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Sigmar Salzburg
03.02.2019 05.33
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Alter Sinn und moderner Unsinn

Vor über 300000 Jahren haben Urmenschen, wohl vom Typ Homo heidelbergensis, mutmaßlich Vorfahren der Neandertaler, die Gegend um Schöningen in Niedersachsen durchstreift und acht Speere hinterlassen. Sie sind durch außergewöhnliche Umstände erhalten geblieben und damit die ältesten bekannten Holzwaffen überhaupt. Jetzt ist an Nachbildungen festgestellt worden, daß sie in Formgebung und Gewichtsverteilung optimal waren. Unsere Vettern (nicht „Vorfahren“) hatten aber auch schon die gleiche Zeit zum Üben. BILD meldet:

Schöninger Speere im Praxistest
Unsere Neandertaler waren Spitze
Forscher des University College London untersuchten Altsteinzeit-Waffen


London/Schöningen (Niedersachen) – Von wegen primitiv: Britische Forscher haben herausgefunden, dass unsere Vorfahren, die Neandertaler, technologisch extrem geschickt waren!
Wissenschaftler des University College London (UCL) nutzten dabei die Schöninger Speere. Die acht Waffen aus Fichten- und Kiefernholz wurden vor 20 Jahren bei Ausgrabungen im Braunkohletagebau Schöningen (Kreis Helmstedt) gefunden, seit 2013 im Forschungs- und Erlebniszentrum Paläon ausgestellt...

Paläon-Kurator Felix Hillgruber: „Die Studie erlaubt uns, ein besseres Bild von der Vergangenheit zu zeichnen.“

Und vielleicht kommen jetzt ja auch ein paar mehr Besucher ins Paläon, das wegen Gäste-Mangels zum Millionengrab wurde.

bild.de 31.1.2019
Und da wird auch schon der Unterschied unserer heutigen Politiker und sonstigen Wichtigtuer zu unseren urmenschlichen Verwandten deutlich: Mit bescheidenen Mitteln erkämpften die sich ihren Lebensunterhalt, während sich unsere Politiker 15 Millionen Euro genehmigen für ihr eigenes Denkmal, das in Form und Material aussieht wie ein riesiges gelandetes Raumschiff.


Paläon Schöningen

Von denselben Schweizer Architekten wurde auch das Museum von Nebra für die bekannte Himmelsscheibe entworfen. Offensichtlich hatten die Politiker und Preisrichter den gleichen Hang, das schlichte Gerät in einem überdimensionalen Sciencefiction-Palazzo-Prozzo hervorzuheben und sich damit wichtig zu machen.


Arche Nebra

Wie anders ist dagegen das Schleswiger Haithabu-Museum, das sich bescheiden in die Landschaft einordnet und sich bemüht, durch Auflösung in verschiedene bootshallenartige Gebäudeteile die inzwschen rekonstruierten Hütten von Haithabu nicht zu übertrumpfen.


Foto: Siegbert Brey (Wiki)

Wikingermuseum Haithabu (Copyright Landesmuseen)
Bei Bekanntwerden des Neubauprojektes [Paläon] 2009 kam es zu Zweifeln an der Rentabilität und den zu erwartenden Besucherzahlen, auch wenn die Funde an sich von Forschern für die „Kronjuwelen niedersächsischer Archäologie“ gehalten werden. Der Bund der Steuerzahler und einzelne Politiker kritisierten den Neubau als „Geldverschwendung“.
wikipedia
Nun, ähnliches hatte erfolglos der Bund der Steuerzahler auch bei der nichtsnutzigen Rechtschreib„reform“ beanstandet, deren Kosten er auf das Tausendfache der beiden Museumsbauten geschätzt hatte. Das hat die Politiker in ihrem geschmacklosen Geltungsdrang nicht aufhalten können.

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Sigmar Salzburg
04.12.2018 07.31
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Pompeji

Im Rahmen der Lesereihe der Kieler Antikenfreunde hatten wir den Genuß, den seit einem Jahr amtierenden Custos der Antikensammlung der Kunsthalle Kiel, Dr. Manuel Flecker, über die Stadtentwicklung Pompejis und seine eigenen Forschungen am Ort hören zu dürfen. Besonders informativ wurde dies durch die Projektion zahlloser Stadt- und Hausgrundrisse und Ansichten des gegenwärtigen Zustandes mit zugehörigen Rekonstruktionszeichnungen. Es ging vor allem um die Entwicklung des pompejanischen Hauses und der Badanlagen.

Pompeji entstand seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert aus Ansiedlungen der umliegenden oskisch-umbrischen Bevölkerung, wohl auch unter etruskischem Einfluß. Bis 80 v. Chr, wurde die Selbständigkeit durch eine Stadtmauer gesichert. Dann wurde die Stadt unter Sulla gewaltsam dem römischen Staat eingegliedert und Tausende Veteranen zusätzlich angesiedelt. Die Oberschicht überbaute die Stadtmauer teilweise mit ihren Villen. Es gab aber auch „insulae“, Mietshäuser mit Obergeschoß („Geschooß“ lt. Flecker), für deren Vermietung in den Grafitti sogar noch zwei Anzeigen überliefert sind.

Die Entwicklung des Stadthauses und der privaten und der drei bis vier öffentlichen Bäder wurde ausführlich dargestellt. Ein Wasserleitungssystem aus Bleirohren mit Ventilen wurde vorgeführt, ebenso die allgemeine Wasserversorgung, die an öffentlichen Plätzen jedem den Zugang zu Frischwasser aus den an die Stadt herangeführten Aquaeducten ermöglichte.

Dr. Flecker erläuterte auch die Entwicklung der Stile der Wandfresken von der Mauerwerksimitation bis zur monumentalen Alexanderschlacht aus Millionen von Mosaiksteinen nach griechischer Vorlage. Auch erotische Darstellungen in privaten Gemächern gab es, deren Funktion aber unklar blieb.

