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Sigmar Salzburg
06.10.2008 20.17
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Vor zehn Jahren: Dreiste Mißachtung des Volkswillens

Schreibreform wird eingeführt
Kultusminister wollen trotz Volksentscheids im Norden an umstrittenem Regelwerk festhalten


Von DIETHART GOOS

Kiel – Die Rechtschreibreform wird trotz des erfolgreichen Volksentscheids in Schleswig-Holstein nicht rückgängig gemacht. Darauf hat die Kultusministerkonferenz verwiesen.

Zugleich kündigte die Landesregierung von Baden-Württemberg an, mit Beginn des kommenden Jahres die geänderte Schreibweise bei neuen Gesetzen und Verordnungen anzuwenden.

Bürgerinitiativen in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern planen nach Kieler Vorbild Abstimmungen gegen das Reformwerk. Für die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Nordrhein-Westfalens Ressortchefin Gabriele Behler, besteht nach dem schleswig-holsteinischen Volksentscheid kein Handlungsbedarf.

Sie widersprach damit der Initiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“, wonach mit dem Votum vom 27. September im nördlichsten Bundesland das umstrittene Vorhaben bundesweit gescheitert sei. Die Abmachungen der Kultusminister sei eindeutig, erklärte die SPD-Politikerin. „Es ist viel Lärm gemacht worden um wenige kleine Änderungen.“

Wie das Stuttgarter Innenministerium gestern mitteilte, werden neue baden-württembergische Gesetze und Verordnungen vom 1. Januar 1999 an in der reformierten Schreibweise abgefaßt. Für den allgemeinen Schriftverkehr der Behörden gilt eine Übergangsfrist bis zum 31. Juli 2005. Bestehende Vorschriften werden erst dann angepaßt, wenn Neufassungen oder Ergänzungen der Texte anstehen.

Zum wiederholten Mal muß sich morgen der Kieler Landtag mit dem Streit befassen. Die FDP-Fraktion hat eine aktuelle Stunde beantragt. CDU und Liberale werfen Bildungsministerin Gisela Böhrk vor, sie unterlaufe das Votum vom 27. Septenber.

Beim Volksentscheid entfielen 56,4 Prozent der abgegebenen 1,6 Millionen Stimmen auf die Initiative gegen die Rechtschreibreform. Mit einem Erlaß will die Bildungsministerin sicherstellen, daß künftig an den Schulen des Landes die Schreibweise der deutschen Sprache wieder nach den bisherigen Regeln unterrichtet wird.

Da die reformierten Bestimmungen aber schon seit Schuljahrsbeginn 1996 angewendet werden, soll die neue Schreibweise neben der alten als korrekt akzeptiert werden. Bei „schriftlichen Leistungsnachweisen“ werden, wie das Bildungsministerium ankündigte, „nur solche Schreibungen als Fehler gewertet, die auch nach der Neuregelung nicht zulässig sind“.

DIE WELT 7.10.1998

[Zaudernde Kultusminister waren frühzeitig zur „Reform“ beschwatzt worden mit dem Argument der notwendigen Einheit der deutschen Rechtschreibung. Der Volksentscheid hätte nun die alte Einheit erzwingen müssen. Dem hatte das parteilich agierende Bundesverfassungsgericht vorgebeugt, indem es beliebige Abweichungen zuließ, so daß die Kultusminister ungerührt weitermachen konnten. Bald darauf aber wurde die Einheit der Rechtschreibung wieder als so wichtig hingestellt, daß man dafür sogar Volksentscheide annullieren dürfe. Infolge einer Fehlkonstruktion der schleswig-holsteinischen Verfassungsgerichtsbarkeit durfte dagegen noch nicht einmal geklagt werden. ]

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Sigmar Salzburg
04.10.2008 08.53
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Vor zehn Jahren: Zehetmairs Entmachtung

Regierungschef Stoiber entmachtet Zehetmair
Finanzminister Erwin Huber kehrt als Minister in die Staatskanzlei zurück ...


Von Alexander Gorkow und Michael Stiller

München – Der große Verlierer der Kabinettsumbildung in Bayern heißt Hans Zehetmair. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll Zehetmairs Ministerium, so der Planungsstand vom Montag nachmittag, geteilt und dem Ministen der Schulbereich entzogen werden. Außerdem soll der Politiker, der in wenigen Wochen seinen 62. Geburtstag feiert, das Amt des Vize-Ministerpräsidenten abgeben, das er seit 1993 bekleidet hat. Seine Nachfolgerin wird nach dem Willen Stoibers die Sozialministerin Barbara Stamm.
Eine solche Entmachtung Zehetmairs hatte sich, wie berichtet, in der vergangenen Woche angedeutet und erhärtete sich nach Informationen aus Regierungskreisen am Montag. Die Entmachtung Zehetmairs galt gestern abend nach Mitteilung von Regierungsmitgliedern und anderen CSU-Politikern als „hundertprozentig“. Am heutigen Dienstag um zehn Uhr morgens wird Stoiber sein neues Kabinett der Fraktion und anschließend dem Landtag vorstellen. Gerüchte, daß Stoiber nur einige wenige Posten verändern wolle, erwiesen sich am Montag als haltlos.
Das Kultusministerium soll, so Stoibers Planung, wie schon von 1986 bis 1990, in zwei Häuser aufgeteilt werden. Die Verantwortung für die Schulpolitik wird Zehetmair dann an seine 36jährige Staatssekretärin Monika Hohlmeier abgeben müssen. Die Tochter von Franz Josef Strauß, die in der CSU seit Wochen sowohl als künftige Generalsekretärin wie auch als Münchner OB-Kandidatin im Gespräch war, erhielte damit Ministerrang in einem eigenen Schulministerium.
[…]
Am meisten Aufregung verursachte gestern die geplante Degradierung Hans Zehetmairs und die Beförderung Monika Hohlmeiers. […]
Für die Bereiche Wissenschaft und Forschung behält Zehetmair als Minister zunächst die Verantwortung. Doch plant Stoiber dem Vernehmen nach, den Erdinger Politiker in zwei Jahren ganz aus dem Kabinett zu kippen und durch einen jüngeren Nachfolger zu ersetzen. […]

Süddeutsche Zeitung 6.10.1998

[Das Scheitern der „Rechtschreibreform“ beim Volksentscheid in Schleswig-Holstein hat zweifellos Zehetmairs Absturz gefördert, wenn auch jeder Hinweis darauf vermieden wurde. Die Durchsetzung der „Reform“ wurde damit in die geschickteren Hände einer Hotelfachfrau und Parteiapparatschickse gelegt. Auch im Norden bahnte sich ähnliches an.]

