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Rat für deutsche Rechtschreibung
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Sigmar Salzburg
10.12.2016 11.24
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Rat für Rechtschreibung: Der 40-„Köpfige“ hat wieder zugeschlagen!

Recht schreibt der Rat, nicht gut
Daniel Goldstein / 08. Dez 2016 – Ohne Absicht zeigt der Rat für deutsche Rechtschreibung, wie man buchstäblich schlecht und recht schreiben kann.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung spielt dieses Jahr den leicht verspäteten Sankt Nikolaus: Er beschert Deutschen und Österreichern ein grosses Eszett, also zum ß das ẞ. Zudem hat er bei der Gross- und Kleinschreibung weitere Lockerungen gewährt: «Diese betreffen die Schreibung von Funktionsbezeichnungen (wie z. B. neu der erste/Erste Vorsitzende statt aktuell nur der Erste Vorsitzende) sowie von Benennungen für besondere Anlässe und Kalendertage (wie z. B. neu die goldene/Goldene Hochzeit statt aktuell nur die goldene Hochzeit).»

So weit, so gut, mehr oder weniger. Leicht hat sich der Rat die Arbeit nicht gemacht, und leicht macht er auch nicht die Lektüre seiner Pressemitteilung: «Das nach dem Statut des Rates vorzunehmende Anhörungsverfahren zu diesen Vorschlägen bei Vertretern der Schulen, insbesondere Lehrer- und Elternvertretungen, sowie den für die Verwaltungssprache zuständigen Behörden und Vertretern von Einrichtungen, die aufgrund ihres Umgangs mit Sprache und Rechtschreibung deren Fortentwicklung beurteilen können oder an der Umsetzung der Beschlüsse des Rats beteiligt sein werden, hat eine allgemeine Zustimmung zu diesen Vorschlägen ergeben.» Aber wer will denn da schon meckern: Der Rat muss ja nur recht schreiben, «gut» steht nicht in seinem Statut.

Weiterführende Informationen
Bericht des Rats für deutsche Rechtschreibung
Pressemitteilung dazu

infosperber.ch 10.12.2016

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Sigmar Salzburg
18.08.2016 05.27
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Die Duden-Verdrängung durch die „Reform“ ist mißlungen

Gestern erwähnte Th. Ickler eine interessante Beobachtung:

Wenn ich die neueste Liste der Ratsmitglieder durchsehe, finde ich naturgemäß keinen Gegner der Rechtschreibreform, aber auch keinen der alten Reformer mehr; Gallmann gehört noch am ehesten dazu, aber sonst lauter Leute, die mit Rechtschreibung nichts zu tun haben und denen das alles im Grunde gleichgültig ist. Nur die Wörterbuchfraktion (Krome) weiß, was sie will, die anderen nicken dazu. Was sollen sie auch sagen? Zur Sache selbst können sie nichts beitragen, sondern sich nur zu den erwartbaren geschäftlichen oder organisatorischen Folgen einer Änderung äußern.
Die wenigen Sprachwissenschaftler müssen in einem solchen Gremium ziemlich frustriert sein. Ich wundere mich, wie lange sie es aushalten.
Wikipedia weiß:
Der Verlag der Wahrig-Nachschlagewerke, der zu Bertelsmann gehörende Wissen Media Verlag, stellte seine Geschäftstätigkeit im Buchhandel zum 1. Februar 2014 ein. Lediglich die Online-Aktualisierungen verschiedener Werke sollen für Käufer noch ein paar Jahre erhalten bleiben.
Das heißt: Der Rechtschreib„reform“, von Bertelsmann (Krome) zur Verdrängung des Duden stark gefördert, ist damit eins ihrer wichtigsten Ziele abhanden gekommen. Wäre das am Anfang klar gewesen, dann hätte es möglicherweise gar keine „Reform“ gegeben.

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Sigmar Salzburg
09.08.2016 04.53
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Der „Rat“ betreibt nur noch Durchsetzungforschung

Nochmal zur NWZ-Meldung v. 2.8. über das Wirken des Rechtschreibrates:

Zehn Jahre nachdem das amtliche Regelwerk – die reformierte Reform – als verbindliche Grundlage für den Unterricht erklärt worden ist, wird sie auch „überwiegend angewandt“. Das ergab eine Studie des deutschen Rechtschreibrates, die jetzt in Mannheim veröffentlicht wurde...

Der Studie zufolge stimmt die Anwendung mit den festgeschriebenen Regeln „im hohen Maße überein“. Dies gelte auch für Normen, die vor einem Jahrzehnt umstritten waren, wie etwa die Großschreibung bei „im Folgenden“ oder „des Öfteren“.
Th. Ickler hat diese Betriebsamkeit des „Rates“ schon vor sechs Jahren (Auszug hier) präzise aufgespießt:
Der Rechtschreibrat verbucht die Durchsetzung der Reform als Erfolg, die Qualität des Durchgesetzten spielt für ihn keine Rolle. Die Sprachwissenschaft hat abgedankt zugunsten einer geschäftsrelevanten Durchsetzungsforschung…
(Ein Beispiel gelungener Durchsetzung hier.)

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Sigmar Salzburg
02.08.2016 05.45
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Der Schreib-Unrat beobachtet die Korrektur-Automaten

Reformgegner auch am zehnten Jahrestag kritisch
„Einheitlichkeit verloren“ – Studie mit positivem Ergebnis


Mannheim/Oldenburg Wieder ein Jahrestag zur umstrittenen Rechtschreibreform: Zehn Jahre nachdem das amtliche Regelwerk – die reformierte Reform – als verbindliche Grundlage für den Unterricht erklärt worden ist, wird sie auch „überwiegend angewandt“. Das ergab eine Studie des deutschen Rechtschreibrates, die jetzt in Mannheim veröffentlicht wurde. Die Reformgegner jedoch sind auch nach zehn Jahren nicht verstummt.

Der Studie zufolge stimmt die Anwendung mit den festgeschriebenen Regeln „im hohen Maße überein“. Dies gelte auch für Normen, die vor einem Jahrzehnt umstritten waren, wie etwa die Großschreibung bei „im Folgenden“ oder „des Öfteren“.

Um die Reform wurde seit deren Einführung 1996 heftig gestritten. Zu den Reformgegnern gehört die Oldenburgerin Gabriele Ahrens, die mit ihrem Mann die Initiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“ gegründet hatte. Heute beklagt sie die „verlorene Einheitlichkeit der Orthografie“. Durch zahlreiche parallel geltende Schreibweisen und nicht identische Wörterbücher sei sie der Beliebigkeit preisgegeben.

nwzonline.de 2.8.2016

Der Rechtschreib(un)rat beobachtet die Automatenkorrekturen „des Öfteren“, um die assholistische Rechtschreib„reform“ zu rechtfertigen – welch erbärmliche Manipulation!

Siehe auch noch dies.

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Sigmar Salzburg
03.06.2016 12.20
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Wechsel im Scheinparlament der Rechtschreib„reform“

Vorsitzender im Rat für deutsche Rechtschreibung

Als der Rat für deutsche Rechtschreibung 2004 antrat, den „Sprachfrieden“ herzustellen, herrschte ein wahrer Rechtschreibkrieg. Der ist inzwischen vorbei – nun nimmt „Mr. Rechtschreibung“ Hans Zehetmair seinen Hut. Bald wird ein Nachfolger gewählt.