Aufschlußreich war auch die Dokumentation früherer Wanddurchbrüche zur Antikengewinnung seit 200 Jahren, deren eine in Herculaneum durch einen Bergingenieur sogar die Lage der Fundstücke aufzeichnete, eine Ausnahme in früher Zeit. Insgesamt zeigt sich schon am Beispiel einer römischen Kleinstadt, daß die Kunst und technische Zivilisation auch 1400 Jahre später kaum wieder einen Gleichstand erreichte.

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Sigmar Salzburg
29.10.2018 13.36
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Wilhelm Lehmann in Eckernförde

Ausstellungseröffnung am 28.10.2018

Unter dem Titel „Der Wanderer und der Weg“ wird im städtischen Museum in Eckernförde des 50. Todestages des Schriftstellers und Dichters Wilhelm Lehmann am 17. September 1968 in einer Austellung gedacht. Lehmann, Sohn eines Lübecker Kaufmanns, 1882 in Porto Cabello, Venezuela, geboren, hatte es 1923 nach Eckernförde verschlagen, wo er als Lehrer seinen Lebensunterhalt sichern mußte, weil er sonst nie viele Leser hatte.

Dr. Beate Kennedy von der Wilhelm-Lehmann-Gesellschaft zeichnete kurz seinen Lebensweg und zitierte eine Bemerkung Lehmanns: „Alle meine Arbeiten sind unter freiem Himmel entstanden“, womit er seine Naturlyrik erklärte. Auf Betreiben Alfred Döblins erhielt er schon 1923 zusammen mit Robert Musil den Kleist-Preis.

Anschließend las der Schauspieler und Essayist Hanns Zischler Lehmanns Erzählung „Die Kastanien“ von 1939, die den gegenseitigen Austausch zweier Einzelgänger, Weishaupt und Oldenstedt, beschreibt. Darauf folgte als Abschluß zweimal das Gedicht „Der Dank“.

Die ausgestellten Autographe spiegeln auch den orthographischen Wandel der Zeit wider, von traditioneller Kurrentschrift über die ß-losen Lateinlettern hin zu der anerkannten und bewährten Traditionsrechtschreibung, wie Lehmann sie auch seinen Schülern beibrachte.

Eine biograpische Notiz von 1932 in Schreibmaschinenschrift enthielt die Wörter „anstoßende Handlung“, „Grossvater“, „riß“, „verließ“, „große Dichtungen“. In einem Gedicht liest man „Der Rauhreif läutet, die Hecken eilen.“ 1965 schreibt er „Laß nicht den Tod das Ende sein.“

1923 schrieb ihm Alfred Döblin: „Wissen Sie, daß Ihre Bücher auf meinem Regal in der Ehrenreihe stehen, unter den Büchern, nach denen ich immer greife, um in ihnen zu blättern, zu schlürfen, hier einen Tropfen, da einen Tropfen?“

Siehe auch hier, da und dort. Zeitungsbericht: shz 28.10.2018

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Sigmar Salzburg
17.10.2018 05.47
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Schreiben in der Antike und im „jüdisch-christlichen“ Abendland

Ein neuer Fund widerlegt nach Angaben von Experten die bisherige Annahme, wonach die berühmte Römerstadt Pompeji bei einem Vulkanausbruch am 24. August des Jahres 79 vor Christus unterging. Archäologen stießen in den Überresten eines Hauses auf die Inschrift eines Arbeiters, die vom „16. Tag vor den Kalenden des November“ datiert, wie Ausgrabungsleiter Massimo Osanna berichtete – das heißt vom 17. Oktober und damit zwei Monate nach dem bislang als Tag der Katastrophe vermuteten Datum.

Bislang gingen Forscher auf der Grundlage zeitgenössischer Berichte und archäologischer Funde davon aus, das Pompeji und die nahe gelegene Stadt Herculaneum am 24. August 79 vor Christus bei einer gewaltigen Eruption des Vulkans Vesuv verschüttet wurden. Allerdings deuteten laut Ausgrabungsleiter Osanna bereits im 19. Jahrhundert in den Ruinen gefundene versteinerte Herbstfrüchte auf ein späteres Datum hin.

spiegel.de 17.10.2018, ausführlicher: spektrum. de 18.10.2018

Noch etwas anderes zeigt die gefundene Inschrift, wenn die Vermutung richtig ist, ein Arbeiter sei der Urheber gewesen: Selbst Arbeiter und Huren konnten im Imperium Romanum schreiben. Dreihundert Jahre später, am 28. Februar 380, erklärte der Kaiser Theodosius den Wunderglauben einer kleinen, noch recht konfusen und zerstrittenen Sekte, des Christentums, zur Staatsreligion. Weitere dreihundert Jahre nach diesem Sieg war das Schreiben und Lesen eine Ausnahmefähigkeit in Europa.

Noch um 1200 war sie auch in der Oberschicht selten: »Ein ritter sô gelêret was, daz er an den buochen las« (Hartmann von Aue). Renaissance und Reformation beflügelten zwar die Alphabetisierung, aber erst die folgende „Aufklärung“ erreichte allmählich wieder die geistige Freiheit der antiken Philosophen.

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Sigmar Salzburg
28.09.2018 09.27
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Eröffnung Neue Frankfurter Altstadt

Die Zerstörung der alten deutschen Städte durch die alliierten Bomberflotten war ein militärisch sinnloses Kriegs- und Kulturverbrechen. Das „Moral Bombing“ zur Demoralisierung der Bevölkerung bewirkte eher das Gegenteil.

Die linken Modernisten im Gefolge des Architektur-Revoluzzers Le Corbusier (übrigens ein Faschistenfreund), die ähnliches schon gefordert hatten, fanden nun endlich die ersehnten Freiflächen, um ihre Wohnmaschinen und autogerechten Straßen zu verwirklichen.

Ungläubig hörten wir daher in den Sechzigern an der Architekturabteilung Hannover, daß die Polen in der usurpierten Stadt Danzig die Altstadt fassadengetreu wiederaufgebaut hätten.

