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Kieler Nachrichten
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Sigmar Salzburg
21.01.2007 09.33
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Kieler Nachrichten v. 18. 01. 2007

Ein Bild: Auf einer Demonstration in Dithmarschen wird von Leuten der Volksinitiative ein Pappschild hochgehalten:

„P.H.C DEIN WORT IST NICHTS WERT!

Auch die örtliche CDU vertrat die gleiche Meinung:

… die aufgebrachten Dithmarscher Christdemokraten verlangen, dass ihr Kreis eigenständig bleiben soll. So weit wollte und konnte der Ministerpräsident an diesem Abend nicht gehen. Er versicherte zwar, dass die besondere Situation Dithmarschens „nicht außer Acht gelassen“ werde. Lautstarker Beifall brandete hinter verschlossenen Türen aber immer nur dann auf, wenn ein Kritiker ans Mikro getreten war.

Nun, die Wortbrüche kennen wir schon – von der „Rechtschreibreform“ bis zur „Realschulreform“.

Aber er lebt noch, der Geist alten Dithmarscher, die vor fünfhundert Jahren ihre Bauernrepublik verteidigten und ihren Usurpatoren bei Hemmingstedt eine eindeutige Niederlage bereiteten!

Deswegen auf Seite 1 die Hiobsbotschaft für die kungelnden Parteiapparatschiks:


Den Parteien laufen die Mitglieder davon
CDU und SPD im Norden klagen über dramatische Verluste
Kiel – Die großen Parteien in Schleswig-Holstein werden immer kleiner. CDU und SPD haben im vergangenen Jahr einen dramatischen Verlust an Mitgliedern verzeichnet. Ein Grund: Viele sind unzufrieden mit der Politik der großen Koalitionen in Berlin und Kiel.

Von Bodo Stade
Unerwartet hart hat es die CDU getroffen: Nach Angaben von Landesgeschäftsführer Daniel Günther sank die Zahl der Mitglieder in den vergangenen zwölf Monaten um 1600 auf 27 750. In den Vorjahren lagen die Verluste noch bei 400 bis 600 Mitgliedern. Die SPD meldete einen Rückgang von 1191 Mitgliedern. Damit hat der Landesverband noch 21787 Genossen. Dramatischer waren die Verluste nur in den Jahren 2003 und 2004, als die Partei in Folge der Agenda 2010 jeweils 1800 Mitglieder einbüßte.


Die dagegen glanzvoll dastehende CSU wird demnächst auch Federn lassen müssen:

In der CSU wächst die Empfindung, dass die Partei Stoiber womöglich nicht loswerden will.

„loswerden“ (bereit werden von) stand schon im alten Duden. Neu ist die die verpflichtende Zusammenschreibung in der Bedeutung „etw. verkauft bekommen“.

Was die „Rechtschreibreform anbetrifft, so war Stoiber zweifellos eine äußerst schwacher Ministerpräsident, der sich von der Reformmafia und Zehetmair treiben ließ. „Die Reform ist sicher nicht mein Herzensanliegen.“ (Stoiber in die Die Presse 5.3.98)

Weder im Duden alt noch neu ist „zuende“ vorgesehen:

Beim Otto-Konzern geht eine Ära zuende


Der Regisseur Aki Kaurismäki wird im Interview zitiert:
In meiner Heimat würde ich es nicht mehr aushaltem, zuviel sozialer Druckund dazu noch die permanente Melancholie, das wäre zu viel für mich.
Die differenzierte Verwendung von Getrennt- und Z usammenschreibung ist natürlich auch nach der Rats-Reform immer noch schulisch unerwünscht.

Eine Zeitlang war in den KN übersehen worden, daß „Stilleben“ reformiert worden ist. Jetzt taucht es linientreu als „Stillleben“ auf.

Erfreulich ist, daß Verben und ihre Partizpien mit „auseinander“ jetzt oft richtig richtig gebildet werden:
auseinandergeschnitten

Der Film „Chanson D’Amour“ animiert leider wieder zur Dumm-Duden-Empfehlungsschreibung:
Fortan trifft sich das Paar in leer stehenden Räumen, wo es über das Leben redet.

Die von der „Reform“ begünstigte Lesefallen-Schreibung ist seltener geworden:

Das Münchener Duo „Unsere Lieblinge“ … Solche Haken schlagende Strudel musikalischer Wildwassermoderieren so obendrein voller Witz – mal geistreich, mal albern, aber immer spontan.

Wenn man den üblichen Reform-Kleinmist überstanden hat, möchte man zum Schluß aber doch wissen, was auf diesen Parties (verbotene englische Originalschreibung) eigentlich gezeigt wird:

… auf den offiziellen Aftershowpartys von Eminem in Hamburg …

– geändert durch Sigmar Salzburg am 22.01.2007, 20.19 –
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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
18.01.2007 14.16
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Kieler Nachrichten v. 17.01.07

Bis dahin will Stoiber die Entscheidung offen halten, – und nicht etwa der Landtagsfraktion überlassen …

Falsch! Im Duden 06 steht nun wieder „offenhalten“, als ob es nie anders gewesen wäre. (Deshalb ist der Duden bekanntlich ungeeignet für Korrekturzwecke an den Schulen.)

Hans Herbert von Arnim wird zum Fall Stoiber befragt und meint:
Kluge Ratgeber hätten ihm schon vor Monaten gesagt: ‚Kündige für 2008 Deinen Rücktritt an ….’ … Jetzt ist es schwer, ohne Gesichtsverlust zurückzutreten.
(Das große „Du“ geht auf ein Mißverständnis der Reformkommission der Nachrichtenagenturen zurück, die das briefliche Anrede-Du erhalten wollten, es dann aber auf alle Zitier-Fälle ausgedehnt haben.)

Was in den Kieler Nachrichten nicht erwähnt wird:
Bekannt geworden ist von Arnim durch seine Kritik am Parteienstaat. Sein Buch „Vom schönen Schein der Demokratie … Politik ohne Verantwortung – am Volk vorbei“ setzt sich mit der praktischen Ausgrenzung der direkten Demokratie durch die politischen Entscheidungsträger auseinander.

Erinnerlich ist mir seine Rechnung, daß für den Zulassungsantrag zu einem Bürgerbegehren in Berlin 51mal so viele Unterschriften nötig sind wie in Nordrhein-Westfalen. Er schreibt:
Die Unterschiede sind derart groß, daß möglicherweise die Willkürgrenze überschritten ist.

Ähnliches konnte ich auch 1999 bei der Berliner Unterschriftensammlung zum Bürgerbegehren gegen die „Rechtschreibreform“ feststellen. Durch doppelt so hohe Hürden, zu kurze Auslegezeiten und zu wenig Auslegestellen wurden die Berliner nahezu hundertmal schlechter gestellt als die Schleswig-Holsteiner.

Auch in den anderen Bundesländern betrieb man in der Rechtschreibfrage eine halblegale Ausgrenzung des Volkes, wie sie selbst gegenüber rechtsextremen Parteien von den Gerichten kaum zugelassen wird.

Apropos: Die sind gut, um Immobilienpreise in die Höhe zu treiben:

Nach Delmenhorst nun Kleinow?

Kleinow jedoch ist arm und erklärt schon den Verzicht auf …
„ … einige leer stehende Immobilien, die für ein Schulungszentrum infrage kämen.“

.. die unüblichen, aber vom Duden empfohlenen Getrennt- und Zusammenschreibungen, die meinem 19. Duden noch unbekannt waren.

Wieder falsch sind folgende Schreibungen:
mit sich selbst auseinander setzen

Veraltet „neu“: so genannt, „stecken gebliebene“ Gesetzentwurf,. schwer krank (aber beide mit Dudenempfehlung), kennen lernen.

Die Dreifachbuchstaben sind nur „neu“ richtig: Schifffahrtsimperium, Abschlussspiel, am helllichten Tag,
auch mitunter in unbeholfener Vermeidungsstrategie:
Kuss-Szenen.

Ich habe mir auch den Namen „Uli Hoeneß“ notiert, der sicher froh ist, daß seine Name endlich „Hönees“ gesprochen wird.

Neckisch sind auch die neuen Trennungen: Dis-tanz und Labskau-sessen – nachdem vor etwa vierzehn Tagen schon einmal „Tes-tessen“ angeboten wurden (von Hos-tessen?)

Über die grammatisch falschen „gestern Nachmittag, gestern Abend“ kann man mit eingefleischten Reformern kaum reden, ebenso über die zwei „zurzeit“.


Freuen wir uns, daß fast kontinuierlich in den KN „Handvoll“ geschrieben wird und wurde: Roman über eine Handvoll Menschen.

Auch hier scheint das Gemeinte graphisch richtig umgesetzt worden zu sein:
CDU und Grüne im Rat behaupten: „Alles Mögliche wurde getan.“

Oft handelt es sich bei den Reformdelikten nur um Punkte von lästiger Fliegenschiß-Qualität.

Der Geßlerhut der 16 Herostraten im Kultusministerpelz bleiben die „neuen“ ss:

Die ersten 28 Seiten der KN enthalten rund 160 „neue“ ss.
Davon gehören genau 50 Prozent zur Konjunktion „daß“, deren Schreibung als „dass“ keinem Sprachschwachen hilft.

Die andere Hälfte besteht zu 42 Prozent aus dem Stamm „muß/müß“ (bzw. „muss/müss“) und ist auch noch nie eine Klippe gewesen.

Das Literaturrätsel verwendet erfreulicherweise wieder einen Text, der aus einem der Milliarden Buchexemplare mit traditionellem ß entnommen ist:


Wer schrieb was?

„Ich will ziehen zum reckenhaften Chumbaba! / Den Gott, von dem man redet, will ich sehen! / Dessen Namen die Lande im Munde führen -/ Den will ich ereilen im Zedernwaid! / Daß gar stark der Sproß von Uruk ist, / Will ich hören lassen das Land! / Ich will Hand anlegen, die Zeder abhauen, /Einen Namen, der dauert – mir will ich ihn setzen!“

So spricht der Held des ers-ten, auf 11 Tontafeln in Keilschrift überlieferten Groß-Epos der Weltliteratur. Dann zieht er mit seinem frisch gewonnenen Super-Kumpel, dem Tiermenschen Eniku, los in ein Meer aus Helden-Abenteuern. Die Götter wollen ihm, dem König von Uruk, der zu einem Drittel Mensch, zu zwei Dritteln Gott ist, eine Lektion erteilen: So sehr er sich auch müht, die Bäume auszureißen, um Unsterblichkeit für sich und seinen später sterbenden Freund zu erlangen – es soll ihm nicht gelingen. Lediglich die von ihm gebaute Stadt Uruk, zu der er endlich zurückkehrt, macht zumindest seinen Namen unsterblich. Von Südbabylonien bis nach Kleinasien finden sich Tontafeln dieser sumerischen Heldengeschichte. Der Text wurde erst im 20. Jahrhundert wieder entdeckt: mit der Entzifferung der Keilschrift konnte ein 2000 Jahre währendes Rezeptionsloch geschlossen werden. Unter anderem enthält dieses Epos auch die Erzählung von der großen Sintflut, die sich später auch in der Genesis findet.


Der Verfasser des „Gilgamesch-Epos“ ist natürlich unbekannt. Älteste Textbruchstücke sind auf sumerisch, später auf akkadisch (eine semitische Sprache) überliefert. Das akkadische Schriftsystem übertrifft das japanische, das auch chinesische Zeichen verwendet, an Komplikation beträchtlich, da zu entscheiden ist, ob die Zeichen in akkadischer Bedeutung oder als sumerische Lautwerte zu lesen oder als Deutezeichen zu verstehen sind. Vor diesen Schwierigkeiten erscheint das Bedürfnis, durch eine „Rechtschreibreform“ die traditionellen „ß“ zu beseitigen, als Irrwitz der Schriftgeschichte.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
17.01.2007 12.44
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Kieler Nachrichten v. 16.01.07

Man hört, daß in manchen renommierten Zeitungen noch massenweise Fehler als Folge der „Rechtschreibreform“ auftreten. Bei den Kieler Nachrichten sind die Zeiten, in denen die Mitarbeiter ihre Linientreue oder ihre Abneigung durch auffällige Neuschreibungen zu demonstrieren suchten, schon seit längerem vorbei. Selbst die noch vorgeschriebenen Skurrilitäten werden oft umgangen.