Hannover/München – Der ehemalige niedersächsische Staatssekretär Josef Lange soll den Rat für deutsche Rechtschreibung leiten. Er ist einziger Kandidat für die Nachfolge von Hans Zehetmair an der Spitze des Gremiums, das seit 2004 die maßgebliche Instanz in Fragen der Rechtschreibung ist. Das geht aus der am Mittwoch versandten Einladung zur nächsten Sitzung des Rats am 24. Juni in Vaduz (Liechtenstein) hervor. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des neuen Vorsitzenden.

Die Kultusministerkonferenz und die zuständigen Institutionen der anderen deutschsprachigen Länder, die im Rat vertreten sind, haben sich demnach auf Lange geeinigt. «Ich freue mich über das Vertrauen der staatlichen Stellen im deutschsprachigen Raum und bin gern bereit, diese Funktion zum Wohl der Allgemeinheit wahrzunehmen», teilte Lange mit. Der Historiker und Theologe war von 2003 bis 2013 Staatssekretär im niedersächsischen Wissenschaftsministerium. In den 90er Jahren war er Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz.

Der ehemalige CSU-Politiker Zehetmair steht dem Rechtschreibrat seit der Gründung des Gremiums im Jahr 2004 vor und gilt als„Mr. Rechtschreibung“. Zum zehnjährigen Bestehen des Rates 2014 hatte er seinen Rückzug für Ende 2016 angekündigt.

Die Rechtschreibreform von 1996 hatte zu leidenschaftlichen Debatten geführt. Jahrelang tobte ein Streit um die richtige Schreibweise von Delfin oder Delphin, Fuss oder Fuß, Dampfschifffahrt oder Dampfschiffahrt. Der von den staatlichen Stellen beauftragte Rechtschreibrat sollte den «Sprachfrieden» wiederherstellen. Er hat 40 Mitglieder aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens.

«Damals gab es Leute, die Angst hatten, die Welt bricht zusammen, wenn man ein Wort so oder so schreibt», sagte Zehetmair zum zehnjährigen Bestehen des Rates. „Dabei gibt es längst ganz andere Herausforderungen: Sprache ist verkommen. Sprache ist zu sehr dem Konsum gewichen, der Passivität, und ist zu wenig schöpferisch.“

Seit mehr als vier Jahrzehnten ist Josef Lange in der internationalen Wissenschaftsszene zu Hause. Der am 20. Februar 1948 im westfälischen Ahlen geborene Theologe und Historiker gilt wegen seiner zahlreichen früheren und aktiven Ämter auch über die Grenzen Deutschlands hinaus als gut vernetzt.

Lange lebt in Hannover und bezeichnet sich selbst als „Exot“, der im Laufe seiner Verwaltungs- und politischen Karriere seine Heimat verließ, um in vielen Orten in Deutschland zu studieren, zu leben und zu arbeiten: „Münster, Regensburg, Bayreuth, das Rheinland, Berlin, Erfurt – überall habe ich die dortigen Menschen sowie ihre Formen der Sprache kennengelernt.“ Dadurch habe er ein eigenes Verständnis für Sprache entwickelt.

Dies dürfte ihm im Amt als Vorsitzender des Rates für deutsche Rechtschreibung mindestens ebenso helfen wie seine in den unterschiedlichsten Ämtern gesammelten politischen Erfahrungen – sei es als Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz, als Mitglied in zahllosen Ausschüssen, Beiräten sowie Arbeitsgruppen oder als Staatssekretär in Wissenschaftsministerien. Von 2000 bis Mitte 2001 hatte er den Posten in Berlin inne, von 2003 bis 2013 in seiner Wahlheimat Niedersachsen.

Zwischenzeitlich beriet Lange auch die serbische Regierung bei der Vorbereitung eines neuen Hochschulgesetzes im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung und arbeitete als Abteilungsleiter in der thüringischen Staatskanzlei.

Eigentlich hatte der zweifache Vater seiner Frau versprochen, im Ruhestand kürzer zu treten. Doch aus seinem Umfeld heißt es, das sei noch nie seine Stärke gewesen. Lange gilt als emsiger, geradliniger, zielorientierter sowie bescheidener Denker und Arbeiter im Hintergrund, der im Schmieden von Kompromissen sehr erfahren ist.

Neue Presse Coburg 2.6.2016

Zu dem seit 20 Jahren öffentlich ablaufenden Kulturschurkenstück Rechtschreib„reform“ fällt einem nichts mehr ein.

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Sigmar Salzburg
18.09.2015 15.36
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Uwe Pörksen

Zuletzt hatten wir den Germanisten Uwe Pörksen hier und da erwähnt. Bei der weiteren Suche sind wir auch auf seine aufschlußreiche Austritterklärung aus dem Rat für deutsche Rechtschreibung gestoßen:

Austrittserklärung

Prof. Dr. Uwe Pörksen
Vizepräsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung

An den Vorsitzenden des Rats für deutsche Rechtschreibung
Herrn Staatsminister a. D.
Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair
Hanns-Seidel-Stiftung e.V.
Lazarettstr. 33
D-80636 München


An die Mitglieder des Rats für deutsche Rechtschreibung
Geschäftsstelle am Institut für Deutsche Sprache (IDS)
R5, 6-13
D-68161 Mannheim


Freiburg, 4.10.2008


Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Ratsmitglieder,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,

mit diesen Zeilen kündige ich an, daß ich zum Termin der nächsten Sitzung aus dem Rat für deutsche Rechtschreibung ausscheide.

Die Aufgabe des Rates habe ich zur Zeit meines Beitritts vor etwa drei Jahren so verstanden, daß er die Baustelle Rechtschreibung in den wichtigsten Bauabschnitten einer Revision und einem Rückbau unterzieht. Unsere zunächst sehr zurückhaltende Akademie hat sich daran beteiligt, als der Rat ihrem Vorschlag entgegenkam, Arbeitsgruppen – u.a. zum Thema Zusammen- und Getrenntschreibung – einzurichten, und diese in der Folge überzeugende Vorschläge vorlegten. Im Frühjahr 2006 kam es zum erfolgreichen Abschluß eines ersten Kapitels, zugleich wurde die Weiterarbeit in einer Sitzung, an der ich teilnahm, auf eine nicht unbedenkliche Weise unterbunden bzw. auf ein St. Irgendwann vertagt.

Inzwischen vermag ich kein klares Programm zu erkennen, weder was Inhalt und Gewichtung der noch zu erledigenden Kapitel, noch was den Zeitplan, noch was die einzusetzenden Arbeitsgruppen angeht. Statt dessen scheint mir der Rat dazu überzugehen, sich neuen, weitergehenden Aufgaben zuzuwenden.

Das widerspricht meinem Verständnis seines Auftrags und seiner Möglichkeiten. Ich habe ihn als Aushilfe in einer verfahrenen Situation begriffen. Als Dauereinrichtung halte ich ihn für eine Fehlkonstruktion. Unsere Orthographiegeschichte ist in den 90er Jahren verunglückt, weil ein Gremium, das in den 50er Jahren gegründet wurde, um die Idee einer Kleinschreibung nach englischem oder dänischem Vorbild zu prüfen, sich, als die Idee zu den Akten gelegt wurde, nicht aufgelöst hat.

Die Reaktion bzw. die fehlende Reaktion auf das letzte Schreiben unserer Sprachkommission bestärkt mich in meinem Entschluß. Die Kommission unserer Akademie ist über meine Entscheidung unterrichtet und hat für sie mehr als Verständnis. Ich bitte darum, daß die Gründe meines Austritts in der kommenden Sitzung diskutiert werden. (Sollte es bei dem ursprünglich angekündigten Termin 23. Oktober bleiben, müßte ich mich leider schon um 13h verabschieden).