In Deutschland erfolgten noch weitere Abrisse, im Osten aus Ideologie, im Westen außerdem aus Raffgier. Als in Frankfurt der Frankfurter Römer nachgebaut wurde, empörte sich der Architekturkritiker (und Musikwissenschaftler) Manfred Sack, daß sich Architekten „für derlei hergeben“. (Beim Nachspielen der Musik Mozarts und Bachs hatte er diese Bedenken wohl nicht).

1981 sah ich noch Bäume aus den Fenstern der Ruine der Alten Frankfurter Oper sprießen, die der Dynamit-Rudi, SPD-OB Arndt, hatte wegsprengen wollen. Zwei Jahre später konnte ich an der ersten Musikaufführung dort mitwirken.

Nun ist seit heute die Neue Altstadt Frankfurt eröffnet, die das frühere Aussehen der Häuser hinter dem Römer annähernd wiedergibt. Den mühsamen Kampf dahin beschreibt der einstige FFB-Vorsitzende Wolfgang Hübner, während die „Junge Freiheit“ einen aufschlußreichen Video-Bericht dazu liefert.


https://youtu.be/lIlLF3yX5ak

Die „Junge Freiheit“ zeigt in der orthographischen Gestalt ihrer Druckausgabe zugleich, wie viel einfacher es wäre, auch in der Rechtsschreibung das Altbewährte wiederherzustellen, das von den Ideologen und Fortschrittsfanatikern zerstört wurde.

Dazu bei Tichy von Thorsten Meyer:
Warum hassen Linke die neue Altstadt?
tichyseinblick.de 27.9.2018

... und von unserem wackeren Dankwart Guratzsch:
Ist Fachwerk faschistisch?
welt.de 23.4.2018


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Sigmar Salzburg
19.09.2018 18.01
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Graffiti in Pompeji

An den Lesestunden des Antikenexperten Peter Petersen, ehemals Lehrer für Griechisch und Latein an der Kieler Gelehrtenschule, nehmen meine Frau und ich möglichst regelmäßig teil. Am letzten Montag erlebten wir wieder eine kenntnisreiche, gut bebilderte und vergnügliche Interpretation von Senecas Epistula moralis 51: Reise nach BAIAE.

Darüberhinaus versorgt Herr Petersen seine Fangemeinde noch per E-Mail mit Literaturtips, wie diesem:

Polly Lohmann, Graffiti als Interaktionsform. Geritzte Inschriften in den Wohnhäusern Pompejis (Materiale Textkulturen Bd. 16, Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 933), De Gruyter Berlin/Boston 2018 (Diss. München 2016), 486 Seiten, 119,95 €, ISBN 978-3-11-057036-6

Open access: Autorin und Verlag haben den grandiosen Titel gratis zum Download online gestellt:
https://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/488442
Ich habe das Buch schon durchgesehen. Es ist (natürlich) in „Reformschreibung“ gehalten, wobei besonders am Anfang die Häufung hypertropher Großschreibung auffällt, z.B. hier als optischer Kategorienfehler, indem das unbestimmte Zählwort „andere“ wie die vorhergenannten Berufe großgeschrieben wird:
Auch einige der pompejanischen Graffiti nennen explizit servi und vernae als ihre Autoren, wie in Kapitel 8.2 zu sehen sein wird, ebenso wie verschiedene Berufsgruppen in den Texten auftauchen, die Lese- und Schreibkenntnisse zumindest in einzelnen Fällen für Weber, Walker, Parfümmacher, Gemmenschneider, Friseure, Ziseleure und Andere belegen.

Von 13 Graffiti im Peristyl der Casa degli Amorini dorati befinden sich elf an den Säulen und nur eine Inschrift an der Westwand. Diese ist, ebenfalls als Einzige [Bezug auf Inschrift!], in griechischen Buchstaben verfasst ...

Würde man den Graffiti als einer Art Wegweisern durch das Haus folgen, passierte man in den Fauces zwei Paar Stiefel, die als antike Graffitizeichnungen einzigartig sind; zwar gibt es, z. B. in Ephesos, vereinzelt Fußabdrücke im Boden, nicht jedoch an der Wand, so dass diese Stiefel eher als Ware in Verbindung mit der nebenstehenden Preisangabe von dreieinhalb Assen stehen.
Hier wurde es spannend: Würde die junge Doktorin für die Einzahl der römischen Münze die reformierte Assschreibung verwenden? Aber es kann Entwarnung gegeben werden:
Dafür machte eine Hedone im Atrium der Casa dell’Orso (VII 2,44–45) klar: „Hedone sagt: Für 1 As trinkt man hier. Wenn du einen Doppelten gibst, wirst du Besseres trinken; und vier, wenn du die gibst, so wirst du Falerner trinken“
Geschenkt, daß viele Wandkritzeleien als „aufwändig“ „platziert“ beschrieben werden. Unterhaltsam deftig sind dagegen die Inschriften der Lupanarien*:
Ohne Namen lassen sich Frauen grammatikalisch kaum im Material fassen, außer z. B. in dem prominenten Fall aus dem bereits mehrfach angeführten Bordell VII 12,18–20:„Hic ego fututa sum.
Das erinnert daran, daß Teil ihres Arbeitsgebietes „Gender Studies“ sein sollen, ohne die heute wohl keine Karriere zu machen ist.– Im Laufe der Jahrhunderte der Freilegung dieser antiken Stätten sind, wie Polly Lohmann nachweist, Unmengen alter Graffiti verwittert und verschwunden. Bei meinem letzten Besuch in Pompeji war auch ich entsetzt, wie wenig geschützt diese Zeichen antiken Lebens waren.

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Sigmar Salzburg
10.09.2018 02.51
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Palmyra

faz.net 6.9.2018 Im September 2008 kam Hans Puttnies nach Palmyra... Er filmte, was er sah und was damals noch jeder sehen konnte ...

