen unterdessen weiter gegen die neuen Regeln mobil. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) bleibe bei seiner harten Linie, sagte Vize-Regierungssprecher Volker Benke. Die Landesregierung betrachte die Reform als gescheitert. Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, bekräftigte: «Bis auf die neue Regel, bei kurzem Vokal ss statt ß, sollten wir zur alten Schreibweise zurückkehren.»
Augst betonte dagegen, nachdem die neue Rechtschreibung in den Schulen seit sechs Jahren erfolgreich angewendet werde und 75 Prozent aller Bücher so erschienen, sei es «überhaupt nicht mehr einzusehen, dass sie zurückgenommen werden sollte». Es seien viele hundert Millionen Euro investiert worden. Nach seiner Ansicht soll die neue Debatte offenbar als «Prügelknabe» herhalten: «Wenn Politiker sagen, dass die Rechtschreibreform zurückgenommen werden muss, weil sie beim Volk nicht beliebt ist, dann bleibt keine einzige Reform der letzten drei, vier Jahre übrig.»
Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) unterstrich, man könne nur hoffen, dass \die Ministerpräsidenten, die den Mund gegen die Rechtschreibreform gespitzt haben, nun auch pfeifen und die so genannte Reform definitiv abblasen». FDP-Generalsekretärin Cornelia Piper sagte, das Unternehmen sei gescheitert. Notfalls sollte das Volk über seine Rechtschreibung entscheiden.
Benke kritisierte, das veränderte Regelwerk habe zu einer «völligen Zerfaserung» der Orthografie geführt. Deshalb würden jetzt Gespräche mit den anderen Ländern geführt. Auch aus der Schweiz und Österreich gebe es Signale, dass man dort mit der neuen Rechtschreibung nicht zufrieden sei.
Unterdessen wird in Niedersachsen zum 1. August eine parteiübergreifende Volksinitiative gegründet, an der mehrere Abgeordnete beteiligt sind. Ziel sei die «Rückkehr zur bewährten, unreformierten Schreibweise». Man gehe davon aus, die für eine niedersächsische Volksinitiative erforderlichen 70 000 Stimmen in kürzester Zeit zu erhalten, betonten die Initiatoren von «Wir gegen die Rechtschreibreform Niedersachsen».
Das Brandenburger Bildungsministerium lehnt eine Rücknahme dagegen ab. «Das Land schließt sich den populistischen Forderungen nach einer Rückkehr zur alten Rechtschreibung nicht an», sagte Sprecher Thomas Hainz. Eine Reform der Reform sei der falsche Weg.
(Quellen: Augst im Radiosender MDR Info, Benke in Hannover, Genscher und Kraus in der «Bild»-Zeitung, Hainz auf Anfrage, Initiative in Mitteilung)
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