Neues in altbewährter Form von Günter Grass
Grimm und Grass
Von Michael Bengel, 17.08.10, 21:28h
Der Nobelpreisträger Günter Grass widmet sich nach „Beim Häuten der Zwiebel“ und „Die Box“ in seinem neuen Werk erneut seinem eigenen Leben und verknüpft es mit dem Geschick der Brüder Grimm und ihrem Wörterbuch.
... In neun Kapiteln, die zumindest dem Prinzip nach lexikalisch arrangiert sind, von „Asyl“ bis „Ziel“, verknüpft er die Erzählung der Entstehungsgeschichte unseres noch immer größten Buchs der Wörter mit der kritischen Betrachtung ihres Resultats. Verknüpft er weiter die Geschichte eines unfertigen Vorentwurfs von Deutschland mit dem Scheitern seiner Wiederherstellung, die „Göttinger Sieben“ von leichter Hand mit einem Göttinger Verleger, „die reformation unsrer orthographie“ von einst mit der Rechtschreibreform im Zeitalter ihrer bürokratischen Durchsetzbarkeit.
… Er sei, sagt Grass, wie jene Grimms „vernarrt“ in „Sinn und Widersinn der deutschen Sprache“, und führt es ein ums andre Mal begeistert vor.
Mit vollen Händen greift er nach dem füllhorngleichen Reichtum aus der Wörterwelt. …
Mit Nachdruck und vielen Belegen stellt Grass in oft geübter Weise seine Rolle in der Zeit heraus, die er mit seinem frühen Ruhm als wirksamem „Begrüßgustav“ gelebt hat: Den Streit mit Heinar Kipphardt um „Hetze, die zum Mord führen kann“, Jahre vor den ersten Toten der RAF. Oder wie es Grass, der Redenschreiber, war, der Willy Brandt gelehrt hat, „Ich“ zu sagen.
Dass er selber damit kein Problem hat, ist von Grass bekannt: „Ich aber“, betont auch dieses Buch und gibt damit vor, dem biedermeierlichen Bild der Grimms, „so augenfällig anheimelnd und angepaßt dem allgemeinen Geschmack“ (aus dem ersten Kapitel mit „A“!), ein völlig anderes entgegenzusetzen. …
Günter Grass: „Grimms Wörter: Eine Liebeserklärung“, Steidl, 29,80 Euro.
Kölner Stadt-Anzeiger 17.8.2010
– geändert durch Sigmar Salzburg am 18.08.2010, 09.34 –
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