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
(Uwe Pörksen)

[Anmerkung S.S.: „die Weiterarbeit ... auf eine nicht unbedenkliche Weise unterbunden“. Damit gemeint ist sicher die Verfügung der KMK-Präsidentin Erdsiek-Rave gleich nach ihrer Amtsübernahme 2006, alle weiteren Arbeiten zur Korrektur der „Reform“ einzustellen, um schon im März den „Rechtschreibfrieden“ verkünden zu können.]

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Sigmar Salzburg
19.06.2015 17.37
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Kontroverse zu Edmund Jacoby

Zum untenstehenden Artikel von Edmund Jacoby

Wie Autoren schreiben,

bei uns hier eingetragen, gibt es im Börsenblatt eine interessante, von Mißverständnissen und Unkenntnis getragene Kontroverse unter den Lesern, aber bisher keine Verteidigung der Rechtschreib„reform“:


Theodor Ickler 18.06.2015 12:51h

Ich verstehe nicht, warum die Reformer so großen Wert auf den „Rechtschreibfrieden“ legen statt darauf, daß wir wieder eine sinnvolle Rechtschreibung bekommen. Aber auch der Ratsvorsitzende Zehetmair redet so, wie ich als ehemaliges Mitglied des Rates noch genau in Erinnerung habe. So wurden denn auch von Anfang an die Kritiker der Neuregelung als Störenfriede gescholten. Nur sehr widerwillig haben die Kultusbehörden anerkannt, daß die zahllosen Einwände sachlich berechtigt waren, und zehn Jahre hat es bis zu den Korrekturen gedauert, die aber bei weitem nicht das Ende sein sollten. Lange Mängellisten liegen noch unbearbeitet in der Schublade.


Lektor 18.06.2015 13:05h

Ein Sechstel der Schreiber hält sich also an die neuen Regeln (sofern man von solchen sprechen kann), das andere Sechstel hält die Reform für Unsinn und zwei Drittel machen, was sie wollen.
Wenn Jacoby behauptet, daß eine „Hausorthographie“ ein „weiterer kleiner Schritt zum Rechtschreibfrieden.“ sei, ist das dreist. Einen weiteren Schritt ins Chaos als Frieden zu bezeichnen, ist nur eine Verschleierung dessen, daß das, was die Reformer bezweckt haben, fast erfüllt ist. Nämlich daß man an der Schreibung nicht mehr die Bildung des Schreibers erkennen können soll.


Journalist 18.06.2015 15:26h
@Theodor Ickler,
Nein Herr Ickler, Sie irren. Wir brauchen keine neue Rechtschreibung. Was Sie und Ihresgleichen gemacht haben, ist pure Anmaßung, weil die deutsche Sprache nicht das Eigentum von Ihnen und Ihresgleichen ist, sie gehört uns allen. Und es gibt keinen Grund, daß Sie und ihre »Mitstreiter« daran herumpfuschten und -pfuschen. Seit 1901 gibt es eine sinnvolle deutsche Schreibung, die hätte gereicht, kein einziger der Vorschläge der Kommission war berechtigt.
Herausgekommen ist Chaos, ein eindeutig durch die Reform begründeter, bis heute anhaltender schlechterer Abverkauf von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften und mehrere Schülergenerationen, die die Regeln, die ihnen in der Schule gelehrt werden, täglich auf das Gröbste verletzt sehen.
Aber wie immer gilt in Deutschland, daß Fehler von den Politikern nicht eingestanden werden. Man strampelt emsig weiter, auch wenn’s dabei bergab geht. Darauf brauchen Sie nicht stolz zu sein.


Theodor Ickler 18.06.2015 18:16h

Aber Herr Journalist! Da haben Sie mich gründlich mißverstanden. Ich gehöre doch gar nicht zu den Reformern, sondern war von Anfang an ihr entschiedenster Gegner, habe fünf Bücher gegen die Reform veröffentlicht und die Volksinitiativen sprachwissenschaftlich beraten. Im Rechtschreibrat habe ich weiter für die Rücknahme der Reform gekämpft, nicht ganz erfolglos, aber als es nicht mehr weiterging, bin ich ausgetreten.


Journalist 19.06.2015 11:18h

Herr Ickler,
es gilt der alte strafrechtliche Grundsatz: Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.
Zuerst mitmachen, dann aufgeben und am Ende dagegenwettern ist das, was diese Reform so weit gebracht hat. Am Schluß will es keiner gewesen sein, aber wir alle leiden darunter. Das gilt für Sie, Zehetmair und alle die anderen, die in irgendeiner Form mitgewirkt haben, gleichermaßen.


Frieda 19.06.2015 11:36h

Der mantra-artig beschworene „Frieden“ ist der Frieden des Todes: „R.I.P.“. Seit „voraus“, „nachhinein“ und andere Worte von irgendwelchen dahergelaufenen Schlauköppen als Substantive festgelegt wurden, so wie einst die Kirche die Erde als flach und die Sonne um die Erde kreisend festgelegt hatte, ist Rechtschreibung in Deutschland tot. Grammatik, Etymologie, Wortarten sind damit abgeschafft, und die breiige Masse folgt stumpfsinnig den blödsinnigen DUDEN-Empfehlungen („seit Langem“, „von Weitem“, „Recht haben“, „Leid tun“, „weit reichend“, „Saxofohn“, ...).


Theodor Ickler 19.06.2015 18:18h

Nein, Herr Journalist, Sie irren sich schon wieder. Ich habe zu keiner Zeit „mitgemacht“. Aus meiner Feder stammte einer der allerersten Zeitungsartikel gegen die Rechtschreibreform, in der FAZ 1996. Ich habe unter großen Opfern völlig kompromißlos gegen die Reform gekämpft, auch als Gutachter vor dem Bundesverfassungsgericht 1998. In den Rat für deutsche Rechtschreibung wollten die Kultusminister zunächst nur Reformbefürworter aufnehmen, mußten sich dann dem Druck der Kritiker beugen und wenigstens einen Reformgegner dazunehmen. Den „Kompromiß" von 2006 habe ich nicht mitgetragen. Ich habe nur die Rücknahme einzelner Neuerungen bewirkt. Wenn Sie die jahrelange Entwicklung mitverfolgt hätten, wüßten Sie das alles, denn es stand in den Zeitungen, auch mein ausführlicher Bericht „Aus dem Leben eines Rechtschreibrates“ über die unsäglichen Verhältnisse im Rat. Noch jetzt diskutieren wir unter „Schrift & Rede“ weiter, und dort können Sie ebenfalls an meinen vielen tausend Beiträgen sehen, daß ich niemals mitgemacht habe. Für meinen kompromißlosen Kampf wurde mir 2001 der Deutsche Sprachpreis verliehen. Wollen Sie die Logik wirklich so verdrehen, daß sie von jemandem, der eine Sache bekämpft, behaupten, er habe eben dadurch „mitgemacht“?

boersenblatt.net

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Sigmar Salzburg
16.06.2015 12.48
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Aus der Arbeit im Un-Rat

15. Juni 2015 Rat für deutsche Rechtschreibung

Wie Autoren schreiben

Aufwändig oder aufwendig? Wo gehen Autoren mit den amtlichen Regeln der Rechtschreibreform konform und wo nicht? Edmund Jacoby, Verleger im Verlagshaus Jacoby & Stuart, sitzt für den Börsenverein im Rat für deutsche Rechtschreibung – Einblicke aus der letzten Sitzung des Rats: VON EDMUND JACOBY


Jetzt ist sie bald schon zwanzig Jahre her, die große Aufregung um die Rechtschreibreform von 1996. Seit der Rat für deutsche Rechtschreibung im Jahr 2006 ein Regelwerk vorgelegt hat, in dem manche „reformierte“ Schreibweisen abgeschafft und die traditionelle Schreibweise in vielen Fällen wieder zugelassen wurde, herrscht einigermaßen Frieden in deutschen Schreibstuben. Aber die amtliche Schreibung besitzt längst noch nicht wieder die fraglose Autorität, die der Duden und andere Wörterbücher einmal hatten.