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Sigmar Salzburg
03.10.2008 08.17
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Vor 10 Jahren: Erste Leserbriefe (gekürzt)

Montag, 5. Oktober 1998
BRIEFE AN DIE SÜDDEUTSCHE
Stellvertretend für das ganze deutsche Volk abgestimmt

Zum Kommentar SPRACHINSEL ZWISCHEN DEN MEEREN von Cornelia Bolesch in der SZ vom 29. September

Der Kommentar fordert heftigen Widerspruch heraus. Man stelle sich vor, ein Kommentator hätte zum Ergebnis der Bundestagswahl geschrieben: „Der glanzvolle Sieg der SPD wird so zu einem markanten Beispiel für die Schattenseiten der (direkten) Demokratie!“ So abschätzig darf mit dem plebiszitären Element in den Länderverfassungen nicht umgegangen werden.
Es ist weder die Schuld noch die Torheit der Schleswig-Holsteiner, daß es bisher nur ihnen vergönnt war, über die weithin unerwünschte „Rechtschreibreform“ demokratisch abzustimmen. …
Geradezu absurd wird der Kommentar, wenn er Gegner von Veränderungen der gewohnten Verhältnisse als Missionare einzustufen beliebt. Dieses Etikett trifft doch wohl eher für das kleine Häuflein ideologisch und quasireligiös motivierter Reform-Aktivisten zu, die seit langem Veränderungen der Rechtschreibung mit missionarischem Eifer betreiben und dafür selbst eine Beschädigung des Ansehens der Demokratie in Kauf nehmen. …

Sigmar Salzburg, Dänischenhagen
Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform "


… Die Kinder erlernen an den Schulen eine andere Schreibweise als sie in der übrigen Bevölkerung üblich ist (ausgenommen die nun aus dem Klammergriff der KMK befreiten und glücklich zu preisenden Schüler und Lehrer in Schleswig-Holstein). Deswegen ist es an der Zeit, die Einheitlichkeit der Orthographie schnellstmöglich wiederherzustellen.
Es ist aber eine Schande in diesem Lande, daß Bundesland für Bundesland erst „zurückerobert“ werden muß, damit unser Volk wieder so schreiben kann, wie es wissenschaftlich anerkannt und üblich ist. Vielmehr sollten die Kultusminister sich an ihr eigenes Versprechen halten, das sie in einer gemeinsamen Presseerklärung vom 27. Februar 1997 abgaben: „Die Kultusminister betonen, daß es für die Rechtschreibung nur eine gemeinsame Regelung in allen Ländern geben kann.“ Deswegen garantierte der damalige Präsident der Kultusministerkonferenz, der niedersächsische Kultusminister Rolf Wemstedt, am 25. März 1997, „daß ein Sonderweg einzelner Länder bei der Rechtschreibreform .. .nicht vorstellbar“ sei. …

Stephanus Peil, Westerburg
Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Rheinland-Pfalz

[Nun, die Politiker glaubten, eine neue Einheit erzwingen zu können: Durch die Niederschlagung des Volksaufstandes gegen die „Rechtschreibreform“ in Schleswig-Holstein am 17.September 1999.]


Am 27. September ist nicht nur Bundeskanzler Kohl abgewählt worden, sondern auch die Rechtschreibreform. Dies ist das genaue Gegenteil eines „markanten Beispiels für die Schattenseiten der direkten Demokratie“, nämlich ein wirklicher Sieg der Demo- über die Bürokratie.
Die Konsequenzen, an die Bürger nach Meinung Ihrer Kommentatorin nicht gedacht haben, müssen diejenigen Politiker verantworten, die diesen Kulturkampf angezettelt haben. Die Bürger in Schleswig-Holstein haben die neuen Regeln verworfen, obwohl ihnen von der Landesregierung vorgegaukelt wurde, sie würden sich damit vom Rest Deutschlands isolieren. Es kann aber nicht bezweifelt werden, daß die Bayern, Sachsen oder Hessen in dieser Frage gleich entscheiden würden. …
Die Konsequenz aus dem Volksentscheid kann daher nur sein, die Rechtschreibreform endgültig als das zu betrachten, was sie ja immer schon war: der alte Traum gelangweilter Linguisten, nichts weiter.

Reinhard Markner, Berlin
Literaturwissenschaftler

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Sigmar Salzburg
02.10.2008 10.05
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Vor zehn Jahren: Elternräterepublik

Schreibreform:
Elternrat sieht Nachteile


Bonn (dpa) Der Bundeselternrat fürchtet durch den schleswig-holsteinischen Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform erhebliche Nachteile für die Kinder im nördlichsten Bundesland.


Die Unbeweglichkeit der Erwachsenen, die nicht umlernen wollten, werde fatale Auswirkungen für die Jugend haben, erklärte die Bundeselternrat-Vorsitzende Renate Hendricks gestern in Bonn. Gerade durch die jüngsten Forderungen der Wirtschaft an die Auszubildenden habe die Rechtschreibung wieder einen besonderen Stellenwert bei der Ausbildungsplatzsuche erhalten. Hätten alle betroffenen Eltern für ihre unmündigen Kinder bei dem Volksentscheid eine zusätzliche Stimme erhalten, so hätte es sicherlich ein anderes Ergebnis gegeben, meinte Hendricks. Auch der Sprecher der Bundesschülervertretung, Nils Stegemann, sagte, das Votum gegen die neuen Schreibweisen sei für die Mitschüler in Schleswig-Holstein nicht hilfreich.
Unterdessen haben die Gegner der Rechtschreibreform erklärt, daß sie eigene Vorschläge für den Übergang von den neuen zu den alten Regeln an den Schulen erarbeiten wollen. Eine Konferenz von Sprachwissenschaftlern, Lehrern und Eltern solle in der kommenden Woche über eine Übergangslösung beraten, teilte der Sprecher der Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“, Matthias Dräger, mit. Hintergrund ist die massive Kritik der Reformgegner an Kultusministerin Gisela Böhrk (SPD), die mit einem Erlaß den erzwungenen Stopp der Rechtschreibreform umsetzen, gleichzeitig aber das Schreiben nach den neuen Regeln nicht als falsch werten lassen will.

Kieler Nachrichten 2.10.1998

[In der mehrstufigen Konstruktion der Elternräte hatten die „fortschrittlichen“ Kräfte traditionsgemäß die Führungen in den höheren Ebenen gekapert, so daß der „Bundeselternrat“ – angeblich im Interesse der Kinder – völlig unlegitimiert genau das Gegenteil der Mehrheit der Eltern an der Basis vertreten konnte. Mit gutem Grund reihte daher der profitorientierte Verband der Schulbuchverleger den Bundeselternrat und manche Schülervertretungen in seine „Verbändeallianz“ ein.]

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Sigmar Salzburg
02.10.2008 09.17
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Vor zehn Jahren: Noch ein Kommentar

Schriftliche Absage

Von DANKWART GURATZSCH

Die Bürger von Schleswig-Holstein haben mit einer klaren Mehrheit von 56,4 Prozent der Stimmen der Rechtschreibreform eine Absage erteilt. Hätte die Regierung nicht versucht, die Stimmabgabe mit irreführenden Formulierungen auf dem Stimmzettel und mit einschüchternden Behauptungen über die Folgen eines Scheiterns der Reform im nördlichsten Bundesland zu beeinflussen, wäre die Mehrheit vermutlich noch höher ausgefallen. Jetzt stehen die Kultusminister bundesweit vor einem Scherbenhaufen. Denn sie haben sich verpflichtet, die Einheitlichkeit der Schriftsprache zu wahren und zum Prüfstein für die Reform zu machen. Auf dieselbe Linie haben sich die beiden großen Parteien des Bundestags eingeschworen. Sie können jetzt gar nicht anders, als die Reform zurückzunehmen.