Das ermöglicht es, den Nutzen der „Reform“ besser zu beurteilen. Auf den ersten drei Seiten der KN-Ausgabe v. 16.01.06 finden sich 22 zu „dass“ reformierte „daß“. Dies nützt niemandem, erhöht aber die Fehlerqote. Dem stehen 12 andere „neue ss“ hauptsächlich der Stämme „schluss“ und „muss“ gegenüber, die auch mit „ß“ nie ein Schreib- oder Leseproblem verursachten. Hinzu kommen die Trennungen „sa-cken“ und „nahe legen“ und „aufs Heftigste“, ebenso nichtsnutzig, aber mitverantwortlich für den beispiellosen kostspieligen Feldzug gegen traditionelle Rechtschreibung.

Eine der eifrigsten Verfechterinnen kommt auch zu Wort, Annette Schavan, die jetzt als Bundesbildungsministerin in Unwesen treibt:

Schavan lehnt Rechtsanspruch auf Weiterbildung ab

Sie behauptet im Hinblick auf die von ihr befürworteten Studiengebühren:
Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass es dennoch einen höheren Anteil von Studenten aus einkommensschwachen Familien gibt.

Manchmal scheint es, daß sie ihr von religiösem und wirtschaftspolitischem Konservativismus geprägtes Erscheinungsbild durch forsche Betriebsamkeit, etwa das Durchpeitschen der „Rechtschreibreform“, „fortschrittlicher“ zu gestalten versucht. Das dürfte beim „Kultur bewegten“ Zehetmair kaum anders sein.

Auch die Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, die trotz ihres linken Hintergrundes zum frommen Flügel neigt, zeichnet sich mit ihrem neuen Projekt durch emsigen Aktionismus aus. Der Koalitionspartner CDU ist, wie bei der „Rechtschreibreform“, trotz aller Wahlversprechen wieder einmal umgefallen und hat sich zu einer Teilliquidierung des dreiteiligen Schulsystems breitschlagen lassen.

Mit Trillerpfeifen gegen neues Schulgesetz
Von der Realschule zur Regionalschule – gegen diese geplante Änderung im Schulgesetz wehrten sich gestern 1500 Schüler, Lehrer und Eltern der vier Neumünsteraner Realschulen in einem Protestmarsch. … Ihr Ziel: Das gegliederte Schulsystem soll unverändert erhalten bleiben. Ihr Argument: Bei der letzten PISA-Studie schnitten die Realschulen in Schleswig-Holstein in allen getesteten Bereichen – das sind Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösen – ausgezeichnet ab. Die Schulart Realschule werde zudem landesweit am häufigsten nachgefragt. …


Die Realschulen bewegen sich, wie ich selbst an einem Sprößling beobachten konnte, fast auf gymnasialem Niveau. Das wird sich mit der neuen Bastardschulform nicht halten lassen. Das ganze ist eben durchdacht und ideologisch motiviert wie die „Rechtschreibreform“. Als Beispiel dafür sei noch aus dieser Ausgabe zitiert:

Doch auch wenn Helga Mollenhauer der Abschied von dem Feinkostgeschäft, das sie seit 40 Jahren mit ihrem Mann Peter betreibt, schwer fällt, der Zeitpunkt ist für sie richtig…. „Zu-cker und Mehl lagerte in Schubladen und wurde noch von Hand in Tüten gefüllt“, erzählt der 61-Jährige. „Sobald ich etwas bewegen konnte, musste ich mit ran.“ Das war mit etwa sechs Jahren. Rosinen wurden in Holzkisten angeliefert, auf Pergamentpapier geschüttet und die Brocken von ihm auseinander geknetet.

Die erste und die letzte Wortspaltung wurden 2006 als sprachwidrig wieder aufgegeben, letztere ist auch uneindeutig. Die Hinterlassenschaften der Reformtäter dazwischen sind auch nicht viel besser, werden aber mit Klauen und Zähnen verteidigt.

Auch beim nächsten Satz stellt sich reformbedingt ein leichtes Schwindelgefühl ein:

Spätestens bei der Kadenz stellt sich im Hinblick auf diese Solistin das Gefühl ein, das man bei so viel gespielten Stü-cken selten hat: Man ist überrascht, erschrocken von dem, was da gerade auf der Bühne passiert.

Sonst begegnen einem nur wohlbekannte Bekannte: aufs Heftigste; nahe zu legen, Schlussstrich, heute Nachmittag, so genannte (4), sogenannt (1), -Jährige (5), kennen gelernt, bestplatzierte, Schloss-Allee, stehen bleiben usw.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
16.01.2007 13.52
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Kieler Nachrichten v. 13.01.07

Aus einem Kommentar:

Dass ein solches System ohne dras-tische Beitrags- und Steuererhöhungen nicht zu bezahlen ist, erkennen die wenigsten.

Hier gilt anscheinend die geheime Neuregel „Großschreibung bei Verdacht auf Substantivierung“ nicht, wobei der Duden (04/06) zur Erklärung gerade diese Regel anwendet: im Allgemeinen wird „wenig“ kleingeschrieben … die wenigsten glauben das. Es gibt eben eine unklare Zahl von Ausnahmen; z.B. auch „ein bißchen“, oder „ein bisschen“, das Goethe noch großgeschrieben hat.

Im nächsten Fall empfiehlt Duden wiederum die Großschreibung, die wir nun wirklich nicht brauchen:

Für die Lobbyarbeit gründet Scientology laut Caberta eine Vielzahl von Unterorganisationen, die nicht ohne weiteres als solche erkannt werden können.

Die Trennung von „offenlassen“, seit 1996 den Schülern eingebleut, ist seit 2006 wieder falsch:

Ob auch Tom Cruise kommt, wird offen gelassen.

Zweimal findet sich „hierzulande“. Die hölzerne Schreibung „hier zu Lande“ scheint nun fast ausgestorben zu sein. Zuletzt wurde sie in den KN vor fünf Monaten gesichtet.

Rätselhaft bleibt die seit 2004 völlig unnötige Bevorzugung der Spaltung von „sogenannt“– ein Software-Macke?:

Entflechtungen (so genannte „Unbundlings“)

Das Folgende ist gar völlig falsch, obwohl „hoch“ sonst mit unverständlichem Eifer abgetrennt wurde:

„Jo“ Deckarm …. den begnadeten und hoch intelligenten Handballer

Die folgende Großschreibung suggeriert völlig unpassend etwas Besonderes:

„Bräuteschule von 1958“ … Auch Waschmaschinen konnten sich die Wenigsten leisten. …. Jede Zweite davon musste nebenbei einen Haushalt und oft auch Kinder versorgen.

Sie entdeckt als Erste die kleinen Pillen im Alibert-Schrank … Die Jugendlichen, die er im Sender kennenlernt

Dafür macht das noch seltene Wiedersehen mit „kennenlernen“ Freude. Wir finden allerdings auch dies:

Weit über 100 Rota-rier der Clubs Eckernförde, Eckernförde-Dänischer Wohld und Kappeln nutzten die Gelegenheit zum gegenseitigen Kennen lernen und Meinungsaustausch.

Selbstverständlich belästigt das unmotivierte Kleingehacke:

Nordseekrabben: Gepult wird in Afrika Der Job in der Krabbenfabrik ist bei den marokkanischen Frauen begehrt. … Außerdem fragt niemand in der Krabbenfabrik, wo der Vater ihrer Kinder ist, warum sie allein stehend sind, geschieden oder verwitwet.

aufwändige Krananlagen … übrig gebliebene Restfracht … jeweils 13 Boxen übereinander gestapelt


... ist der Vergleich von David gegen Goliath zwangsweise heran zu ziehen.

… und die Reformkleinkacke …
Schlussstrich, He-rausforderung, schwer verletzt, Weltschifffahrt

Der dreiste h-Klau an „rauh“ wurde schon oft gebrandmarkt:

Humphrey Bogart … Dass der raubeinige Gesell auch eine zweite Seite hatte, lassen die Blickwechsel Philipp Marlowes schon ahnen.

Ralph Giordano empörte sich zu Recht: „… rau ohne „h“ oder Schifffahrt mit drei „f“ … Wer, verdammt noch mal, bestimmt denn das hier! Das ist doch nicht zu glauben! ....“

Das Adjektiv „halbvoll“ war verboten, und Duden nimmt sich heraus, auch jetzt nur die getrennte Schreibung zu empfehlen.

Sandra Keck „ … für mich ist das Glas immer halbvoll

Bei attributivem Gebrauch würde ich es allerdings nie trennen.

Das Trenngebot wird hier wieder frei mißachtet:

Für die Mitarbeiter des Standesamtes bedeuten soviel Hochzeiten Hoch-Zeiten ….

… GinTonic zum Zerstäuben im Wohnzimmer – Kulinarisches entströmt seit Neuestem Flakons und Sprühflaschen.

Unverständlich, warum dann „seit gestern“ immer klein geschrieben werden soll, aber wahlweise groß „vor Kurzem“: …

Kinderseite: Wenn Dein Papa im Fernsehsessel schnarcht und Du den Krach unerträglich findest, kannst Du das hier probieren: …. Ich hatte vor kurzem einen Patienten, der machte bein Schnarchen einen Krach wie ein vorbeifahrender Lastwagen. … Ein paar Tipps gegen das Schnarchen stehen übrigens nebenan.

Und dann folgt noch eine Tipp-Orgie auf der nächsten Seite:
Tipps … Tipps … Tipps … Tipps … so genanntes „Chatten“ …

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
15.01.2007 10.44
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Kieler Nachrichten v. 11. u. 12. 01. 2007

Man achte auf die vielen „soviel“ und „zuviel“, deren Verbot überwiegend mißachtet wird.

11.01.07

Klaus Kramer: Die Bundesregierung will Vorreiter in der Verringerung von Treibgasemissionen sein. Zugleich ächtet sie die Atomenergie, ohne allerdings für – Kohlendioxyd freien – Ersatz zu sorgen.

Frank Lindscheid: Es wäre zwar verlockend, aber grundfalsch, sich auf den positiven Wirtschaftsdaten auszuruhen – da hat Angela Merkel Recht.

Die beiden Herren meiden inzwischen die gröbsten Reformskurrilitäten. Daß Duden „recht haben“ empfiehlt, ist aber wohl noch nicht in den Norden vorgedrungen. Das große „Leid“ ist auch wohl passé, obwohl die Agenturen noch viel Altreformunfug verzapfen:

[Pauli] Ihr Blick wird traurig bei den Worten, dass Stoiber die Stimmung der Menschen nicht an sich heran lasse. „Er hat mich verletzt, aber tut mir auch sehr leid…“

Obwohl das richtige „aufwendig“ immer zulässig war, hatte die „aufwändigen“-Seuche zeitweilig alle Texte befallen. Das richtige ist jetzt aber nicht mehr vom völligen Aussterben bedroht. Drei seltene Exemplare „aufwendig“ wurden gesichtet.
Ebenso zwei Exemplare „kennenlernen“.

Die EU müsse verhindern, dass Gewalt verherrlichende Computerspieleoder DVDs in die Hände von unter 16-Jährigen gerieten, sagte Frattini. … Nach Amokläufen an Schulen befürworten 60 Prozent der Deutschen ein Verbot so genannter Killerspiele.

Tauziehen um den Naturschutz … Ob sich die SPD in dieser Frage noch einmal quer stellt, dürfte auch von einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes abhängen.

Traditionell „querstellen“: „quer“ bis 2006 „immer getrennt von Verb“, seitdem zusammen bei „übertragener Gesamtbedeutung“

[Schauspielerin Helen Mirren] Vor 20 Jahren war ich nicht im Entferntesten eine Anhängerin der Monarchie.

Traditionell klein, denn es ist ja ein Ersatz für „überhaupt nicht“.