Dies wurde in einer ziemlich repräsentativen Umfrage des Interessenverbands österreichischer Autorinnen und Autoren deutlich, die auf der letzten Tagung des Rechtschreibrats vorgestellt wurde: Nur 16% der Befragten bekennen sich uneingeschränkt zur gültigen reformierten Rechtschreibung, während fast ebenso viele an der alten Rechtschreibung von vor 1996 festhalten. Die große Mehrheit gab an, von Fall zu Fall zu entscheiden und eigene Regeln zu befolgen. In den meisten Fällen akzeptieren die Verlage diese individuellen Orthographien.

Und wo gehen die Autoren nun mit den amtlichen Regeln konform und wo nicht?

Das seinerzeitige Hauptärgernis der neuen Rechtschreibung, die vorgeschriebene Auseinanderschreibung zusammengesetzter Wörter, ist dank der Reform der Reform weitgehend beseitigt. Zwar empfiehlt der Wahrig etwa immer noch die Schreibweise „schwer wiegend“, aber 80% der Befragten schreiben „schwerwiegend“, entsprechend der alten Faustregel „nur eine betonte Silbe – ein einziges Wort“. Bei „kennenlernen“ ist das Votum für die Zusammenschreibung noch eindeutiger.

Problematischer ist es mit der Groß- und Kleinschreibung: Ausdrücke wie „auf dem Laufenden“ sollen großgeschrieben werden. Nur scheinbar eindeutig ist in diesem Fall, dass es sich bei „Laufenden“ um ein Substantiv handeln müsse, weil es dazu einen Artikel gibt, und nur 65% der Befragten waren vom Substantivcharakter des Worts überzeugt. (In vergleichbaren Fällen wie „ohne W/weiteres kann auch offiziell wieder kleingeschrieben werden.)

Womit die österreichischen Profischreiber sich auch nicht recht anfreunden können, sind reformierte „ä“-Schreibweisen. „Aufwändig“ wird inzwischen auch von den Wörterbüchern nicht mehr empfohlen, da das Wort nun mal nicht von Wand, sondern von wenden kommt. „Schnäuzen“ statt „schneuzen“ ist dagegen zwar vorgeschrieben, aber dennoch nicht mehrheitsfähig. Wer denkt denn schon beim Sich-Schnäuzen an Schnauze?

Auch außerhalb Österreichs hadern die Schreibenden noch mit einigen Reformschreibungen. So geht vielen das vorgeschriebene „nummerieren“ oder gar „nummerisch“ ebenso gegen den Strich wie „platzieren“. Das eingedeutschte Portmonee statt Portemonnaie wird inzwischen von den Wörterbüchern nicht mehr empfohlen, obwohl die ideologisch vorbelastete Auffassung, dass „Fremdwörter“ eingedeutscht („integriert“) gehören, noch nicht ganz tot ist. Im Fall von „Tollpatsch“ hat sich die „Integration“ des migrantischen, aus dem Ungarischen stammenden, Worts durchgesetzt, weil die meisten Schreibenden wohl vermuten, dass das Wort von „toll“ kommt; bei Nougat dagegen hält sich kaum jemand an die Duden-Empfehlung „Nugat“ …

Woran die österreichischen Autorinnen und Autoren mit gutem Grund erinnert haben, ist dieses: Rechtschreibregeln haben nicht nur den Zweck, Schülern das Schreibenlernen zu erleichtern, sondern auch den, Texte möglichst lesbar zu machen. So plädieren sie für eine möglichst klare Satzgliederung durch Kommata, anders als die Reformrechtschreibung, die versucht hat, die Zahl der Kommata zu reduzieren.

Übrigens: Der österreichische Verband hat jetzt beschlossen, künftig nicht mehr die alten Rechtschreibregeln anzuwenden, sondern eine Hausorthographie auf der Grundlage der geltenden Regeln zu nutzen. Ein weiterer kleiner Schritt zum Rechtschreibfrieden.

boersenblatt.net 15.6.2015

Der letzte Absatz war wohl das, was der Verfasser eigentlich mitteilen wollte: Daß auch der Autorenverband zu Kreuze kriechen will in diesem übelsten Schmierenstück der deutschsprachigen Kulturapparatschiks der letzten hundert Jahre.

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Sigmar Salzburg
15.12.2014 12.33
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Rechtschreib-Papst Hans Zehetmair

„Unsere Sprache verkommt“

Delfin oder Delphin? Die Rechtschreibreform führte zu leidenschaftlichen Debatten. Zehn Jahre danach zieht der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair Bilanz.
[Bild]
Hans Zehetmair (78/CSU) war von 1986 bis 2003 erst als Kultus-, dann als Wissenschaftsminister Mitglied des bayerischen Kabinetts. Im Mai dieses Jahres gab er nach zehn Jahren den Vorsitz der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung ab. Nach dem Ablauf seiner Amtszeit als Rechtschreibrats-Chef will er Ende 2016 auch diesen Posten räumen. Quelle: dpa

Herr Zehetmair, wie fällt Ihre Bilanz nach einem Jahrzehnt Rechtschreibrat aus?

Hans Zehetmair: Rückblickend muss ich sagen, dass es erstaunlich und erfreulich ist, dass das korrigierte Regelwerk nach zwei Jahren stand. Die ersten Sitzungen waren durch sehr viel Abneigung geprägt – hüben wie drüben. Ich musste schauen, dass es keine Sieger und Besiegten gab. Das scheint insgesamt gelungen zu sein, was man auch daran sieht, dass im dritten Jahr Ruhe einkehrte.

Damals war die neue Rechtschreibung ein unglaublich emotional aufgeladenes Thema. Heute fragt man sich manchmal bei allen Verkürzungen, mit denen in der schriftlichen Kommunikation operiert wird, ob die Rechtschreibung überhaupt noch von Bedeutung ist.

Damals gab es Leute, die Angst hatten, die Welt bricht zusammen, wenn man ein Wort so oder so schreibt. Dabei gibt es längst ganz andere Herausforderungen: Sprache ist verkommen. Sprache ist zu sehr dem Konsum gewichen, der Passivität, und ist zu wenig schöpferisch. Dazu kommt dann noch die Verfremdung durch immer mehr Anglizismen, die ich nicht total ablehne, die man aber zumindest immer so einsetzen sollte, dass man auch weiß, was Begriffe wie Recycling bedeuten. Diese durch die Schnelllebigkeit und den Aktionismus herausgeforderte Oberflächlichkeit führt dann zu Wortfetzen wie sie beispielsweise beim Twittern gebraucht werden. Das halte ich für eine gefährliche Entwicklung.
[...]

Wie definieren Sie die Rolle des Rechtschreibrates heute, wo doch das vielzitierte Ziel des „Sprachfriedens“ hergestellt zu sein scheint?

Gemäß unserem Statut haben wir die Aufgabe, die Sprache zu beobachten und darüber zu wachen, dass die Reinheit der Sprache gewahrt wird. Das bedeutet keinen Purismus französischer Auffassung. Natürlich darf es auch Fremdworte geben – aber in der Form, dass man auch weiß, was dahintersteht. Wir brauchen keine Tarnworte, die der Vereinfachung oder leider auch Verdummung dienen

Was sind die wichtigsten Herausforderungen des Rechtschreibrates für das kommende Jahr?