Würde Puttnies heute wieder nach Palmyra fahren, fände er fast nichts mehr von dem wieder, was er vor zehn Jahren aufgenommen hat. Das Museum ist verwüstet, die Löwenstatue zerschlagen. Den Baalschamintempel und die Grabtürme haben Handlanger des „Islamischen Staats“ im August 2015 gesprengt, der Hadriansbogen folgte im Oktober.

Vom großen Baaltempel stehen nur noch die Außenmauern und der Torzugang der Cella. Der Tetrapylon an der Kreuzung der Kolonnaden mit der antiken Ost-West-Achse, der dem ersten Vernichtungsfuror entgangen war, wurde bei der zeitweiligen Rückeroberung Palmyras durch den IS im Frühjahr 2017 gesprengt. Die Ruinenstätte, seit 1980 Weltkulturerbe, ist praktisch planiert, der Anblick, den sie einmal bot, eine ferne Erinnerung.
................................................
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/video-filmkritiken/film-ueber-vom-is-zerstoerte-ruinenstadt-palmyra-15771317.html

[Nicht erwähnt:] Die Dschihadisten des IS haben in Palmyra den syrischen Archäologen Khaled Asaad ermordet. Der 82-Jährige hatte ein halbes Jahrhundert lang die Ruinenstadt erforscht... Seine Leiche soll seither an einer der römischen Säulen hängen, die er selbst restauriert hat. [Schuld:] Pflege der „Götzen“ von Palmyra. faz.net 19.8.2015

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Sigmar Salzburg
27.07.2018 05.54
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Bayreuth

»Ich wollt', ich wär' ein Huhn, ich hätt' nicht viel zu tun,
ich legte täglich nur ein Ei und sonntags auch mal zwei.«

Dieses Liedchen des „Meistersextetts, früher Comedian Harmonists“ von 1935 läßt einen neiderfüllt auch an Peter Bartels' Textproduktion denken. Der ehemalige BILD-Chef kann einfach nicht anders, und wo er seinen trivial geschulten Blick hinwendet, kommt ein satirisch-sarkastischer Text heraus, der sogar bei BILD verboten gewesen wäre. Diesmal über das Kulturereignis Bayreuth:

„EINSAM IN TRÜBEN TAGEN …“

Lohengrin grinst: Grüne Wachtel auf dem Grünen Hügel


26. Juli 2018

Thema „Lohengrin“ und Merkel, passt wie Faust aufs Auge.

Von PETER BARTELS | Es ist mal wieder soweit – der Grüne Hügel in Bayreuth bebt. Alles, was sich für was hält, ächzt viereinhalb Stunden auf Wagners harten Stühlen. ‚Bitte vorher Pippi machen‘, fleht Horst Cronauer in BILD. Und: Handy aus, wer nicht sterben will …

Der inzwischen silberne Horst aus der Frankfurter Redaktion warnt jedes Jahr. Er kennt sich aus mit Richard: Bei Wagner darf man nur NACH den Akten klatschen. Nicht, wie bei Verdi die Itaker, mittendrin, weil grad einer so schön geträllert oder geknödelt hat. Klaro, Croni!!

Unter den Nickeseln ist alles, was sich noch Schminken läßt – sogar die ewige Désirée Nick (61) wirkt wie Tau … Gesundheitsminister/In Jens Spahn (38) mit schlaffer Damen-, Ehemann Daniel Funke (36) mit strammer Herren-Fliege, wie es sich halt auch bei spießigen Schwulen gehört … FDP-Chef Christian Lindner (39) extra mit neuer RTL-Franca (28); bei ihm reicht „die Nackenhaare schön“, bei ihr noch Kernseife … Und unser aller Peronje aus Schlesien, der Thomas Gottschalk (68) und seine allzeit tapfere Thea (72); ER die Haare Dreiwettertaft, SIE sogar mit – ungewollt (?) – AfD-blauer Strähne. Guckst Du, Bystron … sag’s dem Gauland, der Weidel!!

Und dann, natürlich, SIE!! Walküre. Klein aber Klotz. Grün? Mighty-Mint! Bis zum Täschchen, zu den Schühchen. Hach, wenn das Antonia¹ keine so fettigen, langen Zotteln hätte … dream couple!! Aber wer weiß?? So jedenfalls mußte Angela (64), die mächtigste Watschel-Wachtel der Welt, mal wieder mit ihrem Prinzgemahl, dem ewig säuerlichen Springer-Prof. Sauer (69), Vorlieb nehmen (Aufsichtsrats-Gehalt: 10.000 Euro! Jahr oder Monat? Eigentlich egal …). [...]

pi-news.net 26.7.2018

Orthogaphieanalyse – 778 Wörter: 2 dass; passt; traditionell: mußte, paßt, läßt; soweit; [Wagner-Zitat: daß, muß]
Der sächsische Komponist und Dichter wollte einst dem ewigen „heiligen Deutschland“ ein Denkmal setzen, wurde zeitweilig als „Führervorbild“ verfemt und hätte sich sicher nicht träumen lassen, daß nun die ewige Kanzlerin der „mehr oder weniger länger hier Lebenden“ routinemäßig zu seinen Weihespielen wallfahrtet.

¹) Anton Hofreiter?

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Sigmar Salzburg
08.05.2018 10.05
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Zufällig gefunden

... von Kadmos will ich singen
Veranstaltung

Wann: 13 Januar 1991
Wo: Abguss-Sammlung Antiker Plastik Berlin – Berlin, Deutschland

Konzert im Rahmen des „Schauplatz Museum ´91“. Alte Texte – Neue Musik.

Da auch die Musik des alten Griechenland bis auf wenige Fragmente verschollen ist, gab es in späteren Zeiten immer wieder Versuche von Komponisten, mit neuen musikalischen Mitteln den Geist der antiken Dichtung wiederherzustellen. Zur Aufführung kommen Werke von Eisler, Fortner, Hindemith, Kodaly, Ravel und Schoeck.
Gottfried Curio (Klavier)

Johanna Daneck (Sopran): geboren 1963, Mitwirkung bei zahlreichen Kirchenkonzerten.
Wilhelm Füchsel (Tenor): geboren 1937, seit 1969 im RIAS – Kirchenchor.