Ein Leserbrief:

Zu: Viele Fremdwörter

Ja, das ist eine neue Zeit! Wir sind in! Eine Studie hat zwar gerade herausgefunden, dass über die Hälfte der Bundesbürger die vielen englischen Begriffe in der Werbung nicht versteht, aber was soll's.
Wir machen weiter so. Die Tourismus Werbung in Schleswig-Holstein legt da auch richtig los. Jetzt kommen die best-ager dran. Sie haben genügend cash, ihnen wollen wir uns jetzt auch einmal widmen. Sie sind diejenigen, die per cruiser den neuen Cruise and Ferry Terminal erreichen, um von dort Kiel, ach so: Kiel Sailing City, zu erkunden. Es locken diverse Locations, wie Kai City (woher haben wir die nur?), Shopping Center, Outlet Stores usw. Überall lockt Fun & More, Sea food, Non Food, Säle oder irgendeine Performance. Leider konnten unsere Gäste diesmal nicht Fröhliche Weihnachten in Kiel erleben, denn auch hier hat Merry X-mas stattgefunden.
Das alles ist Ihnen too much? Gut, dann einen Coff.ee to go und Kiel Ahoi!
Traute Schnabel


Auf der nächsten Seite folgt gleich das entsprechende Beispiel:

Am Sonnabend läuten die Pink Pirates das neue Partyjahr ein; …. Wer dann vom gepflegten Chillen genug hat, kann sich zu DJ Mirkos House-tunes und allen zugehörigen groovenden Begleiterscheinungen im satten Sound auf der frisch polierten Tanzfläche in Bewegung bringen. Location und Veranstaltung haben sich in Kiel nachhaltig etabliert …

Und dann kommt noch das Wort, für das es sich gelohnt hat, Volksentscheide zu annullieren:

Kinder-Uni lockte 600 Besucher in den großen Physikhörsaal.
… beim Thema Fliegen verging die Zeit wie im Flug. Abgestürzte Hexen, Karlson vom Dach, die ersten Fluggeräte, die meistens entzwei gingen, bevor sie abhoben, junge Albatrosse bei tollpatschigen Bauchlandungen.


Mit dem Erstsemester-Projekt „startIng! ist der Fachbereich Maschinenwesen der Fachhochschule (FH) Kiel neue Wege gegangen…. Die Erstsemester gaben ihm Recht …Die Einblicke in ein „fast originale Arbeitsleben“ begeisterten Björn Aßmann (21) …

Der Eigenname, üblicherweise mit kurzem Anfangsvokal zu sprechen, klingt nach der neuen Heyse-Vorschrift jetzt wie Aas-Mann.

KN v. 12.01.07


In den KN vom nächsten Tag prangt der Name links oben auf S. 1 Gut zu Fuß: Jule Aßmann (14) hat schon zwei Marathons in den Beinen

Das gleiche Problem macht ein anderer norddeutscher Name:

Voß: Ohne Jauch geht’s auch
SWR-Intendant Peter Voß …


Auf S. 18 gibt es mehr über Fräulein Aßmannn: Und so schnürt sie weiter ihre Joggingschuhe. „Weil es soviel Spaß macht“, wie sie sagt. …

„So viel“ verweigert auch KN-Mitarbeiter Wolfgang Buhmann: Neue Sorge: offene Stellen Im letzten Jahr ist die deutsche Wirtschaft um 2,5 Prozent gewachsen. Mehr als dreimal soviel, wie die Pessimisten unter den Auguren vorhergesagt haben und immer noch doppelt soviel wie die Optimisten glaubten.

Die folgende Dumm-Duden-Empfehlung ist auch deswegen dumm, weil es „gefächerte Angebote“ eigentlich nicht gibt:

… mit einem breit gefächerten Angebot

Das richtige „sechsmal“ fiel wieder einmal dem Anschlag auf die GZS zum Opfer.

124 Selbstmordattentäter sprengten sich in die Luft, rund sechs Mal so viele wie im Vorjahr.

Irak-Krieg
Gesamtkosten bis Ende 2006: 151,1 Milliarden US-Dollar


Das sind 110 Mrd. Euro. Wenn man bedenkt, daß schon 1999 Heinz Troschitz vom Bund der Steuerzahler, die Kosten der „Rechtschreibreform“ auf umgerechnet 25 Milliarden Euro geschätzt hat, kann man sich ausmalen, was der Krieg der Kultusminister gegen die traditionelle Rechtschreibung uns nur materiell kostet – nur, um solchen sprachlich-logischen Unsinn als Duden-Empfehlung ins Volk zu pressen:

VW-Markenchef Wolfgang Bernhard verlässt nach nur zwei Jahren den Autobauer. Der Topmannager zog damit die Konsequenz aus dem tief greifenden Umbau in den Führungsstrukturen

Echte Wortvernichtung („jedesmal“) finden wir im Fortsetzungsroman:

Jedes Mal kommt sie kopfschüttelnd zurück. … das pausenlose Schimpfen der Mutter über die Mieter, die ihr diese Arbeit nicht im Geringsten danken würden.

Wir erinnern uns, daß die sprachlich inkompetenten Kultusminister bis 2006 „kopfschüttelnd“, aber „Kopf stehend“ vorgeschrieben hatten.

Thalia in der Gaußstraße: David Bösch entschleunigt Goethes „Clavigo“ …. Zuviel Gefühl bewegt da höchstens noch das Jungmänner-Duo Clavigo und Carlos.

„Eva Menk-Huditz ist eine Finderin“, so die Lehrerin über die in Wolfenbüttel geborene Textildesignerin aus Heikendorf, die ihre Motive in der Natur und der Architektur sucht. Mensch und Tier erstarren in realistisch gehaltenen Arbeiten zu Stillleben

Als ich wenige Stunden später in der Kunsthalle einen Bildband „Stillleben“ fand, habe ich ihn schleunigst wieder aus den Händen gelegt. „Stilleben“ hätte man beibehalten können, denn es ist eigentlich ein holländisches Fremdwort, das immer so geschrieben wurde.


„Ich hoffe, ich werde eine gute Erinnerung sein“
Polarforscher Scott schrieb seinen letzten Liebesbrief bei Minus 70 Grad
London - Die letzten Briefe des britischen Polarforschers Robert Falcon Scott (1868-1912) sind jetzt erstmals veröffentlicht worden. Kurz vor seinem Tod im Eis auf dem Rückweg von seiner Südpol-Expedition im Jahr 1912 schrieb Scott einen Abschiedsbrief: „An meine Witwe“: „Liebe, es ist nicht einfach zu schreiben bei dieser Kälte – 70 Grad unter Null und kein Schutz außer unserem Zelt. (...) Das schlimmste an der Situation ist, dass ich Dich nicht wieder sehen werde.“


Obwohl die höfliche Großschreibung im Englischen nicht üblich ist, gehört sie selbstverständlich zu einer guten Übersetzung. Bei den Übersetzungen haben die Systemveränderer ein leichtes Spiel, wie man an der Masse der Neuerscheinungen beobachten kann.

In der Samstagsausgabe der KN v. 13.01.07 fällt auf, daß auch die Kinder im Journal wieder groß mit „Du“ angeredet werden. Die durch die dummdreiste „Unhöflichkeitsreform“ der Kultusminister erzwungene Wahlfreiheit in der Anrede wird wider Erwarten doch nicht immer ausgenutzt.

Hier breche ich den Bericht ab. Der viele kleine Reformmist ist zwar für Ästheten lästig, Vorstadtbewohner nehmen ihr Leben in mäßigem Müll jedoch oft kaum noch wahr.

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Sigmar Salzburg
12.01.2007 13.28
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Kieler Nachrichten v. 9. u. 10. Januar 2007

KN v. 09.01.07

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns näher kommen – es sei denn, Herr Stoiber tritt 2008 nicht mehr an.“ Gabriele Pauli, Fürther CSU-Stadträtin

Nach Duden 2006 wieder falsch.

100 Jahre Kieler Philharmoniker
Die Hoffnung auf einen Aufstieg in die A-Klasse sei bei ihnen im Übrigen noch keinesfalls gestorben.

Im Herzen oder im was … ist die Hoffnung noch nicht gestorben?


Wiesbaden-SPD fordert Verschiebung der Wahl
Wiesbaden
– Nachdem die SPD in Wiesbaden die Anmeldungsfrist für ihren Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl verpasst hatte, fordert sie eine Verschiebung des Wahltermins in der hessischen Landeshauptstadt. Das funktioniert aber nur, wenn alle fünf fristgerecht gemeldeten Bewerber ihren Rückzug erklären, dpa


Hat die SPD Fristverlängerung gefordert, als die Bürgerbegehren wegen der offziellen Behinderungen nicht die erforderlichen Unterschriften fristgerecht beibringen konnten?

Im gleichen Text:
Heute ein neues Angebot für BenQ?
des potentiellen Investors … für die potenzielle Investorengruppe … dpa/afp


Trennquatsch:
Roman: „Wie kommt sie dann auf di-ch“?

Hinter „Schattensprache“ ste-cken dieselben Macher.
Man erwarten „ste-hen“.

Fiddler’s Green „Drive Me Mad“ … nicht die Behäbigkeit und Trin-kaus-Mentalität vergleichbarer Irish-FolkBands.
… Trennung nach dem Hi-naussystem.

Der singuläre h-Klau, schon mehrfach besprochen:

Donizettis Farce „Viva la Mamma!“
Unter dem mal raubeinigen, mal tönenden Befehlston-Brausen seine Bassbaritons stöckelt er sich derart virtuos durch das Probenchaos, dass kein Auge trocken bleibt.

Und etwas zum Lachen, wie blöd man früher war:

ARD „Bräuteschule 1958“ … Die Reise in die Welt ihrer Großmütter war bei Weitem kein pures vergügen für die „Bräute in spe“. Jetzt mal ein bisschen Tempo…“ … Um als Hausfrau und Mutter bestehen zu können, wurden die Backfische auf so genannte Bräuteschulen geschickt…. Schauplatz der neuen „Living-History“-Serie ist das abgeschiedene Soonwaldschlösschen bei Mengerschied im Hunsrück. … Ein Mal pro Woche dürfen die „Bräute“ die graue Schuluniform ablegen … Ein Mal in der Woche zu duschen … Dauerwelle, Schuluniform und befremdliche Unterwäsche samt Strumpfhaltern sorgen für erste Miss-stimmungen.

Nicht falsch, aber befremdlich ist „ein Mal“. Man schreibt üblicherweise „einmal“, bei Betonung „ein einziges Mal“.
1958 war es der Traum vieler junger Mädchen, einmal Siegerin bei einer Miss-Wahl zu sein, manche kamen in „Miss-Stimmung“


KN v. 10.01.2007

Einmal in der Woche findet man mitunter regelrechte klassische Rechtschreibung, im

LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?

„Es ist schlimm, wenn ein einziger Herr eine große Menge Sklaven besitzt Und ich denke, daß es nicht besser ist, wenn ein Sklave viele Herren hat * Ohne Kenntnis der fremden Sprache wirst du niemals das Schweigen des Ausländers verstehen können. * Ein Hahn besingt sogar den Morgen, an dem er in den Suppentopf wandert. * Die Fetten leben kürzer. Aber sie essen länger. * Den Blick in die Welt kann man mit einer Zeitung versperren.“
.
„Fassen wir uns kurz. Die Welt ist überbevölkert von Wörtern“ – vielen seiner Aussprüche ist die größte Ehre widerfahren, die es für ein literarisches Werk überhaupt geben kann: Sie sind zu geflügelten Worten geworden. Die entsetzlich-beschwerliche Last seines europäischen Schicksals als Jude, Pole, Emigrant, Reemigrant, Monarchist, Sozialist, Pazifist und Partisan, als vielfach Verfolgter und vielfach Entronnener hat ihn zu einem Mahner und melancholischen Menschenfreund werden lassen. Seine insgesamt über 2000 Aphorismen haben zur Mobilmachung des Denkens (über Staat, Gesellschaft und Politik) geführt. Als die erste Sammlung der Aphorismen 1955 erschien, standen ihm in Warschau plötzlich wieder alle Redaktionstüren offen; nach Stalins Tod trafen die lapidaren Einwände den Nerv der Zeit, weil sie die großen Vorwände mit wenig Aufwand sichtbar machten.


Hier nimmt man meist die greifbaren Texte, und die sind meist unreformiert:

Stanislaw Jerzy Lec „Unfrisierte Gedanken“

Anläßlich der Premiere des Hitler-Films mit dem Musik-Clown Helge Schneider findet sich ein Interview im Kulturteil, das in wieder unzulässiger Schreibweise mit der Frage beginnt:

“Ist es Ihnen schwer gefallen, sich für die Rolle von Ihrer Haarpracht zu verabschieden?
Und später nochmal:
… Ist es Ihnen schwer gefallen, sich zurückzuhalten?