In unserer Arbeitsgruppe Korpora sitzen die zum Teil existenziell gefährdeten Wörterbuch-Verlage. Das liegt wohl an der Entwicklung, am Internet. Aber der unermessliche Wortschatz, der über die Wörterbuchverlage gesammelt wird, ist schon ein ungemeiner Schatz einer lebendigen Sprache. Ich will kein Oberlehrer sein, aber ich will deutlich sagen, dass das gedruckte und das geschriebene Wort ebenso wie das gesprochene weiterhin nicht überflüssig geworden ist, auch nicht in Zeiten der Nanographie.

wiwo 15.12.2014

Rechtschreib-Papst, war der Titel nicht schon vergeben?

Bemerkenswert ist das offengelegte Prinzip staatsbürokratischer „Stussvermehrung“:
Fehlentscheidungen werden nur zur Hälfte zurückgenommen, um „keine Sieger und Besiegten“ zu schaffen.

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Norbert Lindenthal
09.10.2014 05.50
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Re: Rat für deutsche Rechtschreibung

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Sigmar Salzburg

Eichinger: Also das ist sicher war, …


- – -

… erstaunlich, wie man als Professor herumeiern kann …
__________________
Norbert Lindenthal

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Sigmar Salzburg
08.10.2014 20.47
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Rat für deutsche Rechtschreibung

„Eine gewisse Übung wäre wieder gut“

Ludwig Eichinger im Gespräch mit Kate Maleike

Vor zehn Jahren wurde der Rat für deutsche Rechtschreibung gegründet. Die Rechtschreibleistung sei heute nicht viel schlechter, sagt Ratsmitglied Ludwig Eichinger. Allerdings fehle in vielen Bereichen die Übung. Eine grundlegende Rechtschreibreform sei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.

Kate Maleike:
Heute vor genau zehn Jahren haben die Ministerpräsidenten der Bundesländer zusammengesessen und entschieden, den Rat für deutsche Rechtschreibung zu gründen, und zwar als Antwort sozusagen auf die heftige Kritik, die es in der Öffentlichkeit, speziell in Schulen und in den Medien, nach der Reform der Rechtschreibung gehagelt hatte. Damals hatten viele Neuerungen, die eigentlich als Erleichterung geplant waren, auf Aufschreie gesorgt. Zum Beispiel, dass ein stummes h nicht mehr geschrieben werden muss, bei Spagetti zum Beispiel, oder dass Flussschifffahrt nun mit drei s und drei f geschrieben wird oder das „dass“ eben mit doppeltem s und nicht mehr mit Buckel-S. Die Rechtschreibung verwirrt Schüler eher, statt zu helfen, und durch die Reform würden mehr Fehler entstehen – so wird noch bis heute kritisiert. Der Rat für deutsche Rechtschreibung, der aus circa 30 Vertretern besteht aus deutschsprachigen Ländern, hat also nun seit gut zehn Jahren die Aufgabe, den Sprachfrieden wiederherzustellen, vor allem den schulischen Sprachgebrauch zu beobachten. Mit Professor Ludwig Eichinger, einem der Ratsmitglieder, möchten wir jetzt Bilanz ziehen. Herr Eichinger ist auch Direktor des Deutschen Institutes für Deutsche Sprache in Mannheim. Guten Tag!

Ludwig Eichinger: Guten Tag!

Maleike: Wie fällt denn Ihre Bilanz jetzt aus, haben Sie den Sprachfrieden schaffen können?

Eichinger: Wir haben den Sprachfrieden in einem Ausmaß, wie man das schaffen kann, glaube ich, geschafft. Dadurch, dass wir gewisse Dinge, die so stark gegen den Schreibgebrauch und die Üblichkeit gingen, ein bisschen wieder zurückgefahren haben und so die alte Systematik des Schreibens ein bisschen stärker hergestellt haben, haben wir, glaube ich, bis 2006, wo ja der erste Arbeitsschritt des Rates war und wo das letzte Mal dann die Kultusministerkonferenz auch Änderungen am Regelwerk dann akzeptiert hat, haben wir, glaube ich, einen Kompromiss gefunden, von dem man sagen kann, er ist ganz gut akzeptiert worden, weil er auch an manchen Stellen, wo die Sachen wirklich unklar sind, ein bisschen mehr offengelassen hat, sodass dann auch Wahl des Schreibens besteht.

„Die Bedingungen für Rechtschreibung haben sich ja insgesamt geändert“

Maleike: Was sagen Sie denn zu den allgemein geäußerten Kritiken, dass die Rechtschreibung in Deutschland ein Problemfall ist?

Eichinger: Also die Bedingungen für Rechtschreibung haben sich ja insgesamt geändert. Wir schreiben ja viel weniger von Hand und wir schreiben sehr viel häufiger mit dem Computer und auch mit dem Rechtschreibprogramm. Und die Rechtschreibprogramme sind noch immer nicht sehr kontextsensitiv, und dann korrigieren sie uns manchmal was, was wir eigentlich so schreiben möchten und so was Ähnliches, sodass es eine Reihe von Faktoren gibt, die eine erhöhte Verunsicherung machen. Und sicherlich hat auch die Rechtschreibreform, die sicher nicht gut gemanagt war sozusagen, zur Verunsicherung der Menschen beigetragen. Aber tatsächlich, glaube ich, sind die Rechtschreibleistungen nicht viel schlechter. Ich sage ja immer, wenn heutzutage jemand es mit den zwei s und dem ß hat, dann hat er eigentlich die Hauptregel, die man ganz grundsätzlich haben muss, erkannt, und an vielen anderen Stellen kann man ja ein bisschen konservativer und ein bisschen weniger konservativ schreiben, und dann macht man eigentlich kaum Fehler.

Maleike: Also verstehen wir Sie richtig, Sie sagen, es ist gar nicht so schlecht mit der Rechtschreibung in Deutschland, wie das zum Beispiel gerne mal Arbeitgeber sagen über die Lehrlinge, die da kommen, oder aber auch Hochschulprofessoren über die Qualität ihrer Studenten?

Eichinger: Sagen wir mal so, Rechtschreibüben ist vielleicht ein bisschen stärker außer Praxis gekommen, weil wir eben so viel mit dem Computer schreiben, wo uns viel selber korrigiert wird. So gesehen ist es sicher so, dass in vielen Bereichen zur Übung zur Rechtschreibung fehlt, vielleicht auch in der Schule über längere Zeit die Rechtschreibung vielleicht keine so große Rolle gespielt hat. Also so gesehen stimmt das schon, dass eine gewisse Übung in der Rechtschreibung wieder gut wäre und dass es auch sicher eine gewisse Verunsicherung gab, weil durch die Rechtschreibreform die Sachen sich so oft geändert haben. Ich hoffe aber, dass diese Verunsicherung auch allmählich wieder ausläuft.

„Niemand will auch eine Reform um der Reform willen“

Maleike: In einer Pressemitteilung von Ihrem Rat wird ja gefordert auch, dass mehr für den Erwerb der Orthografie in der Schule getan werden kann, weil da zu wenig Zeit eigentlich ist.

Eichinger: Also das ist sicher war, dass insgesamt eben grammatische und Rechtschreibdinge im Unterricht kontinuierlich einen guten Platz bräuchten. Es ist auch so, dass offenkundig ja zum Beispiel nach der sechsten oder siebten Klasse kaum mehr im Lehrplan überhaupt irgendetwas Rechtschreibliches vorkommt, und das heißt, komplexere Dinge, da wo es Schwierigkeiten macht, die man den kleinen Kindern noch gar nicht beibringen kann, werden eigentlich weniger geübt, als sich das gehören würde, sodass wir zweifellos denken, dass so die Kompetenz in Rechtschreibung doch im Unterricht einen gehörigen Platz bekommen sollte.