Die schleswig-holsteinischen Wähler haben stellvertretend für alle Deutschen ein Konstrukt gekippt, das sich am Analphabetismus und nicht an den Bildungsgütern orientiert. Sie wollen nicht die Abschaffung des „ß", der Kommasetzung, der sinnstiftenden Zusammenschreibung, der sprachgeschichtlich korrekten Silbentrennung. Sie verwahren sich gegen die Rückkehr zu Schreibweisen des 19. Jahrhunderts und des Barock, die schon 1876 nach Protesten aus allen Schichten der Bevölkerung verworfen worden war. Sie verweigern sich der Beseitigung nützlicher Differenzierungen, die die Sprachgemeinschaft in Jahrhunderten entwickelt hat.

Jetzt muß Schluß sein mit den unwürdigen Tricksereien. Die Instrumentalisierung der Kinder gegen ihre Eltern und gegen die Kulturtraditionen einer 100 Millionen Menschen umfassenden Sprachgemeinschaft muß ein Ende haben. Die Kultusminister müssen die Konsequenz aus dem Scheitern der Reform ziehen und zur gemeinsamen deutschen Schriftsprache zurückkehren. Andernfalls würde es zu immer neuen Volksbegehren, zu einer tiefgreifenden Störung des Schulfriedens und zu einer dauerhaften Aushöhlung der Glaubwürdigkeit der Kulturpolitik kommen. Daran kann auch hartgesottenen Verfechtern der neuausgedachten Schreibweisen nicht gelegen sein.

DIE WELT 29.9.1998

[ Nicht nur Guratzsch konnte damals die Hartnäckigkeit der anmaßenden Dummdreistigkeit der Kultusminister und ihrer Vor- und Hintermänner noch nicht richtig einschätzen.]

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Sigmar Salzburg
01.10.2008 16.43
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Vor zehn Jahren: Wählertäuschung mißlungen – letzter Ausweg: die Annullierung

[Bild: Leerung einer gefüllten Wahlurne]

Hohe Beteiligung: Mehr als 70 Prozent der Schleswig-Holsteiner gaben gestern ihr Votum zur Rechtschreibreform ab. Foto: bir

Eckernförder Nachrichten 28.9.1998

[Die dreisten Politiker hatten versucht, die Volksabstimmung von der Bundestagswahl zu trennen, um die Beteiligung unter 50 Prozent zu drücken (dann wäre sie, anders als eine Parlamentswahl, gescheitert). Dann hatte man eine räumliche Trennung der Wahllokale angestrebt. Durchgesetzt wurde schließlich nur die Täuschungsformulierung der Regierung auf dem Stimmzettel. Außerdem mußte jeder Wähler einzeln befragt werden, ob er (etwa) auch an der Volksabstimmung teilnehmen wolle. Es entschieden sich von den tatsächlich Wählenden jedoch 92 Prozent dafür, zur „Rechtschreibreform“ ihren Willen zu bekunden – was die Regierungspolitiker heimtückisch hatten verhindern wollen.]

[Wie man liest, war die Wahlbeteiligung bei der jetzigen Bayernwahl nur 58 Prozent.]

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Sigmar Salzburg
01.10.2008 11.02
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Vor zehn Jahren: Böhrk und Bürgerinitiative

Wie geht's weiter nach dem Volksentscheid? Fragen an Gisela Böhrk und Matthias Dräger

Der Streit war nicht zu vermeiden

LÜBECK – Die Schleswig-Holsteiner haben sich in einem Volksentscheid gegen die neuen Rechtschreibregeln an den Schulen entschieden. Die Bildungsministerin des Landes, Gisela Böhrk (SPD), und Matthias Dräger, Sprecher der Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“, standen den Lübecker Nachrichten zu der Entscheidung Rede und Antwort.

Lübecker Nachrichten: Was bedeutet der Volksentscheid für Sie?

Gisela Böhrk: Die Schleswig-Holsteiner haben sich für die Sprachinsel entschieden. Ich bedauere dies Wahlergebnis. Es ist ein Ergebnis auf Kosten der Schülerinnen und Schüler. Jetzt müssen wir versuchen, den Schaden für die Schulen so gering wie möglich zu halten.

Matthias Dräger: Die Rechtschreibung in den Schulen schließt sich wieder an die Rechtschreibung in der Gesellschaft an; damit bleibt die Einheitlichkeit der Rechtschreibung gewahrt

Wie geht es jetzt weiter?

Böhrk: Die Schulgesetzänderung wird umgesetzt. Ich werde noch in dieser Woche mit den Elternverbänden, den Lehrerverbänden und der Landesschülervertretung die erforderlichen Schritte diskutieren.

[Bild: Böhrk]
Gisela Böhrk: „Es ist ein Ergebnis auf Kosten der Schülerinnen und Schüler.“
[Bild: Dräger]
Matthias Dräger: „Die Einheitlichkeit der Rechtschreibung bleibt gewahrt.“


Dräger: Da allen Beteiligten klar war, daß sich die sogenannte Rechtschreibreform nur bundeseinheitlich oder gar nicht durchsetzen läßt, muß jetzt den führenden Persönlichkeiten unserer Gesellschaft klar sein, daß das „Experiment Rechtschreibreform“ beendet werden muß.

Hätte der ganze Streit um die Rechtschreibung nicht anders gelöst werden können?

Böhrk: Ich glaube nicht, daß der Streit hätte gelöst werden können, weil die Positionen nicht vereinbar sind. Die Sicht der Erwachsenen, die umlernen müssen, ist eine ganz andere als die Sicht der Kinder, die neu lernen. Ich hätte mir gewünscht, der Streit wäre zugunsten der Kinder gar nicht erst entstanden.

Dräger: Wie denn? Die Kultusminister haben trotz aller Bedenken und Warnungen versucht, die Rechtschreibreform durchzuziehen. Hier ist klar geworden, daß nur noch juristische oder gesetzliche Mittel etwas bewirken können. Selbst das Votum des Deutschen Bundestages – „Die Sprache gehört dem Volk“ – ist von den Kultusministern ignoriert worden.

Was werfen Sie der Gegenseite vor?

Böhrk: Ich kritisiere die Gegenseite in zwei Punkten: Der Protest kam zu spät. Es mag ja sein, daß ich in diesem Punkt etwas altmodisch bin. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß es eine Verläßlichkeit von Beschlüssen und Vereinbarungen geben muß, um tragfähig Politik machen zu können. Ein partei-, länder- und staatenübergreifendes Verfahren mit einem klaren Votum des Bundesverfassungsgerichts kann man nicht mal eben kippen. Mein Hauptvorwurf besteht darin, daß die Gegenseite die Öffentlichkeit irregeführt hat. Sie hat immer wieder behauptet, mit dem Volksentscheid werde über Pro und Kontra zur Rechtschreibreform abgestimmt. Als Bildungsministerin kann ich es nur schwer ertragen, daß die Kinder in diesem Prozeß instrumentalisiert worden sind, um Interessen von Erwachsenen durchzusetzen.

