Die FAZ anläßlich einer neuen Novelle von Siegfried Lenz
Zu Besuch bei Siegfried Lenz
So spricht die Liebe, wenn sie kommt
Von Volker Weidermann
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Ob es ihm leichtgefallen ist, das Buch zu schreiben? Siegfried Lenz sagt lange nichts. „Nein“, sagt er dann. „Nein, ganz und gar nicht. Ich hatte zwanzig, dreißig Seiten geschrieben, da starb meine Frau. Meine geliebte Frau.“ 56 Jahre waren sie verheiratet. Am 5. Februar 2006 ist sie gestorben. „Der Text blieb lange liegen. Der Versuch, zurückzukehren an die Arbeit, misslang, misslang immer wieder. Ich musste glauben, dass meine Einbildungskraft mir untreu geworden war, plötzlich“, sagt er und blickt nach oben.
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In der Novelle heißt es gegen Ende: „Vielleicht muß ja im Schweigen ruhen und bewahrt werden, was uns glücklich macht.“
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Deine Haut lächelt
In dem neuen Buch ist die Liebe so gegenwärtig wie lange nicht in einem Buch von Siegfried Lenz. Stella und Christian werden ein Liebespaar, die Lehrerin und ihr Schüler, ein verbotenes, ein heimliches Liebespaar. „Deine Haut lächelt, Christian“, sagt Stella. Sie liegen am Strand, zu zweit, „ich streifte ihren Badeanzug ab, und sie ließ es geschehen, sie half mir dabei, und wir liebten uns dort in der Mulde bei den Kiefern.“ Und weiter heißt es: „Wie erzählbereit sie war, als müßten wir nun etwas sagen, was noch nicht gesagt worden war.“ „Erzählbereit“ was für ein schönes Wort! „Lachbereit“ ist ein anderes, mit dem Stella in der Novelle umschrieben wird.
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Auf Steine ist Verlaß
[…] Am Anfang, als er sich zusammen mit seiner Frau vor fünfzig Jahren in Dänemark ein Häuschen kaufte, haben sie autark gelebt. Gemüse aus dem Garten, Fisch aus dem Meer. Mehr als genug. Was zu viel war, hat er getauscht. Christians Vater in der Novelle ist ein Steinfischer. „Steine bleiben an ihrem Platz, auf Steine ist Verlaß“, heißt es über seinen Beruf. Die Steine werden zum Bau von Molen und Wellenbrechern verwendet. Lenz schildert das so präzise, dass man sie nachbauen könnte: „Das steht Ihnen natürlich frei“, sagt er. Und erklärt: „Ich habe dreißig Sommer in der Nachbarschaft eines Hafens gelebt.“ „Dreißig Sommer lang“, so zählt Siegfried Lenz die Zeit.
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Siegfried Lenz: „Schweigeminute“. Hoffmann und Campe 2008. 128 S., 15,95 Euro
Text: F.A.S. 7.5.2008
F.A.S.
Der Text zeigt wieder die schizophrenen Folgen der „Rechtschreibreform”: Der Berichterstatter schreibt reformiert, zitiert aus Lenz’ Werken in klassischer Rechtschreibung (immerhin), sogar ungekennzeichnet als Überschrift, aber läßt ihn in Reformschreibung sprechen.
Nachtrag: Die WELT online meidet in ihrer Rezension wörtliche Zitate und fälscht nur bei der Erwähnung eines anderen kürzlichen Werkes:
»Gleichwohl erscheint „Schweigeminute“ nicht als historische Novelle über die 50-er oder 60-er Jahre, sondern als Erzählung, die außerhalb unserer Zeit abläuft. Schon die Abwrackwerft in „Arnes Nachlass“ und das Fundbüro, in dem ein Harry Neff seine Karriere verbummelt, waren solche zeitenthobenen Orte.«
WELT v. 12.5.2008
– geändert durch Sigmar Salzburg am 12.05.2008, 15.52 –
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