Ob die Frage auch so betont war, wie die Aussage „es hat uns schwer gefallen“?

Helge Schneider schien über seine Rolle nicht so glücklich zu sein. Er betonte, daß er ja nur Laienschauspieler sei. Anderswo hatte er schon gesagt, daß er lieber ohne Maske aufgetreten wäre. Schließlich meinte er, zum gleichen Angebot, auch wenn es dollarschwerer wäre, würde er jetzt sagen: … „Och nee, ich fahr lieber Paddelboot“.

Helge Schneiders eigene Western-Parodie „Für eine Handvoll Scheiße“ ließ ihm da mehr Möglichkeiten zur Improvisation.

Der Titel erwies sich als Falle für die „Rechtschreibreform“, denn tatsächlich wird er vom reformbeflissenen Marketing mitunter als „Für eine Hand voll Scheiße“ angeboten.

Achten wir also darauf, was für eine Hand uns entgegengestreckt wird. Der Duden läßt immer noch die unappetitlichste Variante zu.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
12.01.2007 11.40
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Kieler Nachrichten v. 6. u. 8. Januar 2007

Kieler Nachrichten v. 06.01.2007

Erfreulich sind einige (wieder zulässige) Altschreibungen;

eine Zeitlang, das tut mir heute noch leid, einen aufwendigen Lebensstil, eine krebserregende , Produktion, eine fertiggestellte neue Lagerhalle, die Zeit sei stehengeblieben (2004 immer getrennt, 2006 zusammen möglich, aber nicht vom Duden empfohlen]
Bangemachen gilt nicht. Und schlechtreden erst recht nicht.

Warum aber „sogenannt“ weiterhin getrennt geschrieben wird, bleibt unerfindlich:

… das so genannte Nahost-Quartett …
(Leider immer noch, auch von den hauseigenen Schreibern)

[Markus Günther: Merkel] Sie wünscht den Amerikanern im Irak Erfolg, ohne Schröders Ohne-uns –Politk im Geringsten korrigieren zu müssen.

(Gemeint ist „überhaupt“, gesagt ist durch die Großschreibung „in den kleinsten Einzelheiten“.)

Mehrfach haben die deutschen Fluglotsen … den deutschen Luftverkehr mit Arbeitskämpfen lahm gelegt. (1996-2006 „richtig“, jetzt wieder falsch)

Dr. Stefan Deiters Vor 90 Jahren: Kein Gas für Koch und Kraftzwecke „Wir erwarten bestimmt, dass die Einwohner sich ausnahmslos der Gasverwendung für die erwähnten Zwecke enthaltenwerden.“
(Das Faksimile zeigt: „daß“; frühere Darstellungen noch älterer Schriftstücke ließen alle „th“ und „c“ und konvertierten nur die „ß“ – die systembedingte Geschichtsfälschung )

Glosse von Kai U. Jürgens: Am Ende der Leitung … Das hat eine Zeitlang geklappt [seit 2006 wieder „zulässig“] …Nun, fürs erste [neu „falsch“] reicht wohl ein Eintrag in die Robinsonliste …, um sich weitgehend aus der Werbeflut zurückzuziehen… Der Schauspieler Manfred Krug soll daher seinen Telefonanschluß [streng verboten, das ist die „Reform“] abgeschafft und dazu gemeint haben: „Wer was will, soll schreiben.“

Eine Hand voll Hartgesottener surft auf dem See hinter dem Deich … (In den KN selten)

Trennungen:
Webs-tühle, budd-histische Texte

„… andere Arbeitsweisen und Produkte kennen lernen.“ Manche Betriebe hätten Austasuchprogramme eingerichtet, um sich das zu Nutze zu machen.

Dreikönigsbild des Meisters von Meßkirch (um 1538)
Bei „unangepassten“ Eigennamen erzeugt die Heyse-Schreibung Unsicherheit über die Aussprache und den Bürokrateneifer, daß zu ändern.

Nicht mehr zulässige oder falsche Schreibungen sind häufig:
aufeinander gestapelte Särge
Oberfläche aus fest gestoßenem Erdreich



Alte Herren rasten nicht

Über eine Fußball-Altherren-Hallenrunde.
Rasen oder Rasten, das ist hier die Frage. Hier wäre eine Präzision der Vokallänge sinnvoll gewesen, wurde aber unterlassen. Dafür sind die meisten neuen ss-Fälle unnütz.

Doch nachdem der 50-jährige Wesley Autrey dies Woche beherzt vor eine U-Bahn sprang, um einem Anderen das Leben zu retten, machte New York ihn zu seinem Helden.

Die rückwärtsgerichtete Großschreibung macht aus einem „anderen“ einen „Alien“.


KN. v. 08.01.2007

Erste PC-Festplatte mit 1000 Gigabyte Der japanische Hitachi-Konzern will im ersten Quartal nach eigenen Angaben als Erster ein Laufwerk mit diesem Volumen in den Handel bringen.
Den Fragwürdigkeit der Großschreibung bei Aufzählungen erkennt man durch die Präzisierung „in seiner Eigenschaft“, z.B.:
„Er war (in seiner Eigenschaft) als Erster an der Unfallstelle und (in seiner Eigenschaft) als Arzt leistete er Erste Hilfe.“

„Viva la Mamma!“ … reizt auch heute noch aufs Schönste die Lachmuskeln der Theaterbesucher.

Die „Sunday Times“ hatte berichtet, die israelische Luftwaffe bereite sich mit so genannten Bunker brechenden Waffen auf einen Nuklearangriff vor, bei dem dann unterirdisch Atombomben gezündet werden könnten … dpa

Anne Gramm schreibt: die so genannte Mittelschicht … Und wenn man dann noch offen lässt, wie diese Entlastung aussehen könnte, darf sich jeder, der sich dieser Klientel zugehörig fühlt, verstanden und ernst genommen wähnen.

… das Ermyias M. zu Boden ging und reglos liegen blieb…. epd


Ski-As Tobias Angerer wird in der Überschrift zitiert:
„Im Steilen schöne Dinge vorgestellt“

Jetzt kann ich mir endlich etwas unter „Altersteilzeit“ vorstellen.

Nicht Kriegsgräuel und Rassenwahn stehen im Zentrum von Peter Reichels „Der schöne Schein des Dritten Reiches“ …
Ich kann mir nicht helfen, aber die „Gräuel“-Schreibung wirkt irgendwie lächerlich und unseriös.

Noch lächerlicher aber ist das Neu-Denglisch, das sogar der Schreiber in Anführungszeichen setzte, um sich zu distanzieren

Statt zu fusionieren soll Dithmarschen zusammen mit Nachbarkreisen ein „Backoffice“ gründen, wo man gemeinsam administrative Aufgaben erledigen lässt …

Anscheinend ist kein Bäckerladen gemeint.
Die Neuschreibung „Topten“ wie die „Kopten“ ist aber wieder in der Versenkung verschwunden:

Eitel ist er, das bekennt Biolek (72) gerne und auch sensibel – bei den Top Ten der schlimmsten Verrisse zieht er sich Kopfhörer über… Für einen Moment ist der Abend entschleunigt, dann aber geht es munter weiter mit Intimschmuck, Walzer tanzenden Brüsten und einem Wiegenlied der zwölfjährigen Anke Engelke.

Zumindest ist die Parallelität von Intimschmuck und Walzer überraschend.

Und immer wieder die Freuden der neuen „sss“:

Auch im närrischen Treiben gibt es eine Kleiderordnung … Das königliche Gewand aus Samt, Seide und Strasssteinen ist mindestens so teuer wie eine dreiwöchige Urlaubsreise.

Walter Laqueur, 85 Jahre alte, in Breslau geboren und in London und Washington lebend …

„Mein Europa, das Europa, das ich kenne, ist im Verschwinden begriffen.“


Dazu hat die „Rechtschreibreform“ in Mitteleuropa ihren Teil beigetragen.

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Sigmar Salzburg

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Norbert Lindenthal
07.01.2007 15.53
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Re: Kieler Nachrichten v. 05.01.07 [Der Name der Rose]

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Sigmar Salzburg
… des Falles „der Rose“ müßte hier in den Tiefen des Archivs noch zu finden sein.

Der Name der Rose (in den Tiefen des Archivs, 8mal).
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Norbert Lindenthal

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Sigmar Salzburg
07.01.2007 14.25
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Kieler Nachrichten v. 05.01.07

Nach flüchtiger Durchsicht:

Ex-ABBA-Miglied Die Finanzbehörden streiten mit Ulvaeus, wie viel Steuern er zahlen soll …

„wieviel“ bleibt in der reformierten Reformschreibung verboten, obwohl auch die Zeitungsschreiber dies weithin nicht beachten. Die Einebnung der Differenzierung von „wieviel“ und „wie viel“ geht gegen die Intuition und erschwert manchmal auch das Verständnis, etwa bei dem folgenden aktuellen Satz:

„Die Attentäter überlegten, wie viel Polonium in den Körper zu bringen sei.“

Der alte Duden hatte nur „wieviele“ nicht zugelassen, obwohl es schon immer anolog zu „wieviel“ gebraucht wurde.

Heuschrecken fallen in Mexiko ein
… Felder und Bäume kahl gefressen.


„kahlfressen“ war die übliche Schreibweise, die dann zehn Jahre lang verboten sein sollte. Im letzten Frühjahr wurde sie wieder zugelassen, wird jedoch vom Duden nicht empfohlen. Über die Gründe dieser Unterminierung der Arbeitsergebnisse des Rechtschreibrates kann man nur spekulieren.

Und SPD-Landeschef Claus Möller appelierte mit wohl gesetzten Worten an mögliche Bewerber für seine Nachfolge, bald aus der Deckung zu kommen.

Hier ist der Duden über seinen Schatten gesprungen und hat die Zusammenschreibung empfohlen.

Im nächsten hauseigenen Artikel bewirkt der Großschreibfimmel der Reform alt und neu falsche Großschreibungen:

Invasion der Rippenquallen
Das Schwarze Meer bot dieser Quallenart zwar deutlich höhere Temperaturen, doch bislang scheint sie auch mit den Temperaturen der Ostsee gut zu Recht zu kommen. … Noch sei nicht eindeutig geklärt, ob die Rippenqualle tatsächlich Schuld am Rückgang der Fischebestände im Schwarzen Meer war …


Eco, der Fabulierer, wird 75

Das ist zugleich Anlaß, daran zu erinnern, daß vor zwei Jahren die Süddeutsche Zeitung/Bibliothek die Dreistigkeit hatte, Werke von Milan Kundera und Umberto Eco („Der Name der Rose“) ohne Absprache mit dem Lizenzgeber und dem Übersetzer in stümperhafter „neuer“ Rechtschreibung herauszugeben. Schon 1996 hatte ich in einem Leserbrief geschrieben: „Das Reformsammelsurium enthält Anschläge auf Sprache, Wortsinn, Ästhetik und gute Sitten,…“ und nicht nur das: Es ermuntert auch zum Verstoß gegen die guten Sitten, wie die Missionare und Mitläufer der neuen Rechtschreibung allenthalben beweisen.

Die Untersuchung des Falles „der Rose“ müßte hier in den Tiefen des Archivs noch zu finden sein.



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Sigmar Salzburg
05.01.2007 11.15
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Kieler Nachrichten v. 30.12.2006

Frau steckte vier Tage im Aufzug fest …Die Frau wurde in ein Krankenhaus gebracht, ihr Zustand wird aber als nicht sehr Besorgnis erregend eingeschätzt. dpa

Journal: „Das war 2006“:
Im März kein Wort zur Teilrücknahme der Rechtschreibreform.

Horoskop: Das wird Ihnen nicht schwer fallen …. Setzen Sie dann Alles daran, Ihre Position zu halten…. Im Bereich Gesundheit gilt Ähnliches. … Das Gleiche gilt für Juni … dürfen sich dann nicht zuviel zumuten.

Schach … als er einen taktischen Coup übersah und auf die Verliererstrasse geriet.

Karo-Ass ... aber nicht Piek-König, warum wohl?