Näheres zu Gottfried Curio hier.

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Sigmar Salzburg
13.01.2018 10.49
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Mozart in „klassischem“ Latein?

Dem Komponisten und Musikologen Moritz Eggert ist möglicherweise eine bedeutsame musikwissenschaftliche Entdeckung gelungen. Das erste Wort in Mozarts Ulk-Kanon „Difficile lectu mihi Mars“ sollte in heutiger philologischer, vermeintlich klassischer k-Lautung des lateinischen „c“ ausgesprochen werden. Dann ergäbe sich eine weitere Frivolität – auf bairisch:

„di fick i, le-leck du mi im oarsch (und) aiern, di fick i ...“
(frei nach nmz.de 8.9.15).
Ob Mozart das schon bekannt war, ist nicht bekannt. Die deutsche Wikipedia bringt darüber nichts, die englische aber einen ausführlichen Artikel (hier bei uns erwähnt), jedoch noch nicht auf diesem letzten Stand. Aber es werden die Umstände geschildert, denen das kleine Werk geschuldet ist:
A tale concerning how the canon was composed and first sung was offered by Gottfried Weber, a musicologist and editor of the early 19th century. In an 1824 issue of Caecilia, the journal he edited, Weber published a facsimile of the original manuscript of the canon (see figure above). In his commentary, Weber included the following.

„Die Geschichte aber ist folgende. Der sonst treffliche Peierl hatte einige wunderliche Eigenheiten der Wortausprache, über welche Mozart in freundlichem Umgange mit ihm und anderen Freunden, oft scherzte. Am einem Abende solchen fröhlichen Beisammenseins kam Mozarten der Einfall, ein Paar lateinische Wörter "Difficile lectu mihi" u.s.w. bei deren Absingen Peierls Aussprache in komischem Lichte hervortreten musste, zu einem Canon zu verarbeiten; und, in der Erwartung, dass dieser die Absicht nicht merken und in die Falle gehen werde, schrieb er gleich auf der Rückseite desselben Blattes den Spottkanon: O! du eselhafter Peierl! . Der Scherz gelang, und kaum waren jene wunderlichen lateinischen Worte aus Peierls Munde in der erwarteten komischen Weise zu allgemeinen Behagen gehört worden, so drehete Mozart das Blatt um, und liess nun die Gesellschaft, statt Applaus, den kanonischen Triumph- und Spottgesang anstimmen: O! du eselhafter Peierl!
Anm.: Peierl, Johann Nepomuk, bayr. Bariton/Tenor, 1761 – 1800.

Der Kanon selbst: https://youtu.be/sTRlabuB64s

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Sigmar Salzburg
10.01.2018 08.42
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Lukrez

Kurz vor dem Ablauf des Jubiläumsjahres 2017 erinnerte die Neue Zürcher Zeitung an die Entdeckung des berühmten materialistischen Lehrgedichts des Lukrez (ca. 99-53 v. J.) – pikanterweise am zweiten Feiertag des christlichen Weihnachtsmärchens.

Die Wiedergeburt eines Atheisten
Sonne, Mond, die Erde: Alles ist zufällig entstanden, aus kleinsten Teilchen. Vor 600 Jahren wurde das bahnbrechende Gedicht «De rerum natura» von Lukrez wiederentdeckt – und gehörte schon bald zu den verbotenen Büchern.
Christoph Lüthy 26.12.2017, 14:26 Uhr

Lukrez zeigt auf die Atome, die im Sonnenlicht tanzen. Abbildung aus der Ausgabe von «De rerum natura» von Thomas Creech (Oxford, 1683). (Bild: PD)

Vor 600 Jahren, im Jahr 1417, entdeckte der Humanist und Manuskriptjäger Poggio Bracciolini in einem nicht namentlich bekannten Kloster in der weiteren Umgebung der damaligen Konzilstadt Konstanz ein ganz besonderes Manuskript. Seine Entdeckung war das verloren geglaubte Lehrgedicht «De rerum natura» («Von der Natur der Dinge») des römischen Dichters Titus Lucretius Carus. Bracciolini liess sich eine Abschrift anfertigen, die nach seiner Rückkehr nach Italien wiederum kopiert wurde. So verbreitete sich dieser antike Text zuerst in der Toskana und in Norditalien, bevor er erstmals in Brescia 1473 und danach mit zunehmender Häufigkeit auch anderswo gedruckt wurde.