Maleike: Droht uns eigentlich eine Reform der Reform, also stricken Sie noch mal an einer Rechtschreibreform?

Eichinger: Nein. Also ich glaube, niemand will auch eine Reform um der Reform willen. Es ist ja so, dass der Rat für Rechtschreibung die Aufgabe der Sprachbeobachtung jetzt hat, und es gibt ja wirklich auch ein paar Alternativen manchmal in der Schreibung. Und wenn sich herausstellen sollte, dass bestimmte Alternativen überhaupt nicht mehr gebraucht werden oder so was, dann würden wir vermutlich an einzelnen Stellen den Ratschlag geben, ob man das nicht, eine Alternative mal sozusagen abschafft. Aber eine grundlegende Rechtschreibreform ist ja auf absehbare Zeit und ich denke auf Jahrzehnte, heißt es, nicht zu erwarten.

Maleike: Professor Ludwig Eichinger war das. Er ist Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung, dessen Gründung heute vor genau zehn Jahren von den Ministerpräsidenten beschlossen wurde, um Sprachfrieden nach der heiß diskutierten Rechtschreibreform zu schaffen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

deutschlandfunk.de 8.10.2014

Siehe auch hier und als Kommentar dies.
Aufschlußreich Th. Ickler bei sprachforschung.org.

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Sigmar Salzburg
16.08.2014 07.46
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Arbeitstourismus der Nichtsnutzigen

Rat für deutsche Rechtschreibung in Rietberg

[Bild: Der 40-„Köpfige“ auf acht geschrumpft]

Rietberg. Nicht „Hinz und Kunz“ – nein, der Rat für deutsche Rechtschreibung stattete Rietberg einen jetzt Besuch ab. Der Rat befasst sich mit der Beobachtung des gegenwärtigen Sprachgebrauchs und mit der Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung* im deutschen Sprachraum. Jetzt tagte der Rat in Gütersloh [!] und einige Mitglieder erkundeten im Anschluss Rietberg. Denn die Themenführung „Sprichwörtlich gut oder aus dem Nähkästchen geplaudert“ ist schließlich genau das Richtige für die Sprachwissenschaftler.

Eingeladen hatte Sabine Krome, Chefredakteurin Wahrig bei Brockhaus. In strahlendem Sonnenlicht präsentierte sich die wunderschöne Fachwerkkulisse der Stadt, die in diesem Jahr 725 Jahre alt wird.

Interessantes aus der Geschichte, Informationen über einzelne Häuser und das Leben in Rietberg, gepaart mit Redewendungen und Sprichwörtern – die Stadtführerin Ingrid Steffens konnte so einige davon „aus dem Ärmel schütteln“. Für beste Unterhaltung war gesorgt – „worauf man Gift nehmen kann“.

Auch die Weiterentwicklung der Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks gehört zu seinen Aufgaben. Der fachkundige Kreis zeigte sich von der Themenführung begeistert und voll des Lobes. „Sie haben es geschafft, uns in eineinhalb Stunden die volle Breite und Tiefe des schönen Städtchens Rietberg und mit einem kurzweiligen historischen Durchlauf auch die deutsche/ostwestfälische Landschaft der Sprichwörter- und Redewendungen zu erschließen. Alle Teilnehmer waren begeistert“, bedankte sich Sabine Krome.

Eine besondere Freude bereitete die Chefredakteurin der Rietberger Stadtführerin mit einem Präsent: dem neuen Wahrig-Buch mit Zitaten und Redewendungen. Viele der bei der Führung zu hörenden Redensarten sind dort wiederzufinden – aufgelistet in übersichtlicher Form ein Buch zum Schmökern...

Neue Westfälische 16.6.2014

Der Gebrauch des deutschen Schluß-ß ist fast so alt wie die Stadt Rietberg. Vielleicht könnte der Rat ja die „Reform“ in Richtung auf die Wiederherstellung dieses alten schönen Brauchs weiterentwickeln. Das wäre dann aber auch fast ihr Ende.

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Sigmar Salzburg
13.11.2013 21.24
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Regelwächter

Prominenter Linguist verlässt den Rechtschreib-Rat

Spektakulärer Rücktritt im Rat für Rechtschreibung: Der Linguist Peter Eisenberg kündigt seine Mitarbeit auf. Es gab offenbar Streit um neue Erklärungen zu vereinfachten Kommaregeln.

Von Dankwart Guratzsch

Im Rat für deutsche Rechtschreibung ist es zu einem Eklat gekommen. Der von der Akademie für Sprache und Dichtung entsandte Potsdamer Linguist Peter Eisenberg hat nach „Welt“-Informationen seine Mitarbeit aufgekündigt.

Eisenberg ist bereits der dritte prominente Sprachwissenschaftler, der nach der 1996 in Kraft getretenen Rechtschreibreform zurücktritt. Er war wesentlich an der Straffung und Umformulierung der Regeln in eine verständliche Sprache beteiligt. Die Fortsetzung dieser Arbeit ist nun gefährdet.

Der Rechtschreibrat hat bislang keine Erklärung zu dem Rücktritt herausgegeben. Auf „Welt“-Anfrage sagte Geschäftsführerin Kerstin Güthert lediglich: „Das ist ja nicht der erste Wechsel und deshalb nichts Außergewöhnliches.“ Im Sekretariat der Kultusministerkonferenz äußerte sich der Leiter der Schulabteilung Tobias Funk überrascht; man sehe aber „keinen Anlass für eine Reaktion“.

Instanz für die Einheitlichkeit der Rechtschreibung

Dabei haben bereits mehrere spektakuläre Austritte auf Auseinandersetzungen in dem Gremium hingedeutet, das als zentrale Instanz für die Einheitlichkeit der Rechtschreibung sorgen soll. So hatte sich als erster prominenter Linguist schon ein Jahr nach der Reform von 1996 der Erlanger Sprachwissenschaftler Horst Haider Munske aus der damaligen Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung zurückgezogen.

Sein Schritt galt als aufsehenerregend, weil Munske ursprünglich selbst zu den glühenden Verfechtern einer Rechtschreibreform gehört hatte. Die dann aber beschlossenen Neuerungen betrachtete er als "Überrumpelungsaktion“ der Kultusminister der Länder und erklärte schließlich enttäuscht: „Was ich nicht für richtig halte, will ich nicht mitverantworten.“

2006 war dann Theodor Ickler als zweiter prominenter Kritiker aus dem Rechtschreibrat ausgestiegen, auch er aus Protest gegen die Reform.

Seit 2003 an Kompromiss gearbeitet

Nun wiegt der Fall Eisenberg besonders schwer: Denn wie Munske hatte er der Kommission schon einmal den Rücken gekehrt und sich 1998 dem Protest von 600 Fachkollegen angeschlossen. Seit 2003 saß der Potsdamer Wissenschaftler dann aber für die Akademie für Sprache und Dichtung an einem Kompromissvorschlag. Und 2005 stellte er sich dem Rechtschreibrat erneut zur Verfügung, wo er dann zu den wichtigsten Überarbeitern der neuen Schreibregeln gehörte. Am ersten Rückbau der Reform 2006, bei dem viele alte Schreibungen wieder zugelassen wurden, hatte Eisenberg wesentlichen Anteil.