Auch andernorts wirken „Reformen“. Zum Beispiel hat man den rasanten Entwurf für das neue World Trade Center von Daniel Libeskind „reformiert“:

Ground Zero als Schauplatz der Mittelmäßigkeit … Der eher nichts sagende gläserne Büroturm mit 52 Stockwerken und 158 000 Quadratmetern Bürofläche ersetzt die frühere „World Trade Center Nummer 7“.

Köhler: Bei Reformen nicht nachlassen
Hamburg – Bundespräsident Horst Köhler hat die Bundesregierung davor gewarnt, in ihren Reformbemühungen nachzulassen. „Die notwendige grundlegende Erneuerung Deutschlands haben wir noch nicht geschafft“, sagte Köhler dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Da stehen wir erst am Anfang.“ Zwar habe sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft deutlich verbessert, betonte Köhler…


Ein Erfolg schon der „Rechtschreibreform“?

Piercing und Tattoo können zum Ausbildungs- und Jobhindernis werden. …“Auf der letzten Weihnachtsfeier war mein Körperschmuck sogar Gesprächsthema Nummer Eins – im positiven Sinne.“

Piercing – sonst von gleicher Nützlichkeit wie der Neuschrieb – wird wenigstens in den Schulen noch nicht amtlich gefördert. Dagegen „reformieren“ Modernschwätzer unser Deutsch auch mit Sprachpiercings:

Stimme und Stimmung
Konzert mit Party: Shift 3000 im Nachtcafe
Super Bandname; leider entwickelt der Output dahinter nicht ganz so viel Wirkungskraft, … Fair beklatscht gehen sie nach einer Stunde gehen sie von der Bühne.
Viel mehr wert als einen Seitenblick ist der zweite Live-Act des Abends. Die Golden Tulips aus Kiel fangen mit einem lässig-schweren Dub an und der MC und Spoken Word-Künstler Flomenga zeigt sich der Sache mit rauer Stimme und sicherem Tuning gewachsen. So kann es weiter gehen, tut es aber nicht. Denn mit dem zweiten Song legen die Musiker den Hebel um: Shift 3000 sozusagen. Mit garagenschepprigem und dabei sehr tightem Funk geht es ab jetzt in die Nacht, die zusehends an Fahrt aufnimmt…. Große Stimme, große Stimmung, sicher von der Bremer Straight Ass Broken DJ-Crew aufgenommen und elegant dem noch lange auf sich warten lassenden Ende zugeführt. Die Shift-Reihe wird immer besser...


Und im nächsten Artikel ist es auch nicht besser:

Ian Cussik rockte im KulturForum
Der Mann mit den Achtziger-Hits kriegt noch immer jede Höhe und spielt dazu einen genial grobgroovenden Bass.


Kaum ein Schüler in den mittleren Klassen kann alles verstehen, geschweige denn sicher schreiben. Als „Erleichterung“ propagieren die Reformisten nun den Fortfall des „h“ in „rauh“ und die Hinzufügung eines „s“ an „As“ – die Nichtsnutzigkeit der „Reform“.

Auch andere Bürger ärgern sich, aber offensichtlich ohne Wirkung:

Begriffe, über die sich unsere Leser ärgern

… Man nehme ein wenig Weltstadtgefühl, ein wenig Fernweh und die Rudimente des eigenen Englisch-Vokabelschatzes – fertig ist die Mixtur, aus der die verbalen Stolpersteine sind. Nun, über "KIEL.SAILING CITY" haben sich viele Anrufer ausgelassen, ebenso über die gar nicht blühende Schöpfung einer "Entente Florale". Aber das ist nicht alles, sagen aufgeweckte Kieler und zählen eine lange Liste auf: Als reinen Appetitverderber nennt Gabriele Ibelshäuser etwa den "Coffee to go"; nein, nicht der Kaffee, der uns zum Rennen bringt oder der sich selbst in Bewegung setzt, gemeint ist jenes überwiegend in Pappbecher gefüllte Getränk, das wir nun bequem im Gehen schlürfen dürfen. Oder es einfach mitnehmen. So eine Art Selbstbedienung, aber bitte kein "self service".

Überraschend auch, wo wir inzwischen als gute Kunden umworben werden: In "Studios" statt Geschäften, in "Shops" oder in der "Back-Factory". Allein der "Ostseepark" verspricht Träume von satten Wiesen und leichten Brisen, klagt Uwe Zabel, der ernüchternd dann doch nur ein Raisdorfer Gewerbegebiet erblickt. Doch wer Glück hat, darf den "sale" nutzen, der zuvor mit "Flyern" groß beworben wurde. …

Überhaupt die Menschenwürde. Die kann durch schlichte Begriffe in Frage gestellt werden. "Hartz-IV-Empfänger" ist für Silvia Krantz dazu geeignet. Es klassifiziert, demütigt und entwürdigt und verschleiert den Sachverhalt, dass Menschen ein Recht auf Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe haben.


Ein politisches Kabarett spießte als entwürdigend noch die Tatsache auf, daß das Arbeitslosengeld nun auch den Namen eines prominenten Wirtschaftsmanagers trägt, der Puffbesuche in Südamerika ermöglichte. „Die größte Sozialreform in der Geschichte Deutschlands trägt den Namen eines Kriminellen. Und da behauptet man, wir Deutschen hätten keinen Humor.“ Richard Rogler im „Scheibenwischer“.


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Sigmar Salzburg
03.01.2007 09.53
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Kieler Nachrichten v. 2.1.2007

KOMMENTARE
Große Koalition 2007 Von Klaus Kramer

Es fehlt an Vertrauen

In einer bewegenden Rede hat Angela Merkel den Deutschen die Leviten gelesen: „Es fehlt an der wichtigsten Voraussetzung für eine Gesundung des Landes: Es fehlt an Vertrauen. Es fehlt an Vertrauen in die politische Führung, an Vertrauen in die ökonomische und soziale Kraft unseres Landes, an Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Chancen und Möglichkeiten.“

Nein, das sagte die Kanzlerin nicht in ihrer Neujahrsansprache, sondern gut drei Jahre zuvor, am 13. Jahrestag der Deutschen Einheit in Berlin. Damals war Merkel die Oppositionsführerin. Das Vertrauen in die politische Führung ist seitdem nicht gewachsen, sondern eher geschwunden. Die Bundesregierung hat dazu reichlich beigetragen. Sie hat Steuern erhöht, Leistungen gekürzt und Vergünstigungen gestrichen. Sie hat eine Gesundheitsreform beschlossen, die niemand braucht


Dasselbe trifft auch auf die „Rechtschreibreform“ zu. Nur davon wird in den KN nicht mehr gesprochen. Man fügt sich ja in das angeblich Unausweichliche und fällt so den Mutigen, wie FAZ und Springer, in den Rücken.

Weil die Bilanz nach gut einem Jahr großer Koalition so mager ausfällt und weil die Kanzlerin davon ablenken will, fordert sie mehr Anstrengungen von den Bürgern im neuen Jahr und setzt im Übrigen auf den wirtschaftlichen Aufschwung. Vertrauen erweckend klingt auch das nicht unbedingt….

Hier kann Klaus Kramer noch einmal demonstrieren, daß er die Demontage des im Duden wieder empfohlenen Wortes „vertrauenerweckend“ eigentlich ganz gut findet.

Ein ähnlich starkes Interesse daran, dass Merkel nicht zu groß wird, haben übrigens die schwarzen Ministerpräsidenten. Auch sie tun viel dafür, dass die große Koalition klein geredet wird.

Im Letzt-Duden steht nun in dieser Bedeutung variantenlos „kleinreden“.

Die lächerliche und meist falsche Spaltschreibung ist auch sonst häufig zu finden:

Um die Bio-Quote zu erfüllen, verwenden sie ein weiter veredeltes Produkt namens ET.BE (Ethyltertiärbutylether) das gemessen am Energiegehelt ungefähr drei Mal so teuer ist wie Sprit aus Mineralöl.

… und dann war ich einen Tag und eine Nacht im Wasser, bevor mich ein Fischerboot heraus zog …

Während der Duden „vertrauenerweckend“ empfiehlt, protegiert er völlig willkürlich „Not leidend“, obwohl „notleidend“ schon in der deutschen Klassik üblich war (Adelung). Von 1996 bis 2004 sollte es aus dem deutschen Wortschatz getilgt werden. Die Zeitungen, die dem Duden-Empfehlungsschreiben folgen, sollten wissen, daß die verbale Auffassung anstelle der adjektivischen Wortbildung nicht immer guter Stil ist:

Die St. Nikolaus-Gemeinde weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei den Sternsingern nicht um Rummelpott-Läufer handelt und dass die erbetene Spende für Not leidende Kinder in der Dritten Welt bestimmt ist.

* * *

Oberster Richter: Rauchverbot muss nicht einheitlich sein

Berlin
– Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier hat die Forderung nach einem bundesweit einheitlichen Rauchverbot kritisiert. . . .


Hier meldet sich Papier zu Wort. Als er aber gerade seinem Parteifreund, dem bayrischen Kultusminister Zehetmair, die gesetzlose Einführung der „Rechtschreibreform“ ermöglicht hatte, und die „Volksvertreter“ in Schleswig-Holstein unter dem Vorwand der Einheitlichkeit den Volksentscheid annullierten, hat er sich in Schweigen gehüllt. Noch nicht einmal eine Verfassungsbeschwerde wollte das Gericht entgegennehmen, obwohl es zuständig gewesen wäre, weil das nördlichste Bundesland kein eigenes Verfassungsgericht hat.

Einer aber weiß, wie man Verfassungsgerichte umgeht:

Wolfgang Schäuble hat seinerzeit viel dazu beigetragen, die traditionelle Rechtschreibung abzuschießen. Jetzt will er sogar harmlose Bürger selbst abschießen lassen, wenn sich Terroristen ihrer bemächtigt haben:

Verteidigungsfall erhält „Quasi“-Variante
Berlin – Im Grundgesetz soll es künftig neben dem Verteidigungsfall einen „Quasi-Verteidigungsfall“ geben. Die Entführung eines Flugzeugs durch Terroristen solle einen solchen „Quasi-Verteidigungsfall“ darstellen, der nach den Vorstellungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Abschuss des Flugzeugs durch die Bundeswehr berechtige, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ heute. Damit solle das Luftsicherheitsgesetz verfassungsgemäß gemacht werden. dpa


Besser: Damit soll die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes umgangen werden.

Dagegen wird eine Verfassungsänderung, die angeblich nötig ist, um bundesweite Volksabstimmungen zu ermöglichen, von der CDU hartnäckig verhindert. Als erstes hätte nämlich das Volk die „Rechtschreibreform“ abgeschossen.

Jetzt gibt es kaum noch „missstandsfreie“ Periodika. Hätte mir das jemand vor zwanzig Jahren prophezeit, ich hätte ihn für verrückt erklärt:

Bulgarien: Geradezu Missstimmung herrschte allerdings in der „Atomhauptstadt“ Kosloduj an der Donau. Im dortigen Kraftwerk mussten zwei umgerüstete Reaktoren wegen Sicherheitsbedenken der EU geschlossen werden.

Eins der lächerlichsten Kapitel der Bürokratenschreibe ist die ä-Reform. Es gibt dabei jedoch weiße Flecken:

Die orangeroten Blüten des Nelkenwurzes eignen sich zum Kombinieren – hier mit Gemswurz.

Dieser Name ist im Duden nicht verzeichnet. Als Eigenname sollte er von der „Reform“ unberührt bleiben. Die Blockwarte der Neuschreibmafia werden dennoch nicht ruhen, bis sie auch dieses Wort „richtig gestellt“ haben. Das gleiche gilt für das Orgelregister „Gemshorn“, das wohl nie ein „Gämshorn“ war.

Die reformierte Trennschreibe, die aus „wohl“ (gut) die Bedeutung „vermutlich“ macht, wird vom Duden nicht mehr empfohlen, treibt dennoch weiterhin ihr Unwesen:

Für die Unabhängigkeit liebenden Friesen – sie sind in Deutschland offiziell anerkannte nationale Minderheit – ist Boßeln eine Freizeitbeschäftigung mit durchaus ernstem historischen Hintergrund. Für sie war es früher eine Art militärisches Training für die Dorfverteidigung. Sie besaßen keine Waffen und konnten sich daher gegen Seeräuber und andere Eindringlinge nur mit Steinen und wohl gezielten Lehmkugeln wehren.