Die Philologen reagierten auf den neuen Text zunächst mit Bewunderung, die Humanisten mit Neugierde, die Theologen mit Abscheu. Denn als Anhänger der Schule des griechischen Philosophen Epikur war es Lukrez daran gelegen, dem Leser Gemütsruhe zu schenken und die Furcht vor dem Tod zu nehmen. Diesen Gemütszustand versuchte er zu erzeugen, indem er die Existenz einer unsterblichen Seele wie auch einer strafenden Götterwelt bestritt. Diese doppelte Verneinung führte dazu, dass das Werk des Lukrez vor genau 500 Jahren, im Reformationsjahr 1517, durch die Synode von Florenz als Schullektüre verboten wurde. Die noch ungefestigte Schülerseele durfte diesem Text auf keinen Fall ausgesetzt werden...
nzz.ch 26.12.2018
Heute können wir beurteilen, wie weit die Atom-Hypothese des Demokrit (460-371 v. J.), der Lukrez folgte, dem Wissen der Zeit vorauseilte, nämlich 2200 Jahre. Um 1800 fand John Dalton den mathematisch-physikalischen Hinweis auf die tatsächliche atomare Struktur der Materie in der Proportionalität der Gewichte sich verbindender chemischer Elemente. Lukrez aber vermied den Begriff des „atomon“, des Unteilbaren, sondern sprach nur von „Samen“ – in Anbetracht der Entdeckungen seit 1900 eine weise Vorsicht. Insgesamt ist es erstaunlich, welche Phantasie Lukrez aufwendet, um aus geringen Vermutungen und faktischem Nichtwissen ein großes Lehrgedicht entstehen zu lassen. Den Zusammenhalt der Atome erklärt er, wie Demokrit, aus der Form der Teilchen. Man hätte damals schon auf elektrische Kräfte kommen können, die als Anziehung des geriebenen Bernsteins bekannt waren. So dichtet Lukrez (II/469, in Hexametern):
Scilicet esse globosa tamen, cum svalida constent,
provolvi simul ut possint et laeder sensus.
et quo mixta putes, magis aspera levibus esse
principiis, unde est Neptuni corpusacerbum.
est ratio secernendi seorsumque videndi,
umor dulcis ubi per terras crebrius idem
percolatur, ut foveam fluat ac mansuescat;
linquit enim superataetri primordia viri,
aspera quom magis in terris haerescere possint.
In der Übersetzung von Karl Büchner (Reclam 1973) nach der verbesserten Ausgabe Zürich 1956 liest sich das so:
Kugelig sind sie natürlich, obgleich sie struppig beschaffen,
so daß sie zugleich zu rollen imstand und die Sinne zu reizen.
Und damit du glaubst um so mehr, daß rauhe vermischt sind
glatten Atomen, woraus ist der bittere Körper des Meeres,
so gibt es Mittel und Weg es zu trennen und sehen gesondert,
wenn nämlich öfter durch Erde das süße Wasser geseiht wird,
gleiches, damit in die Grube es fließt und dort wird gefügig;
läßt es zurück oben die Körper abscheulicher Lauge,
während die rauhen mehr zu hängen vermögen im Boden.
Wir sehen, Lukrez versucht, seine Beobachtungen aus Schlammfang und Salzgewinnung mit seiner Atomtheorie in Einklang zu bringen. Leider hat der Bodensatz unserer Kultur, die kulturbanausischen Kultusminister, vierzig Jahre später ätzend eingewirkt, um dem „Rauhen“ sprachgeschichtswidrig und völlig nichtsnutzig sein „h“ zu nehmen – und Google unterkringelt „Rauhes“ volkserzieherisch schon dem, der es nicht ohne „h“ sucht.

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Sigmar Salzburg
04.01.2018 05.51
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Statt altem Deutsch Reformgreuel

Auf der Suche nach frühdeutscher Wissenschaftsprosa dachte ich sogleich an Dürer, fand aber vorerst nur eine Ansammlung moderner Reformgreuel. Die...

Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden • (2006) Heft 1-2
450 Jahre SLUB [Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden]
... beginnt schon mit dem lächerlichsten und spießigsten Einfall der Reformkommission, der Spaltung des Wörtchens „sogenannt“, die renommierte Zeitungen schon lange nicht mehr verwenden (außer „Spektrum“):
Die Dresdner Dürerhandschrift: ein bedeutendes Dokument der Kunst-, Wissenschafts- und Sammlungsgeschichte

Zu den größten Schätzen der Handschriftensammlung der SLUB gehört seit 1768 ein Band, der Albrecht Dürers Reinschrift zu einer geplanten früheren Ausgabe des ersten Buches seiner „Lehre von menschlicher Proportion“ sowie das so genannte Dresdner Skizzenbuch mit zahlreichen Zeichnungen vor allem zur Proportionslehre enthält. Der Beitrag erläutert die Handschrift als Dokument der Entstehungsgeschichte der Dürer‘schen Proportionslehre anhand ausgewählter Seiten und referiert Hypothesen zu ihrer Überlieferungsgeschichte.
Der Apostroph zeugt vom krampfhaften Bemühen der Reformkommission, „Reformbedarf“ ausfindig zu machen. Der folgende Konsonantenkluster fehlte noch in unserer Sammlung der sss-Greuel und wurde nachgetragen.
Am 31. Oktober 1528, erst knapp sieben Monate nach DÜRERS Tod (6. April 1528), war der Druck des Lehrbuches durch HIERONYMUS FORMSCHNEIDER in Nürnberg „auff verlegung“ von DÜRERS Witwe vollendet, wie der Schlussschrift zu entnehmen ist. Ein faszinierendes Dokument für die Entstehungsgeschichte dieses epochalen Werkes der Kunstliteratur und zugleich ein interessantes Beispiel für die Überlieferung des DÜRER’schen Nachlasses ist die Dresdner Dürerhandschrift (Mscr. Dresd. R 147 f).

Es handelt sich um einen heute 228 Blatt starken, goldverzierten Kalbslederband mit den Maßen 30 cm x 21 cm. Der Buchblock besteht aus zwei Teilen von leicht unterschiedlichen Abmessungen:

1) DÜRERS eigenhändiger Reinschrift zum ersten der „Vier Bücher von menschlicher Proportion“ samt Illustrationen (88 Papierblätter – darunter ein Leerblatt – mit den Maßen 28 cm x 20 cm) [1, Bd. 3, S. 164 – 217] und

