Honeckers Haftentlassung
An sich sollten die Zitate zeigen, daß bei Spiegel-EinesTages weiterhin munter orthographische Geschichtsfälschung betrieben wird. Allerdings ist diesmal die Kennzeichnung als Zitat aus einer schriftlichen Quelle sorgfältig vermieden worden. Dagegen wird hier zugleich auch die Staatsgefälligkeit der bundesdeutschen Justiz deutlich. Deswegen die Einordnung dieser Textausschnitte unter „Gerichte“:
Uneinsichtig bis zuletzt
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Dass es überhaupt zu dem Verfahren vor dem Landgericht Berlin kommt, ist das Ergebnis einer List russischer Ärzte… Ärzte stellen Honecker als Simulanten dar ... Ein dubioses medizinisches Gutachten liefert den gewünschten Anlass für seine Ausweisung… Er wird nach Deutschland abgeschoben.
Am 29. Juli 1992 ist es so weit: Festen Schrittes, die rechte Hand zum kommunistischen Gruß geballt, verlässt der Ex-Staatschef die Moskauer Botschaft… Bereits wenige Tage nach seiner Ankunft im Gefängniskrankenhaus Moabit überführen deutsche Ärzte ihre russischen Kollegen der Fehldiagnose. In der Leber von Häftling 2955/92 entdecken die Ärzte einen fünf Zentimeter großen Tumor, der eine erhebliche Aggressivität besitze…
Honeckers Anwalt Friedrich Wolff beantragt daraufhin die Einstellung des Verfahrens und die sofortige Freilassung seines Mandanten: Es ist medizinisch leider absolut sicher, dass unser Mandant aufgrund dieser Krankheit in absehbarer Zeit sterben wird. Er hat das Recht, in Würde und Ruhe zu sterben, ohne die Zeit bis zu seinem Tode Objekt eines öffentlichen Strafverfahrens zu sein, begründet der Verteidiger seinen Antrag.
Dieses Ersuchen lehnt der Vorsitzende Richter Hansgeorg Bräutigam jedoch gleich mehrfach ab. Er argumentiert, dass der Prozess und die damit verbundene Verteidigung seines Lebenswerks als DDR-Staatschef dem Angeklagten neue Lebensgeister einhauchen könne…
Selbst die Richter blamieren sich in dem Verfahren nach Kräften: Am letzten Verhandlungstag vor Weihnachten 1992 übergibt Richter Bräutigam in einer Prozesspause Honeckers Verteidigern ein Buch: einen Berlin-Stadtführer aus dem VEB-Tourist Verlag. Ein Schöffe möchte, dass der Angeklagte darin ein Autogramm hinterlässt. Kurz darauf werden Bräutigam und der Schöffe aus Befangenheitsgründen abgesetzt. Das ohnehin hoch umstrittene Verfahren gegen Honecker verliert dadurch weiter an Glaubwürdigkeit.
Wenige Tage später setzt das Berliner Landesverfassungsgericht dem Schauspiel ein Ende. Die Kammer gibt am 12. Januar 1993 einer Verfassungsbeschwerde des Angeklagten statt und setzt den Todkranken auf freien Fuß. Das Verfahren verletze Honeckers Menschenwürde, urteilen die Richter, weil der Angeklagte aufgrund seiner weit fortgeschrittenen Krebserkrankung den Abschluss des Verfahrens vor der Strafkammer, der nach Auffassung des Kammergerichts frühestens für das Jahresende 1993 zu erwarten ist, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erleben wird.
einestages.spiegel.de 3.1.2013
Die Überschrift „Uneinsichtig bis zuletzt“ ist auch ziemlich überheblich.
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