Man fragt sich, wie diese „Reform“ als organisierte Unfugsleistung der Kultusminister möglich war. Eine Vorstellung könnte der neue Fortsetzungsroman in den KN (leider in Neuschreibung) vermitteln. Es soll zwar nicht um die „Rechtschreibreform“ gehen, sondern um unser tägliches Trinkwasser, aber es scheinen hierbei ganz ähnliche Mechanismen, Mächte und Interessen im Spiel zu sein:

„Es geschieht vor unseren Augen“
IM GESPRÄCH
Mit Wolfgang Schorlau, dem Autor unseres neuen Romans, sprach Ruth Bender
Kiel – Georg Dengler ist Privatdetektiv mit BKA-Vergangenheit. Und meistens lässt ihn sein Erfinder, der Stuttgarter Autor Wolfgang Schorlau, hart an der Realität ermitteln. In seinem dritten Fall „Fremde Wasser“ beschäftigt Dengler die weltweite Privatisierung städtischer Wasserversorgung. Von Münster bis Kiel und von London bis Bolivien. Im Gespräch gab der Autor unseres neuen, ab heute laufenden Fortsetzungsromans Auskunft über seinen Helden und den Stoff aus denen seine Fälle gewebt sind.

„Fremde Wasser“, das klingt sehr poetisch. Ihr Krimi ist aber in der knallharten Realität von Lobbyismus, Gewinnsucht und Korruption angesiedelt…

Manchmal übertrifft die Realität die Phantasie. Und manchmal sind die kriminellen Tatbestände in der Wirklichkeit so interessant, dass ich mir sie gar nicht ausdenken könnte. Außerdem schreibe ich lieber über Themen, die auch in der Lebenswelt spielen, in der der Leser verankert ist.

Das zeichnet den Kriminalroman ja auch allgemein aus. Aber Ihre Themen sind ein bisschen größer als der schlichte Alltag. War der Polit-Krimi eine Lücke, die zu füllen notwendig war?

Es liegt den Dengler-Romanen keine Marktanalyse zugrunde. Ich bin einfach groß geworden mit den schwedischen Kriminalromanen und ihrem sozialkritischen Ansatz. Aber ich habe auch sehr gern die Paretsky-Romane aus Chicago gelesen. Und überall spielt das Politische im Kriminalroman eine größere Rolle, das gilt für Amerika genauso wie für Schweden oder Frankreich. Nur wir Deutschen lassen das gern wie einen schmutzigen So-cken weg. Ich nicht.

Wie finden Sie denn Ihre Themen?

Das passiert ganz zufällig. Über Zeitungsmeldungen zum Beispiel. Den Anstoß für „Fremde Wasser“ aber gaben zwei Frauen, die vor dem Literaturhaus in Stuttgart Unterschriften sammelten gegen den Verkauf der Stuttgarter Wasserwerke. Das schien mir so abstrus, dass ein so existenzielles Gut wie Wasser verkauft wird. Also habe ich recherchiert und festgestellt: Da passiert Ungeheuerliches. Das ist so, wie ich es in meinem Nachwort geschrieben habe: Es geschieht öffentlich vor unser aller Augen, aber trotzdem nahezu unbemerkt.

Kiel spielt in diesem Zusammenhang eine kleine, aber nicht unbedeutende Rolle. Hier wurden die Stadtwerke 1999 teilprivatisiert, und Sie zitieren aus den Sitzungsprotokollen unter anderen namentlich OB Norbert Gansel.

Was ich unter dem Titel „Kieler Wasser“ beschreibe, war einfach symptomatisch. Ich bin über die NDR-Dokumentation „Wasser unterm Hammer“ darauf gekommen. Man kann an den Sitzungsprotokollen gut sehen, wie so etwas funktioniert: Die Stadtväter wurden kirre gemacht, mit einer Flut von Gutachten. Dann haben alle Fraktionen unisono zugestimmt, und danach stellte sich raus, dass sie keinesfalls Herren der Lage waren...

.
– geändert durch Sigmar Salzburg am 03.01.2007, 18.31 –
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30.12.2006 12.09
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Kieler Nachrichten v. 28.12.06 u.a.

Saddam Hussein stirbt im Morgengrauen am Galgen
Bagdad
(dpa) – Iraks Ex-Diktator Saddam Hussein ist wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hingerichtet worden. Wie irakische Fernsehsender unter Berufung auf das Außenministerium in Bagdad berichteten, wurde der 69-Jährige im Morgengrauen gehängt.
(KN-online dpa/online vom 30.12.06)

Die Hinrichtung Saddam Husseins stößt weltweit auf Ablehnung. Allein US-Präsident George W. Bush begrüßte den Tod des irakischen Ex-Diktators. (Focus Online 30.12.06)

Psalm 58
Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache sieht, und wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut …



Nahende Hinrichtung Saddams umstritten
Bagdad
– Die nahende Hinrichtung des ehemaligen irakischen Gewaltherrschers Saddam Hussein bleibt umstritten. Einen Tag nach der Bestätigung des Urteils gegen Saddam und zwei seiner Gefolgsleute bekräftigten gestern die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens ihre Ablehnung der Todesstrafe. DieUSA hatten dagegen die Bestätigung des Todesurteils als „Meilenstein“ bezeichnet…. dpa (KN v.28.12.06)

Bush bezeichnete die Hinrichtung als „wichtigen Meilenstein“ auf dem Weg des Golfstaats zu einer tragfähigen Demokratie. (Focus Online 30.12.06)

Saddam hatte laut KN v. 15.10.2002 hatte über sein Schicksal als Regierungschef abstimmen lassen.
Ein arabischer Stimmzettel war abgebildet. „Die Frage: Stimmen Sie für Saddam Hussein...?“ Darunter zwei Ankreuzfelder mit der deutlichen Beschriftung „na’am“ (ja) und „la“ (nein), die eine klare Entscheidung ermöglichen.

Das Regime Saddam Husseins zeigte hier ein mustergültiges demokratisches Vorgehen, ganz anders als die Landesregierung von Schleswig-Holstein mit ihrem Stimmzettel für die Volksabstimmung zur Rechtschreibreform vom 27.September 1998 (abgedruckt in den KN v. 18.9.98), der das Wählervolk durch die Aufspaltung in drei Gruppen entmachten sollte. Das gelang dann erst ein Jahr später durch das Parteienkomplott im Kieler Landtag.

Den Erfolg von Jahren der Trickserei nicht nur im Norden sieht man wieder in einer Meldung auf der Titelseite der KN v. 28.12.06

Kluft zwischen Politik und Bürgern wird immer größer

Berlin – Die Kluft zwischen Politik und Bevölkerung war in Deutschland noch nie so groß wie Ende dieses Jahres. Laut Forsa-Umfrage glauben 12 Prozent der Bundesbürger, dass die Politiker „auf die Interessen des Volkes keine Rücksicht“ nehmen. In Ostdeutschland beträgt dieser Anteil sogar 90 Prozent. Nur 18 Prozent seien bundesweit der Meinung, dass „das Volk etwas zu sagen hat“, heißt es. Mit dem politischen System, wie es im Grundgesetz festgelegt ist, sind der Umfrage zufolge 36 Prozent der Deutschen unzufrieden, mit dem tatsächlichen Funktionieren des Systems 61 Prozent. In Ostdeutschland ist sogar eine Mehrheit von 51 Prozent mit dem politischen System unzufrieden, 79 Prozent mit dessen Funktionieren. Eine überwältigende Mehrheit von 80 Prozent der Deutschen tritt daher für die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden auch in der Bundespolitik ein. Die Forderung nach direkter Demokratie wird von den Anhängern aller Parteien mit großer Mehrheit geteilt. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) warnte vor „Demokratie-Resignation“ in den neuen Ländern. Viele Menschen im Osten seien von den demokratischen Entscheidungsstrukturen des Parlamentarismus enttäuscht. dpa


Während unser Bundespräsident nicht genug von Reformen kriegen kann, sehen andere Politiker das anders:

Beck: Bürgern nicht zu viel zumuten
SPD-Chef sieht bei Reformen die Grenze erreicht


Chefkommentator Klaus Kramer meint dazu:
Da hat Beck zweifellos Recht.

Diese Verbeugung vor dem Neuschrieb ist nicht mehr zwingend. Immerhin meidet Kramer inzwischen extreme Groteskschreibungen der „Reform“, derer er sich früher gerne demonstrativ bedient hat.

Das undemokratische Regierungsgehabe hat radikalen Parteien in Schleswig-Holstein keinen Zulauf gebracht. Dennoch werden sie wieder als Buhmann aufgebaut, um das eigene Fehlverhalten bei den Reformen abzusichern:

Carstensen warnt vor rechtsradikalen Nutznießern der Kreisreform
Kiel (dpa/lno) – Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sieht die Gefahr, dass sich rechtsradikale Gruppierungen „manche irrationale Debatte“ im Streit um die Kreisgebietsreform zu Nutze machen. Dem „Flensburger Tageblatt“ (Sonnabend-Ausgabe) sagte er: „Die Diskussion um Verwaltungsregionen ist vergeigt worden.“
( KN dpa/regioline vom 29.12.06)

Zur geplanten Lehrer-„Einstellungsreform“ gibt es einen Leserbrief:

Wer hat diese Lehrer eingestellt?
Zum selben Thema
Da stellt unsere Kultusministerin fest, dass viele Lehrerinnen und Lehrer ausgebrannt sind und resigniert haben. An den Arbeitsbedingungen kann das natürlich nicht liegen, denn die sind bekanntlich an den Schulen optimal.
Folglich liegt es daran, dass einfach die falschen Leute Lehrer werden. Fragt sich nur, wer die vielen Luschen eingestellt und ausgebildet hat?
Aber das bekommen wir auch noch raus.
Norbert Holst
Kiel


Am nötigsten scheinen fachliche Einstellungstests für KultusministerInnen zu sein, die bisher nur die politischen Trickkisten beherrschen. 2004 war die „Rechtschreibreform“ am Ende. Daher wurde der „Rat“ für Rechtschreibung eingesetzt und köderte die abtrünnigen Zeitungsverlage mit der Wiederherstellung von Wörtern wie „selbsternannt“ und „übelriechend“. Dann erschien der Übertölpelungs-Duden 2006 – und was ist nun wieder die empfohlene Schreibung?:

Deutschlands bekannteste Köchin: Sarah Wiener
Bei Kerner ist sie selten um eine Einschätzung verlegen. Nachdem der Gastgeber mit einer übel riechenden Fischsoße durchs Publikum gezogen ist ….


Michael Jackson (48) selbst ernannter „King of Pop“, will noch einmal neu anfangen …. (KN v. 28.12.06)

Und das rheinland-pfälzische Justizministerium verfügt:
Es ist beabsichtigt, grundsätzlich auf die von der Dudenredaktion bevorzugte Schreibvariante zurückzugreifen, weil sie – anders als das vom Bundesministerium der Justiz bevorzugte Festhalten an der „hergebrachten“ Schreibweise, soweit sie zulässig bleibt – am ehesten die Weiterentwicklung der deutschen Sprache ermöglicht und gleichzeitig in hohem Maße Gewähr bietet, dass der Rechtsanwender (gegebenenfalls mit Hilfe des Duden) dieselbe Schreibweise verwenden würde. Außerdem wird die vom Duden vorgeschlagene Schreibweise oftmals auch die „hergebrachte“ sein. (Zitiert n. Ickler in http://www.sprachforschung.org/)
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29.12.2006 08.07
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Kieler Nachrichten v. 28.11.06

Das KN-online-Forum wurde stillgelegt.

http://www.nordclick.de/forum/viewforum.php?f=5&sid=433bcca904704b0b4fe5337689a7a5cd

Die Beiträge sind aber zur Zeit noch lesbar, auch das umfangreiche Rechtschreibthema. Beim Thema „Neue Bibel“ jedoch hielt die Administration Zensur nachträglich für angemessen und löschte meinen Beitrag zusammen mit einem ergänzenden Link von Peter Lüber auf den Gesamtartikel in „livenet“. Da es sich bei dem Bibel-Projekt auch um eine Umformung der Sprache handelt, lasse ich hier meinen Beitrag v. 1.12.06 folgen:

1998 hatte ich einen Leserbrief zur feministischen Sprachregelung der Regierung geschrieben, der in einigen Zeitungen veröffentlicht wurde.