2) dem so genannten Dresdner Skizzenbuch (140 – davon 32 leere – Papierblätter mit den durchschnittlichen Maßen 29,4 cm x 20,5 cm) [2 bis 4].
Dagegen wird „um so“ nach unerforschlichem Reformerwillen zusammengezwungen, gefolgt von weiteren sss-Greueln:
Einige Pentimenti [Künstlerkorrekturen] bei den Umrisslinien an Brust, Bauch, Kreuz, Fuß und Hand der Seitenansicht sowie in der Hüftgegend der Vorderansicht lassen DÜRERS sorgfältig konstruierende Hand umso deutlicher spüren. Die Seitenansicht, deren horizontale Linien genau mit denen der nebenstehenden Vorderansicht korrespondieren, wurde im Druck 1528 auf eine eigene Seite gestellt, um mehr Platz für die senkrechten Messstrecken und die Beschriftung zur Verfügung zu haben. Dafür wurde die Rückansicht, die in der Dresdner Handschrift die Rückseite des Blattes (Bl. 86v) einnimmt, neben die Vorderansicht platziert....
Die Hauruck-Eindeutschung des frz. placer/plazieren wirkt hier deplaziert. Unerwartet genierlich für die Zeit sind im Original die dialektalen Verfeinerungen für die Drucklegung:
Manche von DÜRERS Bezeichnungen der für die Messung wesentlichen Punkte des Körpers wurden im Druck hochsprachlich geglättet: die „arspacken“ werden zum „hindern“ und das „schwenzle“ zum „gemecht“. ...
Und wieder macht sich das Ministerium für komische Wortspaltungen bemerkbar:
Das so genannte Dresdner Skizzenbuch enthält etwa 445 größtenteils eigenhändige, mitunter datierte und mit DÜRERS Monogramm bezeichnete, zuweilen von Notizen begleitete Federzeichnungen, von einer späteren Hand zusammengetragen und ansatzweise geordnet, teilweise auch aufgeklebt oder zusammenmontiert.
Gefühlt 85 Prozent der „Reform“ machen aber die neuen ss nach Heyse aus, darunter eben die greulichen Dreifach-s:
Die gegenüberstehende Studie eines Mannes mit ausgestrecktem Arm (Bild 2) [4, Nr. 87] bereitet eine Illustration zum zweiten Buch der Proportionslehre vor, worin DÜRER den menschlichen Körper nach dem von ALBERTI benutzten „Exempeda-Verfahren“ mit einem Messstab von einem Sechstel der Körpergröße misst.

slub.qucosa.de
Bis zu 85 Prozent der Deutschen lehnten einmal diese „Reform“ ab. Heute sieht sieht man, was Politiker und Medienmoguln mit Kindergeiselnahme, Dauerindoktrination und mit in ihren Amtssesseln festsitzenden „Arspacken“ erreichen können.

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Sigmar Salzburg
18.07.2017 11.50
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Das Kloster Cismar und die Basilika in Altenkrempe

Am vergangenen Samstag konnte ich mit dem Kieler Kulturverein „Historische Landeshalle“ an einer Exkursion zu bedeutenden Kulturbauten auf der schleswig-holsteinischen Halbinsel Wagrien teilnehmen: Gut Hasselburg, Kloster Cismar und die Altenkremper Kirche. Es war zugleich eine Rückkehr zu Stätten meiner Jugend. Im Gebäude des Klosters Cismar bin ich von 1951-1955 zur Schule gegangen, und 1962 habe ich mit einer Kommilitonin im Rahmen des Architekturstudiums eine vollständige Bauaufnahme der Altenkremper Basilika gemacht.

Das Kloster Cismar war um 1200 als Außenstelle des Lübecker Klosters gegründet worden. Anlaß waren angeblich unsittliche Zustände unter den Mönchen und Nonnen in Lübeck. Zugleich sollte die Christianisierung der in Wagrien lebenden Slawen vorangetrieben werden. Der Chronist Helmold von Bosau (ca. 1120-1170) bezeichnete die Gegend als „spelunca latronum“, Räuberhöhle. Die Attraktivität des Klosters wurde gesteigert durch etliche Reliquien, die in einem Schrein aufbewahrt wurden, der heute als ältester Flügelaltar Deutschlands erhalten ist.

Nach der Reformation war Johannes Stricker ab 1561 Pastor in Cismar und übernahm 1575 das Pastorat seines Geburtsortes Grube dazu. Das Pastoratshaus von 1569 habe ich noch an seinem richtigen Standort erlebt (jetzt im Freilichtmuseum bei Kiel). Stricker mußte 1584 nach Lübeck fliehen, weil er den Lebenswandel des Adels angegriffen hatte. Eine Frucht dieser Auseinandersetzung wurde sein mittelniederdeutsches Bühnenstück „De düdesche Schlömer“, der das bekannte Jedermann-Thema vorwegnimmt. Heute ist es ein Denkmal der niederdeutschen Sprachgeschichte. Auch der Name des Verlegers, Johann Balhorn, läßt aufhorchen.




Das Kloster Cismar wurde, säkularisiert, zur Hälfte mit eingezogenen Geschossen als Amtsgebäude verwendet, der Altar überlebte die Verwendung des Kirchenraums als Kuhstall. Nach dem Kriege wurden die Räume des zweiten Obergeschosses für den Schulunterricht des Gymnasiums Oldenburg genutzt. In die Mitte des Klosterhofs war als „Friedenseiche“ eine Kastanie gepflanzt worden, die ich noch als dürres Zweiglein in Erinnerung habe und die jetzt ein stattlicher Baum mit einem beträchtlichen Stammumfang ist.


Eigenes Werk von Gurkentee, CC BY-SA 2.0 de, commons.wikimedia
Cismar Kloster im Januar 2006

Etwa 20 km südwestlich von Cismar liegt der kleine Ort Altenkrempe. Er besteht heute nur aus wenigen Häusern und wird von der spätromanischen Kirche in rotem Backstein überragt. Sie ist eine Basilika mit einem massiven Turm, aber ohne Querschiff. Das Gebäude ist wohl kurz vor 1200 mit dem Chor begonnen worden, dessen Fenster mit ihren Spitzbögen schon den Übergang zur Gotik andeuten. Am Anschluß zum Langschiff befinden sich noch alte Fachwerkreste. Die paarigen Fenster lassen darauf schließen, daß von Anfang an eine Überdeckung mit Steingewölben geplant war.

Was mich bei der Bauaufnahme erstaunte war, daß die ursprüngliche Einmessung des Grundrisses eher nach Augenmaß erfolgt sein mußte, wie die Abweichungen der Säulenstellungen vom Schema ergaben. Das Gebäude ist fast noch im Urzustand erhalten. Die innere Ausstattung aus späterer Zeit wurde schon bei der ersten Renovierung um 1900 entfernt.