Dräger: Die Rechtschreibreform ist die faule Frucht einer unheilvollen Allianz aus dilettantischen Reformern, geschäftstüchtigen Wörter- und Schulbuchverlegern und eitlen Kulturministern. Die zahlreichen Tricks, die für die Durchsetzung der Rechtschreibreform angewandt wurden, reichen von bewußter Irreführung der Öffentlichkeit bis hin zu Wahlmanipulation, indem wahrheitswidrige Gegenvorschläge aufgestellt wurden.

Haben Sie in der Auseinandersetzung Fehler gemacht?

Böhrk: Aus meiner Sicht hat das Bildungsministerium alles getan, um die Bürgerinnen und Bürger über mögliche Konsequenzen einer erfolgreichen Volksinitiative aufzuklären.

Dräger: Wir haben die durch den Stimmzettel angerichtete Verwirrung anfänglich unterschätzt. Insbesondere die suggestive Wirkung des berüchtigten Feldes 3 „Ablehnung“. Aus unserer Sicht gab es hier keine Einwirkungsmöglichkeit. Da dieses Feld auf dem Stimmzettel erst durch den völlig unnötigen Gegenvorschlag der Landesregierung entstand, trifft den Landeswahlleiter, der von der Wirkung dieses Feldes ebenso überrascht war wie wir, hierzu keine Schuld.

Lübecker Nachrichten 28.9.2008


[Anmerkung: Auch 1996 kam der Widerstand schon „zu spät“. Nach Art des alten Trickrufs der Taschendiebe „Haltet den Dieb!“ wirft Gisela Böhrk der Bürgerinitiative Instrumentalisierung der Kinder vor, wogegen die Reform-Parteien für sich in Anspruch nehmen, deren Interessen zu vertreten. Tatsächlich aber haben sie die Kinder mißbraucht, um die unerwünschten Reformideen in der Gesellschaft durchzusetzen – und zwar unter Verletzung des Elternrechts. Letzteres wiederum hat das politisch agierende Bundesverfassungsgericht vorsätzlich nicht erkennen wollen, um die „Rechtschreibreform“ nicht zu gefährden und damit – entgegen den Drägerschen Hoffnungen – weitere Gerichte bewogen, sich auch noch zehn Jahre später als Büttel der inkompetenten Reformpolitik herzugeben.]

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Sigmar Salzburg
01.10.2008 09.33
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Vor zehn Jahren: Subtile Propaganda gegen den Volksentscheid

„Provinzposse“: Votum macht Schulen Sorgen
KIEL
(sh:z)
In vielen Schulen Schleswig-Holsteins stieß das Votum gegen die Rechtschreibreform gestern auf Unverständnis. Als „Provinzposse“ bezeichnete die Leiterin der Husumer Iven-Agßen-Grundschule, Marion Menzdorf, das Ergebnis des Volksentscheids „Das bringt uns in große Schwierigkeiten. Wir werden jetzt abwarten müssen, was der neue Erlaß der Kultusministerin bringen wird“, sagte sie. Günter Bielenberg, Leiter des Gymnasiums in Marne, nannte die Situation „etwas schizophren.“ Er reagierte gestern auf das Ergebnis des Volksentscheids, indem er vor der Klausur des Deutsch-Leistungskurses Duden mit den alten Schreibregeln verteilte. Und Hildegard Pontow, Rektorin der Klaus-Groth-Schule in Bad Oldesloe, hat ihren Lehrern gestern geraten, nur noch Rechtschreib-Themen zu unterrichten, bei denen sich durch die Reform nichts geändert hat.
Auch die Schulen der deutschen Volksgruppe in Dänemark sind verunsichert. Der Schulrat des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig, Franz Christiansen, schloß in Apenrade nicht aus, daß die Eltern extra befragt werden müßten — zumal die Schulen der deutschen Minderheit im Nachbarland von einem Privatschulsystem getragen werden.
Auch Schüler äußerten sich gestern kritisch zum Reformstopp. „Jetzt müssen wir das alles noch mal umlernen“, klagt Hannah Fiedler (12) aus der sechsten Klasse der Kieler Hebbelschule. Und Klassenkameradin Sina Jannowsky (11) berichtet: „Meine Eltern wollten die Reform nicht, aber sie haben dafür gestimmt, weil die anderen Bundesländer auch nach den neuen Regeln unterrichten.“

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung 29.9.1998

[Anmerkung: Subtile Propaganda der SH:Z gegen den Volksentscheid. Meine Tochter war in derselben Klasse: Die hatte noch keine einzige Reformregel gelernt, und bei einer Probeabstimmung in der Deutschstunde hatte sich die Mehrheit gegen die „Reform“ ausgesprochen. Daraufhin hatte sich der Deutschlehrer auch als Anhänger der klassischen Rechtschreibung „geoutet“.]

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Sigmar Salzburg
01.10.2008 09.09
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Vor zehn Jahren

CDU: Dreiste Ministerin soll gehen

Die Schleswig-Holsteiner haben die Rechtschreibreform gestoppt — jetzt eskaliert der politische Streit. Bildungsministerin Gisela Böhrk soll zurücktreten, forderten gestern unisono die Landes-CDU und die Reformgegner.

KIEL Christian Hauck
[Bild: Böhrk]
„Ich bedaure das Ergebnis.“

Nach dem klaren Nein der Schleswig-Holsteiner zur Rechtschreibreform gerät Bildungsministerin Gisela Böhrk (SPD) immer stärker unter politischen Druck. Der Sprecher der Volksinitiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“, Matthias Dräger, warf Böhrk vor, die neue Rechtschreibung zu früh eingeführt zu haben. In den Grundschulen wird die neue Schreibweise bereits seit zwei Jahren gelehrt. Dräger: „Wer solche gravierenden Fehlentscheidungen zu verantworten hat, sollte besser auf einen anderen Posten versetzt werden.“ Den Ausgang der Abstimmung bezeichnete Dräger als „urdemokratische Entscheidung mit Signalwirkung“ auch für andere Bundesländer.

Die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Angelika Volquartz machte Böhrk für die zu erwartenden Probleme an den Schulen verantwortlich. „Frau Böhrk hat die Schüler und Lehrer sehenden Auges in die neuen Rechtschreibregeln getrieben. Sie ist Schuld daran, daß insbesondere die Kinder in den Grundschulen jetzt wieder umlernen müssen,“ erklärte Volquartz. Auch der CDU-Landesvorsitzende Peter Kurt Würzbach forderte Böhrks Rücktritt, weil die Bildungsministerin gestern angekündigte, daß künftig neben der neuen auch die alte Schreibweise an den Schulen erlaubt sein soll. „Frau Böhrk setzt damit die Spielregeln der Demokratie auf unverschämteste Weise außer Kraft. Die Schleswig-Holsteiner sollen offenbar für dumm verkauft werden. Diese Ministerin muß abtreten,“ sagte Würzbach.

Böhrk räumte ein, daß das Ergebnis der Volksabstimmung den 312 000 Schülern Nachteile bringen wird. „Ich bedauere das Ergebnis. Ich akzeptiere aber das Votum der Schleswig-Holsteiner,“ stellte die Ministerin fest und kündigte einen Erlaß an, der voraussichtlich Mitte November in Kraft treten wird. Danach soll künftig die neue und die alte Rechtschreibung als korrekt anerkannt werden. Gelehrt und geübt werden jedoch nur noch die alten Regelungen und Schreibweisen. Ein ernstes Problem stellt nach den Worten der Ministerin jetzt die Versorgung mit Schulbüchern dar. Böhrk sagte, daß bereits 90 Prozent der in den Schulen vorhandenen Lehrbücher nach den neuen Regeln geschrieben sind.