Regelmäßig weggelassen wurde jedoch der letzte Teil:

Wenn aber Gleichstellung, dann bitte konsequent und nicht so halbherzig wie in Niedersachsen: Dort wurde eine 150.000 DM teure staatliche CD-ROM-Produktion vernichtet, weil in einigen Berufsbildern die gleichgestellte Nennung von Zimmer-, See- oder Flachfrauen vergessen worden war. Kurz zuvor aber wurde versäumt, den nachgeschobenen Gottesbezug in der niedersächsischen Verfassung mit „Gott und/oder Göttin“ feministisch korrekt zu formulieren.

Die Wirklichkeit überholt aber oft genug die Satire.

In einem Interview der „taz“ vom 21.11.06 mußte sich jetzt die Bischöfin Wartenburg-Potter fragen lassen:

Frau Wartenberg-Potter, beten Sie zu Gott oder zur Göttin?

Bärbel Wartenberg-Potter:
Ich bete zu Gott. Gott hat viele Namen in der Bibel, etwa auch „Licht“ oder „Liebe“. Gemeint ist immer die Quelle des Lebens, die möglich macht, dass wir uns gerecht und lebendig auf dieser Erde bewegen. ….
Es gibt in der Bibel auch weibliche Gottesbilder: Barmherzigkeit etwa soll man sich so vorstellen, wie es dem Kind in der Gebärmutter geht. Es ist ganz umsorgt und geschützt. Deshalb kann man sich Gott ohne weiteres auch weiblich vorstellen.


Nun hat Frau Wartenberg-Potter die Frucht jahrelanger ideologisch motivierter Umarbeitung der Bibel vorgestellt (KN v. 28.11.06):
Zitat:
Neue Bibel entdeckt die Frauen wieder
Kiel
– Die Bibel sei kein Museum, sondern ein lebendiges Buch, erklärte die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg -Potter gestern Abend in Kiel bei der Präsentation der „Bibel in gerechter Sprache“. Eine Aufgabe dieser neuen Übersetzung sei es, die „unsichtbar gemachten Frauen“ wieder zu benennen. Außerdem weise die neue Fassung auf die jüdischen Wurzeln des neuen Testaments hin.
Wartenberg-Potter, die zum bundesweiten Beirat des Projektes gehörte, hielt den Festvortrag bei der vom Nordelbischen Frauenwerk gemeinsam mit dem Gottesdienst Institut Nordelbien, dem Nordelbischen Bibelzentrum, dem Nordelbischen Männerforum und der Gleichstellungs- und Genderbeauftragten der Nordelbischen Kirche veranstalteten Präsentation für Hamburg und Schleswig-Holstein.
Innerhalb von fünf Jahren haben 42 Theologinnen und zehn Theologen die 2400 Seiten starke Übersetzung erarbeitet. Unterstützt wurden sie nach Angaben des Nordelbischen Frauenwerks von mehr als 1200 Gemeinden, Institutionen, Kirchenleitungen und Einzelpersonen, die zusammen 400 000 Euro gespendet haben. Die Neufassung möchte dem griechischen und hebräischen Urtext der Bibel in „heute verstehbare und geschlechtergerechte Sprache“ gerecht werden. … ehr


(Wer weiß schon, was „Gender“ heißt! Das Englisch-Lexikon sagt schlicht „Geschlecht“ und gibt die Aussprache „dsch …“ an. Also übersetzen wir: „Gleichstellungs- und Geschlechtsbeauftragte der Nordelbischen Kirche“.)

Glaubensfernen Menschen könnte der Eiertanz der Ideologen und Ideologinnen nun eigentlich gleichgültig sein. Tatsächlich sind aber letzlich alle von diesem Angriff auf die historische Wahrheit und die Sprache betroffen.

Wer die rechte Vorstellung von „Gott“ zu haben meint, wird diese doch nicht vom grammatischen Geschlecht des Wortes abhängig machen! Die neue Umtriebigkeit ist im Grunde das Eingeständnis einer großen Glaubensschwäche.

In der neuen Bibel ist von Jesu „Jüngerinnen und Jüngern“ die Rede, obwohl sich unter den Zwölfen keine einzige Frau befand. Der Trick gelingt, weil jetzt die Frauen, die Jesum „Handreichung taten von ihrem Vermögen“, einfach dazugezählt werden.

Luthers richtige Übersetzung des griechischen „Kyrios“ als „Herr“ wird gemieden und stattdessen das hebräische „Adonai“ eingesetzt – was nichts anderes bedeutet. Dies wird dann mit Blick auf die nazi-reuigen Protestanten als „Stärkung der jüdischen Wurzeln“ verkauft.

Die FAZ bezeichnete die neue Übersetzung als „Gesinnungskult feministischer Randgruppen und Gleichmacher“.

Der Zürcher Theologieprofessors Ingolf U. Dalferth nannte die „Bibel in gerechter Sprache“ ist unbrauchbar:

Irrtümer seien in keiner Übersetzung auszuschliessen, schreibt Ingolf U. Dalferth, der an der Universität Zürich systematische Theologie, Symbolik und Religionsphilosophie lehrt, im Kulturteil der NZZ. „Aber wenn man sich durchgehend nicht mehr darauf verlassen kann, dass das, was man im Deutschen liest, im biblischen Originaltext steht, sollte man nicht mehr von Übersetzung reden.“ … Statt die alten Texte ernst zu nehmen, das heisst gegen heutige Vorverständnisse und Vorurteile stark zu machen, sei es den ÜbersetzerInnen darum gegangen, „den Impulsen der Befreiungstheologie, der feministischen Theologie und des jüdisch-christlichen Dialogs gerecht zu werden“. … Der geschlechtergerechte Antidiskriminierungswunsch sei der „Vater der Übersetzung“. Die sei jedoch „historisch irreführend und philologisch unzuverlässig.“ Der in Zürich lehrende deutsche Theologe lehnt Umdeutungen wie in Johannes 15 ab: „Ich bin der wahre Weinstock und Gott ist meine Gärtnerin“. Oder Johannes 1: „Am Anfang war die Weisheit“ – statt „Am Anfang war das Wort“. (Livenet / Kipa, 21.11.2006)

„kath.net“ berichtet:
Der Bremer Pastor Jens Motschmann befürchtet, „dass diese neue Bibelübersetzung ein weiterer markanter Schritt auf dem Weg der Selbstzerstörung der evangelischen Kirche ist“. Für den Gebrauch in der Gemeinde sei diese Bibel ungeeignet. „Denn sie dient einem anderen Gott als dem Vater Jesu Christi.“ Sie verleugne das urchristliche Bekenntnis, wie es der Jünger Thomas vor Jesus ausgesprochen habe „Mein Herr und Gott“ (Johannes 20,28), schreibt Motschmann auf der Internetseite der Sankt-Martini-Gemeinde.

Für Motschmann ist die „Bibel in gerechter Sprache“ die „Bibel der Feministinnen und Feministen“. So wird der Begriff „Herr“ unter anderem umschrieben mit „Adonaj“, „Gott“ oder „Die Ewige“. Zum Herausgeber-Kreis gehören der hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker (Darmstadt), die Lübecker „Bischöfin“ Bärbel Wartenberg-Potter und der Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags, Reinhard Höppner (Magdeburg).


Man beachte die kleine Spitze von kath.net, die Bischöfin in Anführungszeichen zu setzen.

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28.12.2006 08.47
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Kieler Nachrichten v. 27.12.06

In der Beilage „Theaterzeit“ oder wörtlich „theaterZEIT*“
– wohl in Verantwortung der Kieler Staatstheater verfaßt – gibt die Rolle einer Hand Rätsel auf.
Man denkt an zuerst an eine gelungene Operation, bei der einem Unfallopfer eine abgerissene Hand wieder angenäht wurde, die nun gut durchblutet ist und deren Heilung erfreuliche Fortschritte macht.

Premiere
Sa 27. Januar 19 Uhr Opernhaus
Eine Hand voll Leben!
Tanzstück von Silvana Schröder zu Musik von Goran Bregovic u.a.


Dann erwägt die Phantasie andere Möglichkeiten: Es könnte sich um die vergrabene Hand einer zerstückelten Leiche handeln, in der sich schon ein kräftiges Eigenleben entwickelt hat – sehr zur Freude der Gerichtsmediziner, die daran den Todeszeitpunkt des bedauerlichen Mordopfers ablesen können:

Fr 19. Januar 19 Uhr Ballettsaal Opernhaus
Öffentliche Probe: Ein Hand voll Leben!


Da der Fall tanzkünstlerisch dargestellt wird, ließe sich auch schlicht an eine besondere Rolle von Handbewegungen denken, wie man es vom indischen Tanz her kennt:

So 21. Janur 11 Uhr Foyer Opernhaus
Ballettcafé zu „Eine Hand voll Leben!“
Choreografin Silvana Schröder und Ausstatter Andreas Auerbach stellen die neue Premiere des Kieler Balletts vor: EINE HANDVOLL LEBEN! …


Das vorletzte (unbedacht?) geschriebene Wort gibt dem Ganzen schließlich eine unerwartete Wendung. Sollte vielleicht doch nur eine „Handvoll“ gemeint sein?

Eine Hand spielt auch in der nächsten Zeitungsstory eine Rolle:

Er überlebte von fünf Untergänge
… Auch die „Gustloff“-Katastrophe mit tausenden Toten hat der Seemann überlebt. Von Mia Hehn, dpa

Im Skagerak wird sein Schiff von einem britischen Torpedo getroffen und sinkt. 800 Mann kommen teils im Feuer, teils im Wasser um. Er wird unverletzt zusammen mit einer Hand voll Kameraden gerettet.


Mein Scanner hatte auch noch „von“ statt „voll“ gelesen.

2007 verlieren die Konsumenten 24 Milliarden Kaufkraft

Mindestens genausoviel materielle Werte – von den ideellen nicht zu reden – hat die „Rechtschreibreform“ vernichtet. Da hilft es wenig, wenn die jetzt nur getrennt zulässigen Wörtchen „soviel“ und „zuviel“ trotz allem ein zähes Eigenleben bewahren.

Dem FDP-Abgeordneten Koppelin wird z.B. Verbotenes in den Mund gelegt:
Gleichzeitig müssen wir zu einem Staat der Bescheidenheit werden, das heißt, wir geben noch immer zuviel Geld aus.


Gerade sehe ich, wie meine Dreizehnjährige, die sich aus Vergnügen eine Geschichte ausdenkt, in ihre Tastatur tippt: „Es tut mir Leid!“ Das arme Mädchen war eingeschult worden, als das dreiste Politikerpack den Volksentscheid gegen „Rechtschreibreform“ annullierte, um der Kultusministerin die Indoktrination der Schulkinder mit derlei Unfug zu ermöglichen. Offensichtlich unternimmt man in den Schulen immer noch keine Anstrengungen, um die dadurch entstandenen Schäden und Verwirrungen zu beseitigen.

Doch weiter in den Zeitungstexten:

Saddam soll gehenkt werden.

Nach der Logik der behänden Stängel-Reformer hätte es hier „gehänkt“ heißen müssen, denn das ist ja nur die Kausativform von „gehängt“. Daß Saddam nicht mit „Stränge“ „… zum Tode durch den Strang verurteilt“ wurde, ist noch ein Fall unterlassener „Reform“, der den Verdacht nährt, daß es den Reformern nicht um Systematik ging, sondern nur darum, an vereinzelten Pfosten das Beinchen zur Reviermarkierung zu heben.

Der Großschreibfimmel der „Reform“ hat den Kommentator im nächsten Satz irregeführt:

Die irakische Justiz ließ sich vom Druck von Außen nicht beeindrucken und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit.

Nun zur „Szene“ (oder „Scene“):

Groove ohne Ende
Der „Godfather of Soul“, James Brown, starb in Atlanta.
Seine harten, rhythmusbetonten Songs und sein mit rauer Stimme gekrächzter Gesang wurden von einer ganzen Generation von Rock- und Popmusikern aufgegriffen.