Holger.EllgaardEigenes Werk, CC-BY-SA 4.0
Basilika Altenkrempe

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Sigmar Salzburg
14.05.2017 07.48
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450. Geburtstag

Claudio Monteverdi

Am 15. Mai 1567 wurde Claudio Monteverdi in Cremona getauft. Er kam bald in die Lehre des dortigen Dommusikers Marc'Antonio Ingenieri und veröffentlichte bereits mit 15 Jahren sein erstes Madrigalbuch. 1590 wechselte er an den Hof der Gonzaga in Mantua. Dort führte er 1607 die erste vollgültige Oper auf, die zugleich den urmusikalischsten Mythos, Orpheus, zum Inhalt hatte. Seine Musik verwendete die neuartige Monodie, nichtregelhafte Dissonanzen, und er schuf den »stilo concitato«, der die Affekte der Texte in Musik umzusetzten suchte.

300 Jahre lang war Monteverdis Musik im Konzertleben nicht präsent und schließlich nur bruchstückhaft in spätromantischer Wiedergabe. Wikipedia unterschlägt, daß Paul Hindemith 1954 einer der ersten war, die eine Wiedergabe im Originalklang anstrebten. Das war mir Vorbild, obwohl ich seitdem noch einiges mehr über die alten Instrumente erkundet habe.

Wenn heute soviel davon die Rede ist, daß Europa ohne die EU in nationalistische Kleinstaaterei zerfallen würde, dann muß daran erinnert werden, daß die Kultur auch vor vierhundert Jahren schon lange gesamteuropäisch war. Michael Praetorius hatte in Wolfenbüttel bis 1619 die damaligen Partituren Monteverdis studiert und schrieb, daß »Sonderlich jetziger zeit / da die Music ſo hoch gestiegen / das faſt nicht zu gleuben / dieſelbe nunmehr höher werde kommen können ... « und daß »ſonderlich in Italia / auß derma­ſſen viel
Musikaliſche Compoſitiones vnnd Geſänge / ſo gar vff ein andere Art / Manier vnd Weiſe / alß vor der zeit / auffgeſetzet / vnd mit jhren applicationibus an Tag kommen vnd zum Truck verfertiget ſein vnd noch werden ...«

Auf einer Italienreise 1981 mit meiner späteren Ehefrau ließ ich im Auto eine Kassette mit einem Sammelsurium alter Musik laufen. Gänzlich vergessen hatte ich, daß ich am Schluß einige Stücke aus dem „Orfeo“ aufgenommen hatte, um den Chitarrone-Part für die nächste Aufführung zu üben. Als wir uns den Toren Mantuas näherten, setzte überraschend die Eingangsfanfare der Gonzaga aus dem „Orfeo“ ein. Es kam mir vor wie ein Fingerzeig der alten griechischen Götter.




Siehe auch »Zefiro torna

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Sigmar Salzburg
09.04.2017 08.08
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Max Reger

Vor sechzig Jahren hielt in der Aula unseres Gymnasiums der Lehrer unserer Parallelklasse einen Vortrag anläßlich des vierzigsten Todestages von Max Reger (1873-1916). Damals, erinnerte er sich, habe sein Vater ihn an die Hand genommen und gesagt: „Heute ist der größte Komponist Deutschlands gestorben.“ (Kann man sich vorstellen, daß heute Eltern ihrem Nachwuchs einen größten lebenden deutschen Komponisten nennen könnten?) Die Neue Musik-Zeitung berichtete zum hundertsten Todestag im letzten Jahr:

Auf dem schwierigen Weg, Max Reger zu verstehen – Kurzfestival zum Gedenkjahr in Mainz

... In seinem Einführungsvortrag zeichnete Birger Petersen, Professor für Musiktheorie an der Hochschule für Musik, ein lebendiges Porträt des Komponisten, ließ aber die Frage nach seiner Bedeutung für Musikgeschichte und Konzertleben offen. Deutlich wurde Regers exzessiver Lebensstil: Arbeitswut, Selbstdarstellungsdrang und die starke Bindung vor allem an die Orgel, der je nach Lebensphase unterschiedlich starke Missbrauch von Alkohol, Nikotin und wohl auch Morphium, die extreme Dünnhäutigkeit und die zur Schau getragene Raubeinigkeit, der vorzeitige Tod mit 43 Jahren – eigentlich passt diese Biographie zu einem heutigen Rockstar, nicht zu einem „seriösen“ Klassiker...
Unter den frühen Komponisten herrschte eine gewisse gegenseitige Ideen-Raub-Einigkeit und es war durchaus ehrenvoll, ein Thema eines Kollegen aufzugreifen. So beklaute Telemann ohne Bedenken seinen Freund Händel. Allerdings konnte dieser auch recht rauhbeinig sein. In seiner Hamburger Zeit focht er in einem Streit mit dem Degen gegen Johann Mattheson, und nur ein metallener Rockknopf rettete sein Leben.
Regers schlichter A-capella-Chorsatz op. 138 Nr. 1 „Der Mensch lebt und bestehet nur eine kurze Zeit“ aus den „Acht Geistlichen Gesängen für gemischten Chor“ ging direkt über in das düstere Requiem op. 144 b „Seele, vergiß sie nicht, vergiss nicht die Toten“ für Gesangssolo, Chor und Orchester auf einen Text von Friedrich Hebbel...
Seit 1903 hatte jedoch Richard Strauss für verbesserte Urheberrechte gekämpft und sogleich einen arglos strauss-variierenden Komponisten verklagt. Reger konnte also nur auf ältere Werke zurückgreifen und war daher gezwungen, die berühmten Mozart-Variationen zu komponieren:
Zwischen die beiden Chorwerke op. 144 hatte das Programm achsensymmetrisch die „Mozart“-Variationen op. 132 platziert, deren Anlage (mit einer in den Wiedereinsatz des Themas mündenden Fuge) Benjamin Britten als Modell für seine Purcell-Variationen „The Young Person's Guide to the Orchestra“ gedient haben dürfte.
nmz – neue musikzeitung-25.11.2016
Max Reger. Variationen und Fuge in A-Dur über ein Thema von Mozart Op. 132. (Böhm)
https://youtu.be/-mVQxR9Ll9U
...mit der großen Fuge ab Min. 24.

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