[Anmerkung: Das war ganz klar gelogen. Noch acht Jahre später waren nur 50 Prozent der Bücher an den Gymnasien „reformiert“.]

Die Ablehnung der Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein wird nach Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) keinen Dominoeffekt auf die anderen Bundesländer haben. Aus dem Kieler Volksentscheid resultiere keine bindende Wirkung für die anderen Bundesländer, sagte gestern ein KMK-Sprecher in Bonn.

[Anmerkung: Dafür hatte das Bundesverfassungsgericht am 14.7.1998 gesorgt. Die scheinbar milde Toleranz des Gerichtes diente in Wirklichkeit der Rettung der Reform und war ein Freibrief für die übrigen Kultusminister, ungestört weiterzumachen – während sie vorher immer die Pflicht aller Länder betont hatten, zur Erhaltung der Einheit mitzumachen. Der bayrische Kultusminister Zehetmair wollte deswegen sogar Volksentscheide verbieten lassen.]

Eventuelle Volksentscheide über die Rechtschreibreform in weiteren Bundesländern blieben allerdings abzuwarten.

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung 29.9.1998

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Sigmar Salzburg
14.09.2008 18.15
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Vor zehn Jahren: Bildungsministerin kurz vor dem Absturz

Streitgespräch mit Bildungsministerin Gisela Böhrk und Matthias Dräger, Initiator des Volksentscheids

Wie der Norden schreiben soll


LÜBECK – In elf Tagen werden die Schleswig-Holsteiner zweimal zur Urne gerufen. Neben der Bundestagswahl wird in einem Volksentscheid darüber abgestimmt, ob die Schüler im Norden weiter nach den neuen Rechtschreibregeln lernen – oder nicht. Die Lübecker Nachrichten haben zum Streitgespräch geladen: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Gisela Böhrk (SPD) und Matthias Dräger,
Sprecher der Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“, trafen zum einzigen Mal vor dem 27. September direkt aufeinander. Mit scharfer Zunge wurde argumentiert. Als die Mikrofone schon ausgeschaltet waren, ging das Wortgefecht der beiden Kontrahenten noch eine halbe Stunde weiter. Das Streitgespräch moderierten die LN-Redakteure Jürgen Adamek und Lars Fetköter.


[Bild]
„Sie benutzen die Kinder!“ – SPD-Bildungsministerin Gisela Böhrk (53) befürchtet, daß Schleswig-Holstein im Falle eines erfolgreichen Volksentscheides zur Rechtschreib-lnsel wird. Die neuen Regeln hätten den Kindern das Schreiben erleichtert.

LN: Herr Dräger, warum lehnen Sie die Rechtschreibreform so vehement ab?
Matthias Dräger:
Weil sie keine Reform ist. Sie vereinfacht nicht, sie ist unlogisch, sie erzeugt neue Schwierigkeiten bei der Schreibung. Diese gravierenden Mängel habe ich Frau Böhrk schon im Oktober 1994 in einem Brief aufgezeigt.

Gisela Böhrk: Die Volksinitiative will ja nicht wissen, ob wir die neue Rechtschreibung gut finden, sondern sie will das Schulgesetz ändern. Falls Sie mit Ihrer Initiative Erfolg hätten, bedeutete dies, daß die Kinder aus Schulbüchern lernen müssen, die bereits fast zur Gänze den neuen Regeln entsprechen, sie diese Regeln aber nicht anwenden dürfen. Schleswig-Holstein würde zur Rechtschreib-Insel, denn kein anderes Bundesland würde zur alten Schreibung zurückkehren. Die Rechtschreibreform ist länger als zehn Jahre vorbereitet worden, und Sie sagen mir, sie hätten mir 1995 geschrieben. Da sind sie mit ihrem Protest zu spät gekommen, und auch die Dichter sind mit ihrem Protest zu spät gekommen. Und dafür sollen jetzt nicht die Verantwortlichen bestraft werden, sondern die Kinder.

Dräger: Der breite Protest gegen die Reform konnte erst losgehen, als die Wörterbücher auf den Markt geworfen wurden. Vorher konnte kein Mensch sagen, was die Reform überhaupt bedeutet. Das sehen Sie auch an den zahlreichen Abweichungen in den versch iedenen Wörterbüchern. Deren Redaktionen hatten ja Probleme, das Regelwerk einheitlich auszulegen.
Böhrk: Wer sich frühzeitig über diese Reform informieren wollte, konnte dies tun. Und die Erfahrung der letzten beiden Jahren zeigt, daß sie den Kindern das Schreibenlernen erleichtert.
Dräger: Aber Lehrer behaupten das Gegenteil. Die Kinder machen wegen der Reform sogar mehr Fehler.
Böhrk: Das ist doch absurd! Wir haben genausoviele Lehrer, die das Gegenteil behaupten.

Dräger: Wir müssen das Schulgesetz erweitern, weil wir die Rechtschreibreform nicht als Einzelfaktor angehen können.
Böhrk: Dafür benutzen Sie die Kinder.
Dräger: Wenn wir nur diese Reform per Gesetz stoppen wollten, könnte es uns passieren, daß die Kultusminister uns in fünf oder zehn Jahren die nächste Rechtschreibreform vorsetzen wollen. Davor wollen wir Kinder und Erwachsene schützen.

Herr Dräger, Sie sagen doch selbst, daß diese Reform Fehler hat. Warum sollten wir die nicht in einer weiteren Reform in zehn Jahren ändern?

Dräger: Meine Angst vor einer neuen Reform ist gar nicht weit hergeholt. Heide Simonis hat selbst gesagt, daß der Landtag das Votum des Volkes korrigieren könnte.

Frau Böhrk, was passiert, wenn der Volksentscheid Erfolg hat?

Böhrk: Dann wird die Ministerpräsidentin das Gesetz unterzeichnen. Es wird nach drei bis vier Wochen in Kraft treten. Das bedeutet, daß die neue Rechtschreibung nicht mehr gelehrt wird.

Dräger: Im Augenblick lernen die Kinder eine Rechtschreibung, die in der Bevölkerung nicht üblich ist.
Böhrk: Aber der Umstellungsprozeß ist überall im Gange...

Herr Dräger, was machen Sie, wenn die Wähler am 27. September entscheiden, daß die Kinder die neue Rechtschreibung erlernen sollen?

Dräger: Die Initiativen in anderen Bundesländern machen weiter. Zudem stehen noch Klagen ins Haus. Wenn Erwachsene erstmal gezwungen werden, die neue Rechtschreibung anzuwenden, wird es weitere Verfahren geben.

Frau Böhrk, wenn die Reform gekippt wird: Haben Sie einen Plan in der Schublade, mit dem eine Rechtschreib-lnsel im Norden dennoch verhindert werden kann?

Böhrk: Wir zerbrechen uns in der Tat den Kopf darüber, wie wir den Schaden von Kindern abwenden könnnen. Aber es gibt eine solche Möglichkeit nicht. Wenn der Gesetzentwurf so beschlossen wird, muß er umgesetzt werden ...