„Groovty“ Brown war letzlich doch kein „Looser“ (Roman am 13.12.06). (Eine Gruft-Mugge ist ein musikalischer Gelegenheitsauftrag anläßlich einer Beerdigung) Die zwei unhörbaren „h“ in „Rüttmuss“ mochte man nicht streichen, die hörbaren in der „rauhen“ Stimme schon – ein Markenzeichen der spießigen „Reform“. Es kehrt im nächsten Beispiel wieder, wie auch andere bekannte Errungenschaften dieser Wörterbastelei:

Monolith Minsters und The Meteors … Ur-Feuerkugel Fenech … Der greift … sägt, schrebbelt und kitzelt Schwindel erregend flinke Läufe und Soli heraus, während seine rau-markige Stimme durch anwesendes Mark und Bein fährt, wenn er überMonster, Friedhöfe und derlei Gedöns singt. Vor der Bühne ist die Hölle los, wird trotz mittlerweile akuten Sauerstoffmangels männlich-ruppige Tan-zattitüde gepflegt.

Die Zattitüden-Trennung steht nicht allein:


Barry Miles: Frank Zappa …. Eine Provokation mit jugendgefährdenden Texten. Un-dundund.

LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?

„Es war ein dunstiger Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, als wir Pavel zum Tode verurteilten. Horst thronte auf einem Baumstumpf, wir anderen hockten rings um ein Feuer, nur Günti fehlte. „ Wer will das Urteil vollstrecken?“ fragte Horst. Keiner meldete sich. „Wir können ja losen“, schlug Bubi Schweim vor. „Für einen von uns müßte es ein inneres Bedürfnis sein“, sagte Horst. „Seine Ehre ist besudelt durch die Fahnenflucht seines Vaters; er könnte sie reinwaschen, indem er diesen Untermenschen zur Strecke bringt. Ich erfasste den Sinn seiner Worte erst, als ich die Augen der anderen auf mich gerichtet sah.“

Die letzten Tage des zweiten Weltkriegs in einem kleinen Ort in der Probstei. Ein durchgeknallter HJ-Führer meint, das Vaterland, die Ehre.oder was auch immer durch den Mord an einem tschechischen Zwangsarbeiter retten zu müssen. Schießen soll freilich ein anderer. Zum Glück kommt es nicht so weit, der Ich-Erzähler weigert sich und muss dafür beinahe selbst sterben. Der Autor dieses eng an der Wirklichkeit entlang geschriebenen Romans war einmal der Intendant des Ohnsorg-Theaters. Mit seinem Schlüsselroman machte er sich in seinem Heimatort nicht nur Freunde. Er erzählt allerlei über das Verhalten der Erwachsenen in der Nazi-Zeit, die viele gerne vergessen würden. Von einer Reihe saftiger Details aus dem Leben der Dorfbewohner ganz zu schweigen.

Das müßte „Der wilde Sommer“ von Konrad Hansen sein. Das Textbeispiel läßt im unklaren, ob der Roman in der traditionellen Kulturschreibung gedruckt wurde. Es könnte sich bei den ss zuviel auch nur um Kontamination durch die Korrekturautomaten handeln. Dies ist leider auch bei anderen Werken unreformierter Autoren wie Walser und Kempowski zu beobachten. Neulich schlug ich im Buchladen Kempowskis „Alles umsonst“ willkürlich auf Seite 68 auf und wurde als erstes geschockt mit dem Satz: „Dann schloss sie ab und schob ihn wieder unter das Bett“. Die Umgebung sah dann aber ganz kultiviert aus.
– geändert durch Sigmar Salzburg am 28.12.2006, 13.16 –
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26.12.2006 12.14
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Die Kieler Nachrichten v. 23.12.06 stimmen auf Weinachten ein.

Das Titelblatt ist nochmals umhüllt von einer gleichen Seite, die nur die bebilderte Weihnachtsgeschichte im Großdruck wiedergibt, in der Übersetzung von Luther – aber mit dem Dass-Zwang.
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. … Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe.

Gewiß, Luther hat das einfache „das“ bevorzugt, doch bald folgte man auch hier der allgemeinen daß-Schreibtradition. Es ist ein Tiefpunkt der deutschen Schriftgeschichte, daß ausgerechnet die sich „christlich“ nennenden Parteien in unbegreiflicher Verblendung daran mitwirken, eine siebenhundert Jahre alte Schreibtradition auszulöschen.

Ganz gelingt das jedoch nicht, denn auch der Stadtrat Adolf-Martin Müller, der auf der nächsten Seite sein Lieblingsgedicht zitieren darf, verfällt wieder in die angeblich schwer erlernbare Schluß-ß-Schreibung:

Von drauß vom Walde komm ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Denn Äpfel Nuss und Mandelkern
essen alle Kinder gern…
Von drauß vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!


Doch weiter: Weihnachtliche Ochs und Esel, ein As oder bloß ein Arsch?

Im Bermuda-Dreieck zwischen Politik, Musik und einem Sich-in-Frage-Stellen geht Knarf Rellöm dabei keineswegs verloren, sondern findet auch noch zu einer eigenen Sprache. Wie im Intro, das auch die aktuelle CD Move your Ass & Your Mind will follow einleitet.

Das lateinisch-französische „As“ wurde der ss-Beferkelung („Ass“) unterworfen, das ganz ähnliche „Plus“ in freier Willkür jedoch nicht:

Mit einem Plus von 0,9 Prozent [Beitragserhöhung] bleiben wir im Mittel der Ortskrankenkassen“, erklärte der schleswig-holsteinische AOK-Vorstandschef Dieter Pfaffrath.

Hoch „Zeno“ beschert Deutschland zu Weihnachten Plusgrade

Ein großer ästhetischer Fortschritt war die Einführung des kleinen runden Schluß-s im späten Mittelalter anstelle des allgemein üblichen langen s.

Ästhetische Monster aus lauter Schluß-s wären damals undenkbar gewesen:

Erwin Geschonnek wird 100 … Die Verbrechen der Stalin-Zeit erschütterten ihn, und Missstände in der DDR, die er als solche erkannte, prangerte er zum Unwillen der SED-Oberen an.

… wenn Wohnungen neu errichtet oder aufwändig saniert wurden.
Radon-Belastung in Häusern … Über Messstellen informieren …


Unerwünschte Buchstaben weist auch die Unratsschreibung im Roman auf:

Unter dem Hut … waren ihre blonden Haare zu sehen, mit metallenen Klammern festgesteckt, denen jeder Zierrat fehlte.

Bekanntlich entspricht die Endung „-at“ an „Zier“ > „Zierat“ derjenigen in „Heim“ > „Heimat“, die Anbindung an „Haus-rat“ ist Genmanipulation.

Es ist das erste Mal in fünf Jahren, daß mir das Wort in einem normalen KN-Text untergekommen ist. Das zeigt, daß es den Manipulierern nicht um notwendige Erleichterungen ging, sondern darum, Zugriff auf die Rechtschreibung über wenig bewachte Stellen zu erlangen.

Nur der erste Akt in der Spitzel-Affäre?
… Unzufriedenheit. Genährt auch von Unerschro-ckenen wie Gabriele Pauli …


Mitunter wird offenbar, wie verschro-bene politische Entscheidungen innerhalb der Parteien zustande kommen. Die „Rechtschreibreform“ hätte keine Chance gehabt, hätten ihr nicht Machtintriganten wie Stoiber, Zehetmair und, nicht zu vergessen, Verfassungsrichter Papier aus anderen Gründen den Weg bereitet.

Nur wenn es sie selber trifft, reagieren die Herrschaften empfindlich. Der folgende Leserbrief von Dr. Kliegis, auch Vorsitzender des Elternvereins, kommentiert den Protest der CDU gegen den geplanten Rauswurf des CDU-Bildungsexperten Schlie aus dem Verband der Realschullehrer, weil er entgegen den Zusagen nun doch die Abschaffung der Realschulen betreibt – ein verbandsschädigendes Verhaltens.

Fremdbestimmtheit selbst erfahren
Zu: Schlie droht Rauswurf aus dem Verband Deutscher Realschullehrer
Herr Schlie erfährt hier am eigenen Leib, was es heißt, fremdbestimmt zu werden. Wenn der Ministerpräsident es undemokratisch nennt, dass der Realschullehrerverband ein Mitglied aus seinen Reihen entlässt, weil es die Beseitigung der Realschulen betreibt, möge er bitte in die andere Waagschale die bisherige Krönung seiner von Wortbruch und Wahlbetrug geprägten Regierungstätigkeit legen: die mutwillige Zerstörung der tragenden Grundsäulen unseres Schulsystems zugunsten einer nur auf Sozialromantik fußenden vagen Idee.
Gemeinsames Lernen aller Schüler funktioniert nicht. Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt haben es jahrelang versucht und erkannt, dass das Ziel nicht zu erreichen ist. Sie haben ihre gemeinsamen, schulartunabhängigen Orientierungsstufen wegen Erfolglosigkeit gerade wieder abgeschafft, Hessen zieht jetzt nach. Wir müssen diesen Fehler nicht auch noch wiederholen. Wenn die Wähler Herrn Schlie bei der nächsten Landtagswahl wieder ins Privatleben schicken, wird er vielleicht froh sein, wenn es seinen Arbeitsplatz in einer Realschule noch gibt.

Dr. Ulrich G. Kliegis
Heikendorf


Man kann annehmen, daß der Text ungefragt in die Neuschreibung konvertiert wurde. Dieser Verfall der guten Sitten begleitet die „Rechtschreibreform“ von Anfang an und wird bei Leserbriefen pedantisch gehandhabt. Nicht so bei Anzeigen oder auch Gedichteinsendungen:

Die Gattin wälzt die Schokolade
in einer Hasenußpanade …


In den Familienanzeigen taucht auch wieder häufiger das groß geschriebene „Du“ auf, nach dem die Kultusminister einen halben Rückzieher mit ihrer dummdreisten Klein-Duz-Vorschrift gemacht haben:

Du warst so neugierig, konntest es kaum mehr erwarten; wir werden Dich stützen bei all Deinen Taten … Willkommen im Leben! Louisa Dorothee 12 Dezember 2006 • 12.50 Uhr • 2600 g • 48 cm

Auch eine stillende Mutter sandte ein Gedicht ein:

Ich freu mich nun im Stillen
auf das vierte Kerzenlicht.


Die neue unmäßige Großschreibung sickert nun als triviales Unkulturgut ins Volk, wie diese Probe der Dichtkunst beweist:

Und bald am Baume Vieles bammelt.

Agenturmeldungen beachten natürlich beflissen die neuen hypertrophen Großschreibmanie:
[Morde von Ipswich] „Ich möchte jeden daran erinnern, dass bis auf Weiteres die Unschuldsvermutung gilt.“

Zur Duzerei gibt es noch eine auffällige Anzeige:

Wir suchen zur Verstärkung unserer Abteilung Medizin zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen
Scientific Project Manager (m/w)
Du* bist verantwortlich für sämtliche medizinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen eines bestimmten Produktbereichs. ….

*Unsere Unternehmensphilosophie fördert bewusst den Teamgeist und ein unkompliziertes Miteinander. Das „Du“ bringt dies zum Ausdruck und lädt Dich dazu ein, es uns schon bei der Bewerbung gleichzutun….


Offenbar hat man die (nach Meinung der Reformer zu „ehrerbietige“) Großschreibung des „Du“ ohne Rücksicht auf die „Reform“ beibehalten. Diese Duzerei, ein Nebenprodukt der 68er, ist aber eigentlich längst „out“ und ihre Protagonisten, die inzwischen zu Professoren aufgestiegen sind, lassen sich längst wieder siezen.

Eine zweite Anzeige bewegt sich auch auf dem verminten Gebiet der Correctness:

Das Mädchenhaus Kiel – Lotta e. V. sucht zum nächstmöglichen Termin
eine Sozialpädagogin (3/4) …
verantwortungsvolle und richtungweisende Tätigkeit in einem feministischen transkulturellen Frauen-Lesbenprojekt … Besonders freuen wir uns über Bewerbungen von Migrantinnen/women of color.


Die ursprünglich unschuldige „Negerin“ ist streng verboten, die „Farbige“ auf dem Wege, die „Afrikanerin“ ist nicht präzise genug. Also tarnt man sich mit einem amerikanischen Wort, von dem man nicht sicher sein kann, ob es nicht auch schon verbrannt ist.

Leser Karlheinz Szalys erweist sich als Opfer der „Reform“:

ein moderner, leichter und Licht durchfluteter Glaspavillon

Der übrige Kleinmist der „Reform“ ist lästig, aber nicht erwähnenswert.

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