Carlo Ginzburg
Der Käse und die Würmer
Die Welt eines Müllers um 1600
Aus dem Italienischen von Karl F. Hauber.
Wagenbach Taschenbuch 2011, 7. Auflage
208 Seiten, 11,90 €

Verlagswerbung:
Carlo Ginzburg rückt hier erstmals die Mentalität und das Weltbild eines Individuums ins Zentrum. Ein zentrales Buch der neueren Geschichtsschreibung.
Das Buch erzählt die Geschichte des Müllers Menocchio, der 1584 vor der Inquisition bekennt: »Ich habe gesagt, dass, was meine Gedanken und meinen Glauben anlanget, alles ein Chaos war, nämlich Erd’, Luft, Wasser und Feuer durcheinander. Und jener Wirbel wurde eine Masse, gerade wie man den Käse in der Milch macht, und darinnen wurden Würm’, und das waren die Engel.«
Ginzburg nimmt die Erzählungen des Müllers nicht nur ernst, sondern er rekonstruiert mit ihnen eine ganze Vorstellungswelt: die der vermeintlich illiteraten Unterschicht...
Keine Angst! Das Buch ist 1990 als Wagenbach-Taschenbuch erschienen und wurde auch noch in der 7. Auflage unverändert in der ästhetischen Kulturrechtschreibung gedruckt. Lediglich auf S.139 ist zu lesen:
Sieben oder acht Jahre vorher ... hatte Menocchio ausgerufen: »Wenn Christus Gott gewesen wäre, wäre er einer gewesen ..., der sich ans Kreuz hätte schlagen lassen.« »Er äußerte sich nicht darüber, was Christus gewesen ist«, fügte der Wirt hinzu, »aber ich verstand, daß er sagen wollte, Christus sei ein Tollpatsch gewesen, um dies häßliche Wort zu sagen...«
(Man sieht, wie notwendig eine Reform der herkömmlichen Tolpatsch-Schreibung war!)
Domenico Scandella, genannt Menocchio, geboren etwa 1530, Müller in Montereale in Friaul, konnte lesen, reden und seine eigenen Gedanken zur Religion nicht für sich behalten. Diese sind in den gut erhaltenen Prozeßakten des Inquisitionstribunals dokumentiert, das ihn 1584 zu lebenslänglich Kerker verurteilte. 1586 wurde er unter Auflagen begnadigt, aber 1598 wieder von der Inquisition ergriffen:
Das Oberhaupt der katholischen Welt, der Papst Clemens [der Milde] VIII. in Person, wandte sich zu Menocchio hinab, der ein krankes Glied am Leibe Christi geworden war, um seinen Tod zu fordern. In den gleichen Monaten ging in Rom der Prozeß gegen den ehemaligen Mönch Giordano Bruno zu Ende...
Widerstand gegen so starke Pressionen zu leisten war unmöglich: Und kurz danach wurde Menocchio getötet. Wir wissen es mit Sicherheit aus der Aussage eines gewissen Donato Serotino, der am 6. Juli 1601 dem Kommissar des Inquisitors von Friaul sagte, er habe sich in Pordenone befunden, kurz nachdem »durch das Inquisitionsgericht ... Scandella hingerichtet worden« war...
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