Der nächste Landtag kann das Gesetz wieder ändern.

Böhrk: Natürlich kann jedes Gesetz wieder geändert wer den. Aber wir können doch nicht Volksinitiativen ad absurdum führen, indem wir jedes Gesetz, das uns mißfällt, wieder ändern. Jetzt möchte ich aber Sie mal etwas fragen, Herr Dräger: Kein Erwachsener braucht nach der Rechtschreibreform anders zu schreiben als bisher. Auch die Herren Grass und Lenz können so weiterschreiben wie bisher. Nur die Kinder erlernen einfachere Schreibweisen. Hier geht es doch einfach um die Frage: Wie tolerant sind die Erwachsenen den Kindern gegenüber?

Dräger: Wenn wir schon bei
Toleranz sind: Was sagen Sie denn dazu, daß 70 Prozent der Erwachsenen diese Reform nicht wollen?

Böhrk: Aber die können doch weiter schreiben wie bisher.
Es sei denn, sie sind Beamte, und es kommt ein Erlaß über die Amtssprache. Oder sie sind Redakteure. Aber die Dichter dürfen weiterhin schreiben wie sie wollen. Im übrigen sind der Bundeselternrat, die meisten Landes-Elternvertretungen, die Landes-Schülervertretung und die Bundes-Lehrerverbände für die Reform.

Frau Böhrk, sind Sie denn glücklich darüber, wie der Stimmzettel jetzt aussieht? Wir werden jeden Tag von Briefwählern angerufen, die an dem komplizierten Ding verzweifeln.

Böhrk: Der Text der Volksinitiative ist ja schon sehr kompliziert. Der Punkt zwei ist die Alternative, die der Landtag beschlossen hat. Wir sagen da, daß als allgemein üblich jene reformierte Rechtschreibung gilt, die für alle übrigen Länder in den Schulen verbindlich ist.

Dräger: Was da steht, entspricht nicht der Wahrheit: Da steht, in den Schulen wird die allgemein übliche deutsche Rechtschreibung unterrichtet. Aber die allgemeine Rechtschreibung ist nicht die reformierte. Da schauen Sie sich doch mal an, wie das, was wir hier sagen, in der Zeitung geschrieben wird...

Aber wir reden doch über die Rechtschreibung in den Schulen ...

Dräger: Nein, wir reden über Rechtschreibung.
Böhrk: Herr Dräger, Sie reden tatsächlich über Rechtschreibung, und sie benutzen die Kinder. Ich rede über Schulen, weil die das Ziel ihrer Initiative sind.


[Abbildung: Verwirrender Stimmzettel]

Lübecker Nachrichten v. 16.9.1998

[Der erfolgreiche Volksentscheid wurde nach nicht einmal einem Jahr durch ein Parteienkomplott im Kieler Parlament annulliert. Der Wille des Volkes hatte schulisch nur 9 Monate Gültigkeit – vom 10.12.98 bis zum 21.09.1999. Nach sechs Jahren brachen große Teile der Unfugsreform dennoch zusammen – aber nicht wegen demokratischer Regungen der Politiker, sondern weil der ausgestiegene Springer-Konzern „zurück ins Boot“ sollte.]

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Sigmar Salzburg
07.09.2008 10.59
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Der Täuschungsversuch war schon länger bekannt

Volksentscheid: Streit um verwirrenden Stimmzettel

Kiel (US) Die schwer verständlichen Formulierungen auf dem Abstimmungszettel für den Volksentscheid zur Rechtschreibreform lassen sich nicht mehr korrigieren. Die Zettel sind bereits im Druck, erklärte gestern Landeswahlleiter Dietmar Lutz. Auch inhaltlich gebe es nach der Zustimmung der Landtagsverwaltung und der Rechtschreibinitiative keine Änderungsmöglichkeit.


Unterdessen ist die Diskussion über die „Schuldigen“ entbrannt. Der CDU-Landes Vorsitzende Peter Kurt Würzbach macht Reformgegnerin Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) dafür
verantwortlich. Er wirft ihr vordemokratisches Denken und Störmanöver gegen den Volksentscheid vor. Das Problem sei durch einen von SPD und Grünen mit Simonis' Stimme beschlossenen Alternativtext pro Rechtschreibreform entstanden, der absichtlich die Verwirrung ausgelöst habe.
Das bestreitet Regierungssprecherin Susanne Bieler-Seelhoff. Für die Volksabstimmung sei allein der Landtag zuständig. Die Ministerpräsidentin habe nur den zuständigen Landtagspräsidenten auf die mißverständliche Formulierung hingewiesen.
Dem widerspricht Joachim Köhler, Sprecher von Landtagspräsident Heinz-Werner Arens (SPD): Die besonders umstrittene Formulierung auf dem Abstimmungszettel stamme vom Landeswahlleiter. Der sei Beamter des Innenministeriums. Es sei verwunderlich, daß sich Simonis bei Arens über das Handeln einer ihr unterstehenden Regierungsabteilung beklage.
Der Streit dreht sich um die vom Wahlleiter formulierte dritte Alternative, die neben der Ablehnung und der Befürwortung der Reform zur Abstimmung steht. Sie lautet: „Ablehnung – Ich lehne den Gesetzentwurf der Volksinitiative und die Vorlage des Schleswig-Holsteinischen Landtages ab.“ Dies bedeutet aber keineswegs die Ablehnung der Rechtschreibreform, sondern die Ablehnung der Volksabstimmung und damit automatisch ein Ja zur Neuschreibung.

Kieler Nachrichten, 08.08.1998

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Sigmar Salzburg
07.09.2008 10.54
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Die Wählertäuschung

Volksentscheid – Stimmzettel stellt Wahlvolk vor Rätsel

Bürger können zwischen drei Varianten wählen

Heide (ut) Wieder klopft es an der Tür von Sven Borchers und seinen Kolleginnen. Borchers ist im Heider Rathaus für die Organisation von Bundestagswahl und Volksentscheid zuständig. Ein Mann kommt herein, um im Amt per Briefwahl abzustimmen. Die Lektüre des grau-blauen Stimmzettels für den Volksentscheid „WIR gegen die Rechtschreibreform“ ist eine Aufgabe für sich. Nachdem der Besucher einige Zeil gelesen und bekannt hat, daß die Formulierungen „ein bißchen verwirrend“ seien, kommt ihm eine von Borchers' Mitarbeiterinnen zu Hilfe: „Wenn Sie für die Reform sind, müssen Sie ganz oben ankreuzen, wenn sie dagegen sind.“ – und so weiter.
Auch bei Wahl-Profi Borchers sorgte der Stimmzettel zum Volksentscheid zuerst für Verwirrung“. Erst recht haben Bürger, die sich nicht beruflich mit dem Thema Wahlen beschäftigen, so ihre Probleme. Borchers: „Viele fragen, wo sie ihr Kreuz machen sollen.“
Borchers befürchtet, daß sich am 27. September wegen erheblichen Erklärungsbedarfs in den Wahlkabinen Warteschlangen bilden werden. Wegen der Doppel-Wahl wurde die Zahl der Wahlhelfer von sechs auf zehn pro Bezirk aufgestockt – auf insgesamt 130. 90 sind es sonst.
Hier eine Wahlhilfe:

• Wer gegen die Reform ist, mache sein Kreuz bei Nummer eins: „In den Schulen wird die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet. Als allgemein üblich gilt die Rechtschreibung, wie sie in der Bevölkerung seit langem anerkannt ist und in der
Mehrzahl der lieferbaren Bücher verwendet wird.“
• Wer für die Rechtschreibreform ist, entscheide sich für Nummer zwei: „In den Schulen wird die allgemein übliche deutsche Rechtschreibung unterrichtet. Als allgemein üblich gilt die Rechtschreibung, wie sie in den übrigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland für die Schulen verbindlich ist.
• Wer weder fiir das eine noch das andere ist, wähle Nummer drei: „Ich lehne den Gesetzentwurf der Volks-Initiative und die Vorlage des Schleswig-Holsteinischen Landtages ab.“

Dithmarscher Landeszeitung 2.9.1998

[Nicht erwähnt: Das Kreuz bei „drei“ wirkte als Befürwortung der „Reform“.]

