Weiteres Fälschen zum Wohlgefallen der Schreibdiktatoren
Spiegel Online schreibt über die Suche nach einem vermißten Verwandten, der auf dem Feldzug gegen die Sowjetunion verschollen ist. Das kenne ich nur zu gut:Spurensuche in Weißrussland
Wo ist Hans?
Wenn der Großonkel spurlos verschwindet: Hans Dohr, im Zweiten Weltkrieg Soldat an der Ostfront, gilt bis heute als vermisst. Sein Großneffe Tobias Lickes suchte nach Antworten und hat einen NDR-Film über die Spurensuche gedreht. Aber warum werden wieder die Briefe in die Rechtschreibung von 1996 umgefälscht? Das ss/ß-System nach Heyse gab es doch nur ganz kurz vor 1900 in Österreich. Die Schreibmaschinenschrift soll wohl zusätzlich Authentizität vorgaukeln.Sonntag, den 24.4.1944.
Meine Lieben,
heute am Sonntag sende ich euch die herzlichsten Grüße. Hier haben die ersten Frühlingsboten (...) Einzug gehalten. Allerdings ist man hier mit dem Sonnenschein sehr sparsam. (...) Hier gibt es nicht viel Neues, alles geht seinen Gang weiter. Und wie ist es zu Hause? Der Tommy hat wohl wieder Köln angegriffen, wenn das doch mal bloß aufhörte. (...) Ja, mein liebes Trudchen, wollen wir hoffen, dass der Krieg bald ein Ende hat und wir uns alle gesund wiedersehen. Sonst, meine Lieben, wünsche ich Euch alles Gute und verbleibe mit den herzlichsten Grüßen. Dieser Brief ist ja nicht viel, aber von Herzen.
Euer Hans
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Krefeld, den 10.7.1944
Lieber Hans,
in Gedanken sind wir immer bei Dir. Denn die schweren Ereignisse an der Ostfront machen uns Sorgen. Wenn schönes Wetter ist, gehe ich öfters mit Mutter zum Garten. Die Erdbeeren sind nun alle, jetzt kommen die Kirschen dran. Wenn Du erst im Winter kommst, können wir wenigstens Kirschtorte machen. Natürlich auch dann, wenn Du eher kommst. Für heute, lieber Hans, will ich denn schließen, in der Hoffnung, dass es Dir noch gut geht.
Kuss, Gertrud
spiegel.de 9.5.2018 Immerhin ist zu begrüßen, daß man die Anrede nicht auch noch in das Unhöflichkeits-du von 1996 umgefälscht hat, wie man es z.B. mit Schulbuchtexten von Marx, Lasalle und anderen macht.
Es bleibt die Frage nach dem Warum, denn das Bundesverfassungsgericht fand, daß bei Verwendung der bewährten Rechtschreibung „Nachteile nicht zu besorgen“ seien. Man kann nur zu dem Schluß kommen, daß über der ganzen „Reform“ der Orwellsche Geist schwebt, der im Gedächtnisloch verschwinden lassen will, daß es einstmals eine elegante und allgemein anerkannte Rechtschreibung gegeben hat, die aus Unfähigkeit, Mutwillen, Veränderungsideologie und Traditionshaß zerstört wurde.
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