Eisenbergs neuerlicher Ausstieg bedeutet für die weitere Arbeit des Rates eine Zäsur. Erst im Oktober hatte das zwischenstaatliche Gremium nämlich öffentlich eingestehen müssen, dass nur noch „22 Prozent der getesteten Schülerinnen und Schüler in der 9. Jahrgangsstufe als kompetente Rechtschreiber angesehen werden“ können. 27,2 Prozent erreichen demnach „die in den Standards der deutschen Kultusministerkonferenz formulierten Erwartungen nicht“.

Die konkreten Auswirkungen der Rechtschreibreform auf diese Fehlerhäufigkeit wurden in der Stellungnahme zwar nicht explizit erwähnt, ein Zusammenhang also nicht hergestellt. Eine repräsentative Untersuchung dazu hat der Rat aber auch weder selbst erarbeitet noch in Auftrag gegeben. Selbst die oben genannten Vergleichszahlen sind nur im Anhang des Schriftsatzes versteckt. Grundsätzliche Fragen darf sich der Rat seinem Auftrag gemäß nicht stellen: Zwar soll er sich mit der „Weiterentwicklung“ der Rechtschreibung befassen, jedoch nur „im unerlässlichen Umfang“.

Regelwerk wird für unverständlich gehalten

Das Werk als solches infrage zu stellen, ist ihm also nicht erlaubt. Dabei sehen viele Lehrer und Fachwissenschaftler einen maßgeblichen Grund für die mangelnde Akzeptanz der neuen Rechtschreibung gerade darin, dass das Regelwerk unverständlich und widersprüchlich sei. Peter Eisenberg macht deutlich, was dies in der Schulrealität bedeutet: „Die Lehrer wissen teilweise nicht, warum eine bestimmte Regel gelten soll. Deshalb können sie das Regelwerk den Schülern auch nicht anschaulich vermitteln.“

Überdies wird die sperrige Textfassung der Regeln als Ursache dafür angesehen, dass der Duden erstmals seit Jahrzehnten davon absieht, die geltenden Regeln in seinen neuesten Auflagen abzudrucken. Darum hatte der Rat 2010 beschlossen, einen „Paralleltext“ zu den amtlichen Regeln zu verfassen, der „halb so lang und doppelt so verständlich“ (Eisenberg) wie der des vorliegenden Regelwerks sein sollte. An der Ausarbeitung war Peter Eisenberg maßgeblich beteiligt, der nun berichtet, dass das zentrale Kapitel zur Groß- und Kleinschreibung auch bereits einvernehmlich abgesegnet sei.

Vor Beschlussfassung über den zweiten Komplex, die Vereinfachung der Kommaregeln, aber legten sich laut Eisenberg „Beharrungskräfte“ im Rat quer, weil sie eine Aufweichung der Reform im Ganzen befürchteten. Die Arbeit an der Vereinfachung wurde auf Ratsbeschluss eingestellt. Für den Potsdamer Linguisten war damit einer weiteren Zuarbeit der Boden entzogen. Seinerseits stellt sich der Rat nun den Auftrag, erneut zu prüfen, wo die Schwachstellen des amtlichen Regelwerks liegen.

Rücknahme von 17 „Verdeutschungen“

Frühere Prüfungen dieser Art sind langwierig und überwiegend ergebnisarm verlaufen. Ein Musterbeispiel hierfür ist die Zulassung von drei Neuschreibungen und die Rücknahme von 17 „Verdeutschungen“ von Fremdwörtern im Jahr 2010. Dabei wurden ernsthaft Varianten diskutiert, die eher als Scherz empfunden werden mussten: So sollte unter anderem „Fassette“, „Kabrio“, „Krem“, „Scharm“, „Schose“, „transchieren“ geschrieben werden dürfen, ohne dass der Schüler Fehler angestrichen bekam.

Charakteristisch für die Leistungskraft des Rechtschreibrates sind die folgenden Daten. Um in gründlicher „wissenschaftlicher Einschätzung“ festzustellen, dass derlei Schreibweisen kaum verwendet werden, brauchten die Hüter der Rechtschreibung in Kommission und Rat von 1996 bis 2010.

Noch ernüchternder ist eine zweite Bilanz: Nach der Stornierung von Eisenbergs „Paralleltext“ bleibt die oben genannte Liste der 20 Wörter die einzige vorzeigbare Leistung des Rechtschreibrates in sieben Jahren. Dem steht eine beachtliche Reisebilanz gegenüber, die die Mitglieder unter anderem bis nach Eupen, Wien und Südtirol geführt hat.

Welt.de 13.11.2013

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Sigmar Salzburg
20.05.2013 20.41
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Ein fast ehrliches Eingeständnis des völligen Versagens der Politiker!

[Donaukurier:]

„Die Rechtschreibreform ist kein Ruhmesblatt“

Ingolstadt (DK) Der CSU-Politiker Hans Zehetmair gehörte von 1986 bis 2003 als Minister dem Regierungskabinett in Bayern an. Über viele Jahre hinweg verantwortete er das Schulwesen in Bayern. Nach dem Ende seiner aktiven politischen Laufbahn übernahm der heute 77 Jahre alte Erdinger den Vorsitz im Rat für deutsche Rechtschreibung, den die Kultusministerkonferenz nach den Turbulenzen um die Rechtschreibreform 2004 gegründet hatte. Seit neun Jahren ist er auch Vorsitzender der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Herr Zehetmair, als Vorsitzender des Rates für deutsche Rechtschreibung beschäftigen Sie sich mit den Folgen und Nachwirkungen der Rechtschreibreform. Macht das Spaß?

Hans Zehetmair: Spaß? Nein. Diese Aufgabe habe ich mir bestimmt nicht gewünscht. Das ist eher ein Bußgang für mich.

Ein Bußgang?

Hans Zehetmair: Im Rückblick muss man sagen, dass die Rechtschreibreform kein Ruhmesblatt war und ist, weder für die Politik noch für die Wissenschaft. Der Fehler der Politik war, dass wir uns mit dieser Reform nicht befasst haben.

Obwohl Sie als langjähriger bayerischer Kultusminister selbst daran beteiligt waren?

Hans Zehetmair: Ich bin froh, dass Sie diese kritische Frage stellen. Ja, ich schließe mich da nicht aus. Ich habe das Thema genauso wenig geliebt wie die anderen 16 Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb haben wir die Wissenschaftler einfach machen lassen. Als dann die ersten Zwischenberichte vorlagen, habe ich als einsamer Rufer in der Wüste gesagt, dass ich nicht mitmachen werde. Aber insgesamt, diesen Vorwurf muss ich mir heute machen, habe ich mich zu wenig um die Reform gekümmert.

17 Kultusminister [?] scheren sich nicht um eine Jahrhundertreform der deutschen Sprache? Eine abenteuerliche Vorstellung, oder?

Hans Zehetmair: Ich glaube, die Bürger haben das damals auch gespürt. Deshalb waren die ganze Wut und Empörung so groß, die 2002 und 2003 in der Gesellschaft hochkamen. Die Ministerpräsidenten Wulff in Niedersachsen und Stoiber in Bayern haben dann gesagt, dass sie nicht mitmachen und die ganze Reform rückgängig machen würden. Das ging aber nicht, weil die Wörterbücher schon gedruckt waren und weil in den Grundschulen bereits die reformierte Rechtschreibung gelehrt wurde. [???]

Wie ging es weiter?