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Sigmar Salzburg
07.09.2008 10.46
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„Die Leid Tragenden sind die Kinder“

400000-Mark-Kampagne für die Rechtschreibreform
Offensive der Reform-Befürworter
KIEL
Carsten Maltzan
Im Streit um die Rechtschreibreform hat sich jetzt eine breite Front der Reformbefürworter gebildet. Mit dem Verband der Schulbuchverlage an der Spitze unterstützen 14 bundes- und landesweite Eltern-, Lehrer- und Schülerorganisationen die neue Schreibweise. Der Vorsitzende des Verbandes der Schulbuchverlage, Fritz von Bernuth, stellte gestern in Kiel die Kampagne vor, die der Reform am 27. September beim Volksentscheid zum Durchbruch verhelfen soll.
Aus Sicht der Verlage könne „das Rad nicht mehr zurückgedreht werden“, begründete von Bernuth die 400000 Mark teure Initiative der Befürworter. Die Schulbücher seien mittlerweile zu fast 100 Prozent auf die neuen Schreibregeln umgestellt. „Die Verlage haben bereits 15 Millionen Mark in die Umstellung investiert“, erklärte der Verbandsvorsitzende weiter. Falls Schleswig-Holstein zur alten Schreibweise zurückkehren sollte, könnten die Verlage den Norden nicht mehr mit Schulbüchern versorgen. Außerdem dürfe der Föderalismus in Deutschland durch das Ausscheren des Nordens „nicht lächerlich gemacht werden“, sagte er.
Die Vorsitzende des Bundeselternrates, Renate Hendricks, rief die Reformgegner auf, ihr „Engagement lieber in die Verbesserung des Bildungssystems“ als in den Kampf gegen die Reform zu investieren. Ein Stoppen der Reform ginge „eindeutig zu Lasten der Kinder“.
Die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Rita Wittmaack, und der Vorsitzende des Schulleiterverbandes, Michael Doppke, berichteten übereinstimmend, daß die Schüler seit Einführung der neuen Regeln „viel weniger Fehler machen“. Doppke betonte zudem, daß die schleswig-holsteinischen Schulen eine Rückkehr zu den alten Regeln nicht bezahlen könnten. Jede Schule müßte knapp 25 000 Mark in eine Umstellung auf die alte Schreibweise investieren. „Für dieses Geld könnte man vier Jahre lang eine Hausaufgabenhilfe beschäftigen“, sagte Doppke. Die Kampagne besteht vor allem Anzeigen in Tageszeitungen und Werbespots in regionalen Radiosendern. Außerdem wurden ein Info-Angebot im Internet unter der Adresse [http ...] und eine Telefon-Hotline 0621/ 1581-124, montags bis donnerstags 16 bis 19 / freitags 9 bis 12 Uhr) eingerichtet.
Die Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“, die den Volksentscheid durch eine Unterschriftenaktion in Gang gebracht hat, meinte dagegen, der Verband der Schulbuchverlage sehe seine Felle davonschwimmen. „Es ist klar, daß jetzt aus durchsichtigen pekuniären Gründen agiert wird“, meinte Mitinitiator Matthias Dräger.

Eckernförder Zeitung 1.9.1998

[Acht Jahre später konnte die „Reform“ dann doch zurückgedreht werden, aber nicht wegen der demokratischen Entscheidung des Volkes, sondern weil der Springer-Konzern ausgestiegen war. Aus Rechthaberei und Machterhalt der Politiker mußten jedoch die neuen ss und weitere unwürdige Vorschriften als Geßlerhut erhalten bleiben.]

[Selbstverständlich hatten die „14 bundes- und landesweiten Eltern-, Lehrer- und Schülerorganisationen“ ebenso wie der Bundeselternrat der Renate Hendricks keinerlei Mandat der Elternmehrheit, in ihrem Namen für die „Reform“ zu einzutreten.]

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Sigmar Salzburg
04.09.2008 08.15
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Reformdiktatur seit 1996 in Berlin

Lehrer gegen Rechtschreibreform

Von G. SCHOMAKER
Berlin – Der Widerstand wächst. Und immer mehr Lehrer weigern sich, nach neuen Rechtschreibregeln zu unterrichten. Trotz massiven Drucks auf die Reform-Rebellen.

Eine Lehrerin zur BZ: „Das Landesschulamt will das umstrittene ,Neu-Deutsch' auf Biegen oder Brechen an Berlins Schulen durchsetzen. Notfalls über Disziplinarmaßnahmen gegen uns.“
Denn die Pädagogen begehren auf. Wollen nicht aus Schulbüchern unterrichten, in denen es von Fehlern wimmelt. Bis zu 10 000 sollen sich in die Lehrtexte eingeschlichen haben.
Eine Tempelhofer Pädagogin (will wegen der Strafandrohung anonym bleiben): „Ungefähr die Hälfte der Berliner Lehrer ist gegen die Rechtschreibreform. Obwohl wir die Anweisung mit drei Seiten Info-Text von Schulsenatorin Stahmer auf dem Tisch haben.“
Wer öffentlich dagegen protestiert, dem drohen Disziplinarmaßnahmen: Maulkorb gegen Reform-Rebellen. Die Lehrerin: „Als Beamte sind wir zur Ausführung der Anweisung verpflichtet. Trotzdem unterlaufen viele Lehrer die Reform stillschweigend.“
Die Bürgerinitiative „Wir sind das Rechtschreibvolk“ sammelte auf dem Alex Unterschriften gegen das neue Regelwerk. 1000 Berliner unterstützten allein gestern den Protest. Gernot Holstein: „Wir stoppen die Reform. Anfang September wird das Verwaltungsgericht über meinen Eilantrag entscheiden.“

BZ am Sonntag 24.08.1997

Der Eilantrag war erfolgreich. Jedoch kam dann das politisch orientierte Bundesverfassungsgericht dem Bundesverwaltungsgericht zuvor, das unter der Leitung des Schulrechtsexperten Prof. Norbert Niehues die nichtsnutzige „Reform“ endgültig zum Scheitern gebracht hätte. Die Verfassungsrichter aber erklärten die ungesetzliche Reformierung für „unwesentlich“ – und zwar so parteinehmend, daß noch zehn Jahre später obrigkeitsgefällige Gerichte dies als Freibrief für jede Narretei der Kultusminister auslegen konnten.

