Archäologische Forschung ist heute im Nahen Osten kaum noch möglich.
Man bearbeitet jetzt die riesigen Bestände früherer Funde in den westlichen Museen. Zwei neue Übersetzungen alter Keilschrifttafeln sind darunter bemerkenswert:
Angelika Franz schreibt im Spiegel-Blog über die Mathematik der Babylonier:
Ohne Frage, die Babylonier waren hervorragende Astronomen. Die Mathematik, dacht[e] man bisher, diente ihnen dabei lediglich als Hilfswissenschaft als Nutztier für die höheren Sphären der Astronomie. Neue Erkenntnisse zeigen, es könnte ihnen auch einfach Spaß bereitet haben... Darauf lassen zumindest die Fragmente von zwei neu übersetzten Tontafeln aus dem Bestand des British Museums in London schließen. In der aktuellen Ausgabe des Journal of Cuneiform Studies stellt Mathieu Ossendrijver, Professor für Wissenschaftsgeschichte der Antike an der Berliner Humboldt-Universität, die Zahlenzaubereien aus der spätbabylonischen Zeit (450 bis 200 v. Chr.) vor...
Schon der erste dieser beiden Rechentürme ist beeindruckend: Er beginnt mit jener Zahl, die im Dezimalsystem 946 entspricht. Doch richtig virtuos wird es in der zweiten Tabelle. Deren Ausgan[g]szahl würden wir im Dezimalsystem als 911 mal 1239 darstellen: eine Zahl mit 30 Stellen. Das macht sie zur längsten bekannten Zahl, die jemals in Keilschrift notiert wurde, schreibt Ossendrijver. Nur warum ein Babylonier sich hinsetzte und die ellenlange Zahl immer wieder dividierte, wird schwer herauszufinden sein...
Der Aufruf von Bel und Beltiya [Herr, Herrin] am Anfang der Berechnungen spricht dafür, dass auch der Verfasser dieser Matheaufgabe im Dienste [des Gottes] Marduks stand. Wo genau die Tafeln gefunden wurden, lässt sich auch nicht mehr nachvollziehen. Sie stammen aus der so_genannten Babylon-Sammlung des British Museum, die weltweit grösste und wichtigste Sammlung für spätbabylonische Astronomie und Mathematik.
spiegel.de 27.7.2014
Die “Welt” schrieb kürzlich von der Entdeckung einer Vorform des Adam- und Eva-Mythos, die 800 Jahre älter als die Bibel ist. Auch dies stammt von einer Tontafel, die bereits 1929 gefunden wurde:
Wie die Alttestamentlerin Marjo Korpel und der Altorientalist Johannes de Moor von der Protestantischen Theologischen Universität Amsterdam in ihrem neuen Buch Adam, Eve and the Devil berichten, wurde die Erzählung in der nordsyrischen Hafenstadt Ugarit aufgezeichnet. Dieser reiche Stadtstaat wurde um 1200 v. Chr. von Invasoren, möglicherweise den sogenannten Seevölkern*, vernichtet. In den Ruinen entdeckten Archäologen um 1928 zahlreiche Schrifttafeln. In einer semitischen Sprache geschrieben, markieren sie den Übergang von der Silbenschrift zur Alphabetschrift, aus der dann das Phönizische und später noch das Griechische [nur das Alphabet!] hervorgehen sollten...
Zahlreiche Texte aus Ugarit enthalten Mythen und sagenhafte Erzählungen, die von Korpel und de Moor neu übersetzt und erstmals im Zusammenhang interpretiert wurden. Dabei stießen die Forscher auf einen Text aus dem 13. Jahrhundert, in dem ein Gott mit einem bösen Widersacher kämpft.
El soll die Menschheit retten
Der gute Schöpfergott El lebt mit seiner Frau Asherah in einem paradiesischen Garten. Ungemach kommt mit dem bösen Gott Horon, der vom Berg der Götter verbannt wurde und auf Rache sinnt. Dafür verwandelt er den Baum des Lebens, der in Els Garten steht, in einen Baum des Todes und verhüllt die Welt mit giftigem Nebel. Als El das Leben auf der Erde erneuern will, stellt sich ihm Horon in Form einer großen Schlange in den Weg. Ihr Biss nimmt El die Unsterblichkeit. Indem El aber mit seiner guten Frau Nachkommen zeugt, überwindet er den Fluch und gewinnt eine Art von Unsterblichkeit zurück. El alias Adam war in dieser Urversion also zunächst eine Gottheit. In dieser Urversion trägt auch Eva keinerlei Schuld, erklärt Marjo Korpel.
welt.de 20.5.2014
El ist der Name des altsemitischen Gottes, der auch in Allah erkennbar ist. Seine Gattin Aschera ist aus der Bibel dadurch bekannt, daß ihre Verehrung verboten und fortan die Vernichtung ihrer Heiligtümer eifrig betrieben wurde.
Als Gott seiner Ehefrau müde geworden war, tat er, was Männer heute in der gleichen Situation auch tun würden: Er nahm sich einen Anwalt. Der Anwalt hieß Hosea und er lebte im 8. Jahrhundert vor Christus in Israel, dem nördlichen der beiden hebräischen Königreiche. Der Scheidebrief, den Hosea im Namen seines mächtigen Mandanten ausstellte, ist in den Prophetenbüchern der Bibel überliefert: Sprecht das Urteil über eure Mutter. Sie sei nicht mein Weib und ich will sie nicht haben [... eine Hure]" übersetzte Luther die entsprechende Stelle (Hosea 2,4).
welt.de 23.12.2012
Es handelt sich also um eine sexistische „Gottesreform“, die in bestem Deutsch der „Rechtschreibreform“ die alten Götterbilder grau erscheinen läßt:
Auch die Höhen, die östlich von Jerusalem waren, zur Rechten am Berge des Verderbens, die Salomo, der König von Israel, gebaut hatte der Astarte [=Aschera], dem gräulichen Götzen von Sidon, und Kemosch, dem gräulichen Götzen von Moab, und Milkom, dem gräulichen Götzen der Ammoniter, machte der König unrein. Und er zertrümmerte die Gedenksteine und hieb die Ascherim um und füllte ihre Stätte mit Menschenknochen.
2.Kön. 23,13
Inzwischen meiden die Reformübersetzungen die Anhäufung von Gräulichem.
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