Hans Zehetmair: Die Kultusminister der Länder baten mich 2004, den Vorsitz zu übernehmen für einen neu zugründenden Rat für deutsche Rechtschreibung. Die Aufgabe war, die Reform zu reformieren. Ich fühlte mich verantwortlich, das Ganze wieder so hinzukriegen, dass auch die gewöhnlichen Sprachnutzer sich wieder mit dem Deutschen identifizieren konnten und wollten. Also habe ich mich daran gemacht. Es war eine mühsame Prozedur. Ich musste bei Beschlüssen zwei Drittel Mehrheit bekommen von 40 Mitgliedern des Rates.

Wie sieht die Arbeit des Rates aus?

Hans Zehetmair: Wir haben uns in den ersten Jahren sechs- bis achtmal im Jahr getroffen, heute kommen wir jedes Jahr zwei oder dreimal zusammen. Wir mussten die Reform so zurückzuschrauben, dass gewöhnliche Leute damit etwas anfangen können. Das war nicht einfach, wenn man als Politiker den hochgebildeten Leuten im Rat sagen muss, dass man auch von der breiten Masse verstanden werden muss und dass man die, die noch schreiben und Bücher oder Zeitungen lesen, nicht missachten darf.

Können Sie Beispiele nennen?

Hans Zehetmair: Nehmen wir das Komma. In der ersten Fassung der Reform waren die Satzzeichen völlig ausgemerzt. Die schwierigste Aufgabe für mich war, im Rat einen Stimmungsumschwung herbeizuführen. Einzugestehen, dass man doch zu weit gegangen ist, fällt nicht nur Politikern schwer, sondern auch Wissenschaftlern.

Umso erstaunlicher ist Ihre Offenheit.

Hans Zehetmair: Es geht nicht anders. Natürlich gibt es ältere Bürger, die einfach keine Lust haben, sich an die neuen Regeln zu gewöhnen. Kaiser Wilhelm hat Anfang des 20. Jahrhunderts auch gesagt, dass er die damals neue Rechtschreibung nicht anwenden werde, und er hat das auch nicht getan. In erster Linie geht es um die jungen Menschen, für die brauchen wir einheitliche Schreibregeln, ob in der Schule, in der Arbeit oder beim Umgang mit Behörden.

Manche Schriftsteller wie Hans Magnus Enzensberger oder Christoph Ransmayr schreiben weiter nach den alten Regeln.

Hans Zehetmair: Das macht nichts. Ich meine, es muss nicht alles uniformiert werden wie etwa in Österreich, wo in der Schule grundsätzlich nur Bücher besprochen werden, die in der neuen Rechtschreibform vorliegen.[!!!] Die Sprache ist ein Gebilde, das lebt und das sich verändert. Streit gibt es heute nur noch um die Fehlerquelle im Gebrauch von „dass“ und „das“. Wir als Bayern können das leicht mit einer Eselsbrücke überbrücken: Wenn man statt das auch des sagen kannst, dann ist es ein einfaches s. Beispiel: I woas, dass des richtig ist.

Haben Sie auch dazu beigetragen, die Zeitungen zu befrieden? Die Frankfurter Allgemeine zum Beispiel hat lange Widerstand geleistet.

Hans Zehetmair: Ich war damals bei den Herausgebern der FAZ und habe rasch bemerkt, dass auch in der Spitze ein Kampf um die Rechtschreibung entbrannt ist. Erst ist der „Spiegel“ eingeschwenkt auf die neuen Regeln, dann sind die anderen gefolgt. [???]

Die „FAZ“ weigert sich aber auch heute noch, Stengel mit ä zu schreiben.

Hans Zehetmair: Zu Recht! Der Stängel gehört zu den Fällen, die wir noch korrigieren müssen. Auch die Kleinschreibung von du und dir in der direkten Anrede war so ein Fall. Ich habe damals im Rat gesagt, das sei ein persönliches Anliegen von mir, dass sie wenigstens durchgehen lassen, in Briefen und vertraulichen Kontakten das Du und Dein weiter großschreiben zu können. Das habe ich Gott sei Dank durchgesetzt.

Was von den Regeln der Rechtschreibreform tut Ihnen heute noch weh?

Hans Zehetmair: Nicht mehr viel. Sogar mit den Trennungsregeln habe ich meinen Frieden gemacht. Dass man Fenster jetzt auch Fens-ter trennen kann, damit kann ich leben. Ebenso, dass man Schifffahrt mit drei f schreibt. Die Lautfärbungen tun mir noch weh, also Stängel oder Gämse. Daran arbeiten wir.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, die Uhr wieder zurückzudrehen: Würden Sie das tun?

Hans Zehetmair: Ich habe mich so lange und so intensiv mit der Reform beschäftigt, dass es mir davor grauen würde, alles wieder auf Null zu stellen.[!!!] Ich würde sagen, 100 Jahre nach der letzten Rechtschreibreform war es an der Zeit, die Orthografie fortzuschreiben. Dass die Politik das Thema an sich gezogen hat, das sollte sich aber nie mehr wiederholen. Das ist nicht Aufgabe der Politik, und dafür ist sie auch nicht kompetent.

Bei zahlreichen Schreibweisen sind zwei Varianten zugelassen. Da fragt man sich, ob solche Konzessionsentscheidungen letztlich der Sprache nicht eher schaden.

Hans Zehetmair: Wir sollten froh sein, dass wir in diesen Fällen die Wahl haben. Es war der einzige Weg, bestimmte Schreibweisen überhaupt durchzubringen. Ich glaube, wir haben die Reform inzwischen ganz gut hinbekommen.[???] Ich sorge mich viel mehr darum, dass die Leute überhaupt noch richtig schreiben und nicht nur Wortfetzen wie beim Twittern benutzen.

Heute haben mitunter selbst promovierte Akademiker Mühe, fünf Sätze nacheinander ohne Kommafehler hinzukriegen. Was läuft da falsch?

Hans Zehetmair: Das ist nicht eine Folge der reformierten Rechtschreibreform, dafür ist die noch zu jung. Ich denke, es liegt daran, dass sich viele Lehrer in der Schule nicht mehr so um eine saubere Orthografie kümmern. Dieses Vernachlässigen der Rechtschreibung, auch schon in der Grundschule, trägt irgendwann schlechte Früchte. Ich habe vor Kurzem selber eine Magisterarbeit korrigiert, als Zweitkorrektor. Die Arbeit hatte so erhebliche Rechtschreibmängel, dass ich sie der jungen Lehrerin zurückgegeben habe. Wo kommen wir da hin, wenn schon die Lehrer nicht mehr wissen, an welche Stelle man ein Komma setzt?

Das Interview führte Gerd Schneider.

donaukurier.de 17.5.2013

[Wegen meiner noch andauernden Schreibbehinderung habe ich mich auf einige Frage- und Ausrufezeichen im Text beschränkt.]

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Sigmar Salzburg
24.03.2013 18.19
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Nur unabhängige Sachverständige zulassen!

Die Pharmaindustrie soll Leitlinien beeinflusst haben

Für Pharmafirmen sind Leitlinien ebenfalls wichtig: Sobald ein neues Medikament darin aufgenommen wird, „sind hohe Umsätze garantiert“…
Ein großes Problem war auch die fehlende Unabhängigkeit der Autoren. Empfehlung des IQWiG [Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen]: „Personen mit bedeutsamen Interessen hinsichtlich der beurteilten Therapien und Methoden sollten aus Leitliniengruppen generell ausgeschlossen werden.“
spiegel.de 24.3.2013

Nach dieser Empfehlung müßten die meisten Mitglieder des Rechtschreibrates ausgeschlossen werden. Aber die tun ja sowieso nichts mehr. Sie haben ihr Ziel, die wichtigsten Abtrünnigen heim ins Reich der Reformen zu locken, längst erreicht.

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