Während in Berlin (wie in Schleswig-Holstein) reformgegnerische Lehrer disziplinarisch verfolgt wurden, organisierte die linke Lehrer-GEW ‚Menschenketten’ zur Verhinderung der Unterschriftensammlung. Die Berliner Regierung tat schließlich alles, um das folgende Volksbegehren durch Verhinderung von Werbung und Minimierung der Unterschriftenstellen zu behindern. Dagegen durfte beispielsweise der Verband der Schulbuchverleger eine halbe Million DM locker machen, um in Schleswig-Holstein in den Volksentscheid einzugreifen.

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Sigmar Salzburg
03.09.2008 19.46
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Was die inkompetenten Kultusminister schon 1998 nicht wahrhaben wollten:

„Die Fehlerquote in Diktaten wird steigen“
Für die Deutschlehrerin Elke Loubier ist die Rechtschreibreform ein unerträglicher Unsinn


Elke Loubier aus Marne hofft, daß der Rechtschreibreform beim Volksentscheid am 27. September, eine klare Absage erteilt wird. Die seit kurzem pensionierte Deutschlehrerin sieht in der Reform keinen Fortschritt und befürchtet ein Ansteigen der Fehlerquote bei Diktaten.

Frage: Warum sind Sie gegen die Rechtschreibreform?

Loubier: Es wird nichts geändert, was geändert werden müßte. Im Gegenteil, die Schüler hätten noch größere Rechtschreibschwierigkeilen als bisher.

Frage: Zum Beispiel?

Loubier: Seit Jahren analysiere ich Diktattexte von Realschülern. Dabei komme ich immer wieder zu denselben Ergebnissen.

Erstens: Die meisten Rechtschreibfehler machen unsere Schüler in der Groß- und Kleinschreibung. Mit dieser Schwierigkeit haben übrigens nur die deutschen Schüler zu kämpfen.

Zweitens: Viele Fehler in der Schreibung des „s“-Lautes, weil es hier drei Möglichkeiten gibt.

Drittens: In der Zusammen-und/oder Getrenntschreibung werden sehr häufig Fehler gemacht. Allein in diesen drei Bereichen wird es durch die „Reform“ die Rechtschreibung viel komplizierter. Die Rechtschreibreform schafft Verwirrung.

Frage: Warum? Die Schriftsprache soll durch die Reform doch vereinfacht werden?

Loubier: Wird sie aber nicht, Im Gegenteil: Vieles verwirrt. Vor allem werden in den unterschiedlichen Wörterbüchern unterschiedliche Schreibweisen als richtig ausgewiesen (s. Beispiel unten, d. Red.). Auch wird in vielen Fallen die Herkunft der Wörter ignoriert. So ist die neue Schreibweise „einbläuen“ falsch. Das Wort ist keine Ableitung von „blau“, sondern von „bleuen“, einem mittelhochdeutschen Wort für „schlagen“. Richtig ist daher die bisherige Schreibweise „einbleuen“. Die neue Schreibweise „belämmern“ ist ebenfalls falsch. Das Wort kommt nicht von „Lamm“, sondern aus dem Mittel-Niederdeutschen „belemmern“, es bedeutet „hindern“, „hemmen“ oder „beschädigen“.

Hier anderes Beispiel: Nach der Rechtschreibreform heißt es statt „haltmachen“ „Halt machen“. Aber „kehrtmachen“ wird nicht verändert. Oder: Aus „Muß" wird „Fluss“, aber „fließen“ bleibt unverändert,
Diese Liste mit Beispielen ließe sich endlos fortsetzen. In der Rechtschreibreform stecken so viele Unsinnigkeiten, daß es nicht zu ertragen ist.

Frage: Verwirrend ist auch der Stimmzettel. Eigentlich weiß niemand so recht, was anzukreuzen ist. ...

Loubier: Ich finde ihn sehr verwirrend, besonders wegen des dritten Kästchens. Dort steht unter dem fettgedruckteil Wort „Ablehnung“: „Ich lehne den Gesetzesentwurf der Volksinitiative und die Vorlage des Schleswig-Holsteinischen Landtages ab“. Warum diese unnötige Verunsi-
cherung des Wählers? Es hätte genügt, wenn die Frage „Sind Sie für die Rechtschreibreform?“ mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ beantwortet werden müßte. Wichtig ist daher: Wer gegen die Rechtschreibreform ist, muß sein Kreuz im oberen Kästchen machen. Und zwar nur dort.

Frage: Kommt das Volksbegehren nicht zu spät? Immerhin wird in den Grundschulen bereits seit zwei Jahren mich der neuen Rechtschreibung unterrichtet.

Loubier: Das stellt aus pädagogischer Sicht kein Problem dar. In der Grundschule lernen die Kinder allenfalls in der vierten Klasse die „s“-Laute. Alle weiteren von der Rechtschreibreform betroffenen Bereiche werden erst in den weiterführenden Schulen unterrichtet.

Frage: Und die Kosten? Eine Rücknahme der Reform erfordert wieder neue Schulbücher.

Loubier: Zur Zeit sind erst etwa 30 000 von über 700 000 Büchern umgestellt. Die eigentlichen Kosten kämen also erst, wenn die Rechtschreibform bleibt und zwar in Milliardenhöhe.

Frage: Offenbar fällt Ihnen kein Grund ein, die Rechtschreibreform zu befürworten?

Loubier: Ich behaupte: Wer für die Rechtschreibreform ist, weiß nicht, worum es geht.

Frage: Angenommen die Schleswig-Holsteiner lehnen die Rechtschreibreform ab: Werden die Schüler nicht bundesweit in eine orthographische Außenseiterrolle gedrängt?

Loubier: Falls der Volksentscheid in Schleswig-Holstein ein Erfolg wird, ziehen andere Bundesländer nach: Eine ähnliche Initiative sieht etwa in Bayern schon in den Startlöchern. Das Ergebnis in Schleswig-Holstein führt daher zu keiner „Insel-Lösung“ für die Schüler, sondern zu einer Kettenreaktion in der Bundesrepublik.

Das Gespräch führte Henning Voß

Dithmarscher Landeszeitung 10.09.1998 Seite 25

Auch nach zehn Jahren ist Hauptaussage der erfahrenen Deutschlehrerin noch gültig und wurde durch die Untersuchung von Prof. Harals Marx und erst kürzlich wieder durch Dr. Uwe Grund bestätigt.

Auch die Hoffnung, daß andere Bundesländer nachziehen könnten, war berechtigt. Aber nach Niedersachsen wurden die Volksbegehren in Berlin, Bremen, Mecklenburg u.a. von den Politikern – gewitzt durch ihre Niederlage in Schleswig-Holstein – mit verfeinerten Methoden abgewürgt. Als dann doch die neue konservative Regierung in Niedersachsen unter Christian Wulff einen Umschwung einleiten wollte, kam der beschämendste Widerstand aus dem Lande des erfolgreichen Volksentscheids – von der Regierung, deren Parteien hauptverantwortlich für die antidemokratische Annullierung des Volkswillen waren.


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